INTERVIEW

WALK THROUGH FIRE :: We’re fuckin‘ cursed!

(c) by Josefine

WALK THROUGH FIRE ist eine Band, von der ich ehrlich gesagt nicht geglaubt hätte, dass es sie mal uns unsere Gegend verschlägt. Aber wie es manchmal so läuft, spielen sie in Göttingen, was mich natürlich zu einem Konzertbesuch animiert hat. Dass die sympathische und liebenswürdige Bande dann auch noch Lust verspürte, sich meinen Interviewfragen zu stellen, ist für mich eine besondere Ehre, denn schließlich hat man es nicht umsonst in meine Jahrescharts 2011 geschafft. Zum Zeitpunkt des Interviews konnte man aber noch nicht ahnen, wie unwürdig diese Tour zu Ende gehen würde.

Man findet nicht sehr viele Informationen über WALK THROUGH FIRE im Internet, würdest du die Band und ihren Werdegang kurz vorstellen?
Ufuk: Wie du schon gesagt hast: wir sind WALK THROUGH FIRE und kommen aus Göteborg. Angefangen haben wir 2008 und das Line-up bestand aus mir, einem Freund namens David, der bei MONACHUS und AGE OF WOE spielt (zwei großartigen Bands aus Göteborg) und Johan, dem Sänger von ABANDON. Leider hat er sich nicht an dem ersten Album beteiligt, also haben Dave und ich unser Album allein aufgenommen und es ist ein Instrumental-Album geblieben. Das war der Anfang. Dann kamen Andreas (b) und ein anderer Freund dazu und wir haben zwei oder drei Mal live gespielt. Etwas später haben wir angefangen uns mehr in Richtung Songs, anstatt experimenteller Musik zu entwickeln. Die Ergebnisse variierten im Stil zwischen Black Metal und Doom und so weiter, aber jetzt haben wir unsere musikalische Heimat gefunden.

Woher kommt eure Inspiration, diese düstere, emotionale und negative Musik zu spielen?
Ufuk: Es ist ganz natürlich für uns, uns so auszudrücken. Manchmal trinken wir einen, manchmal machen wir Musik. Aber die Musik ist einfach das Wichtigste und sie bringt uns immer zusammen. Wir sind vier völlig unterschiedliche Charaktere, aber wir gemeinsam sind WALK THROUGH FIRE und erschaffen etwas Gutes. Wir sehen keine Notwendigkeit fröhliche Musik zu spielen, denn wenn du fröhlich sein willst, geh raus und genieß die Sonne oder was-auch-immer. Und die Musik ist keineswegs negativ für uns, ganz im Gegenteil.

Flegar: Natürlich klingt alles dunkel und negativ, aber es geht vielmehr um die Suche nach dem Licht in all der Dunkelheit um uns herum. Es ist sehr reinigend.

Das erste, selbstbetitelte Album und „Furthest from heaven“ unterscheiden sich sehr voneinander. Der Hauptunterschied liegt in der erwähnten Tatsache, dass sie ohne Gesang auskommt. Warum hast du nicht auf dem Album gesungen?
Ufuk: Nun, wie gesagt, wir hatten einen Sänger, aber er war eine sehr aufgewühlte Persönlichkeit, der auch gerne mal einfach so verschwand, ohne anderen zu sagen wohin und wie lange. Da saßen wir also mit den Songs und da wir es auf jeden Fall aufnehmen wollten, haben wir es einfach getan. Etwas später ist Johan dann leider gestorben und wir haben kurze Zeit als Instrumentalband weitergemacht. (Der ABANDON-Sänger ist am 17.12.2008 in Barcelona an einer Überdosis Heroin gestorben. – Anm. d. Verf.) Aber wir haben Texte für das Album geschrieben, aber ich weiß nicht, wo die jetzt sind. Die Texte wurden übrigens in Schwedisch verfasst.

Im Song „Furthest from heaven“ singst du „there′s no one in heaven, for no one is saved…“. Ist „Himmel“ für dich ein religiös geprägter Begriff oder benutzt du ihn als Metapher?
Ufuk: Als Metapher. Es gibt keine absolute Glückseligkeit. Glück kommt in kleinen Dosen. Vielleicht in Form eines Biers (lacht)…nein Ernsthaft: ich glaube nicht, dass man etwas tun kann, um ins Paradies zu kommen. Es ist nicht im religiösen Sinne gemeint. „No one is saved“ bedeutet, dass wir alle gleich sind. Ich bin ein sehr politischer Mensch und engagiere mich sehr gegen Ungerechtigkeiten, aber im Endeffekt leben wir alle in dem selben Sumpf. Sogar Menschen, die schlimme Dinge tun, sind Menschen! Wir sind alle gleich!

Findest du die Inspirationen für deine Texte im Leben, in Büchern oder Filmen?
Ufuk: Ich lese leider nicht viel…ich wünschte, ich würde. Die Hauptinspiration kommt von anderen Künstlern, ich höre zum Beispiel viel Hip Hop. Meine Art, die Sätze und Texte zu schreiben ist definitiv davon inspiriert. Die Ästhetik der Texte hat aber viel mit Black Metal, Punk und Hardcore zu tun.

(c) Chris

Ist es nicht seltsam, dass andere Menschen, zu denen ich mich auch zähle, zu euch kommen und euch sagen, dass die Musik ein wichtiger Begleiter ist schwierigen Zeiten war?
Ufuk: Seltsam? Nein! Genau das wollen wir erreichen! Wir wollen die Leute nicht mit unserer Härte oder Langsamkeit beeindrucken. Wenn jemand kommt und sich bei uns bedankt, dann wissen wir genau, was das bedeutet! Wohin wir auch kommen, wir treffen immer Menschen, die auf eine gewissen Ebene genauso sind wie wir. Wie gesagt: Wir sind alle gleich.

Flegar: Es ist natürlich sehr schmeichelhaft und durch unsere Musik treffen wir viele Fans, die genau wie wir durch schwierige Zeiten gegangen sind. Leute zu treffen, die sich in unserer Musik wiederfinden und etwas Licht im Dunkel sehen, sind zum Teil ja auch der Grund, warum man so was macht.

Also ist es für euch ok, wenn Hörer die Musik und die Texte anders interpretieren, als ihr das ursprünglich gedacht hattet?
Ufuk: Na klar! Es ist sehr interessant zu hören, was andere über deine Musik und Texte denken! Manche denken sicherlich, dass es nur düster und negativ ist und sich fragen, warum man so was überhaupt macht. Meine Eltern haben mich mal gefragt, ob ich mich gut fühlen würde, wenn ich diese Musik spiele. Sie hatten halt den Eindruck es sei alles sehr destruktiv, aber das ist es für uns nicht, im Gegenteil. Und wenn Fremde aus anderen Gründen als unseren eine Verbindung zu unserer Musik haben, ist das wunderbar!

Flegar: Weil die Musik so dunkel und negativ klingt, lernt man die schönen Momente vielleicht mehr zu würdigen, was eine wahrlich gute Sache ist! Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass die Welt ein böser, dunkler Ort ist, an dem viel Scheiße passiert.

Ufuk: Daher auch unser Name: jedes Mal, wenn wir Proben oder Auftreten versetzen wir uns in diese spezielle Stimmung. Auch wenn wir jetzt ziemlich ausgelassen und chillig rüberkommen, sobald wir unsere Instrumente anschließen und alle vier zusammen sind, gehen wir durch das Feuer und kommen auf gewisse Weise jedes Mal stärker heraus, als zuvor.

Euer Album „Furthest from heaven“ ist jetzt über ein Jahr auf dem Markt. Gibt es etwas, was ihr rückblickend ändern würdet?
Ufuk: Wir richten unseren Blick nach vorne. Das Album bedeutet uns sehr viel und es zu machen war sehr wichtig für uns als Menschen, aber auch als Band. Wir sind sehr stolz auf das Album. Natürlich bemerkt man Sachen, wie den Drumsound, der nicht wirklich so klingt, wie wir das wollten, aber wir merken uns diese Sachen und wissen, was wir auf dem nächsten Album zu beachten haben.

Ihr schreibt ja bereits neue Songs…
Ufuk: …der größte Unterschied zwischen „Furthest from heaven“ und den neuen Songs ist die Tatsache, dass wir zum ersten Mal überhaupt als Band zusammen Songs schreiben. Auf den ersten Alben habe ich alles geschrieben und den Mitgliedern erzählt, was sie wie zu spielen haben. Durch das Teamwork klingt das neue Material viel dynamischer. Du wirst heute einiges davon hören.

Welche Band hat euch beeinflusst? Welche Band würdet ihr unseren Lesern empfehlen?
Ufuk: (wie aus der Pistole geschossen) ABANDON. Wir machen da schon Witze drüber…als unser Drummer Juliusz zu uns kam, haben wir ihm als erstes ein ABANDON-Album gegeben und ihm gesagt: „Hör dir das Album an und wenn′s dir gefällt komm später wieder“. Wenn du mit WALK THROUGH FIRE spielen willst, musst du ABANDON mögen. ABANDON ist die größte Inspiration für uns. (Also für alle Interessierten (und ich darf sagen, es lohnt sich): www.myspace.com/inrealitywesuffer. – Anm. des Verf.)

Ist das eure erste Tour außerhalb Schwedens?
Ufuk: Die erste längere Tour. Vor einigen Monaten waren wir in England für vier Shows. Wir proben viel und versuchen ständig neue Stücke zu schreiben. Wir verwerfen so viele Ideen…eigentlich könnten wir schon fünf Alben aufgenommen haben. Haben wir aber nicht, weil wir so auf diesen Moment fixiert sind, der sich am Besten anfühlt. Alles andere kommt weg.

Flegar: Wir spielen in Schweden allerdings auch nicht so oft. Wir haben eine Show alle paar Monate. Die Auftritte finden eher sporadisch statt.

Andreas: Es war schon mal eine Europa-Tour gebucht, aber die ist krachen gegangen…

…diese Tour wäre auch fast krachen gegangen, denn die ersten beiden Gigs mussten abgesagt werden! Was war los?
Ufuk: Wir haben den Fluch! We are fuckin′ cursed!

Flegar: Yeah, ständig geht irgendwas kaputt, Gigs werden abgesagt…Ich bin sicher, viele andere Bands haben auch damit zu kämpfen, aber…

Ufuk: …Gott ist sauer…

Flegar: Ja, er ist wohl irgendwie angepisst…Es gehört wohl irgendwie dazu, aber es ist nicht einfach.

Ufuk: Ich war bisher in keiner anderen Band, die sich so sorgsam auf alles vorbereitet hat. Wir wissen, dass ständig Mist passiert und wir vorbereitet sein müssen. Aber man kann sich nie genug vorbereiten.
Ich weiß auch nicht, warum die ersten Gigs abgesagt wurden. Leider wissen wir auch nicht, wo wir morgen auftreten…aber wir warten auf die nötigen Informationen.
Umso glücklicher sind wir, dass ihr heute hier in Göttingen auftreten werdet.

Spielt ihr heute auch was von der ersten CD?
Ufuk: Nein. Das stammt aus einer ganz anderen Zeit. Außerdem benutzen wir unterschiedliche Tunings, also müssten wir weitere Gitarren mitnehmen, das ist leider nicht drin.

Ihr habt auf Facebook geschrieben, dass ihr euch drauf freut, auf Tour zu gehen, nette Leute zu treffen und einheimisches Bier zu trinken…Habt ihr wenigstens schon Bier bekommen?
Ha, wir haben ein Sixpack von dir bekommen, worüber wir uns sehr freuen! Den Träger, den du für uns beschriftet hast, hängen wir uns als Erinnerung in unseren Proberaum, versprochen.

Was steht in eurem Fünf-Jahres-Plan?
Ufuk: Als Band überleben.

Flegar: Solch einen Plan haben wir nicht, aber sobald wir von der Tour zurück sind, wollen wir mit den Aufnahmen zum nächsten Album beginnen. Andreas wird am Ende des Jahres Vater, da wird er vorerst nicht mehr viel Zeit mit uns verbringen können. Wir hoffen, das neue Album ungefähr im Frühling 2013 veröffentlichen zu können und dann eine Festivals zu spielen, wie z.B. „Heavy Days in Doomtown“…

Ufuk: Soweit reichen unsere Pläne…bis zum nächsten Sommer.

(c) Chris

Liebe Leser, wenn ihr bis hier gelesen habt, muss ich euch sagen, dass die Tour nach dem Gig in Göttingen nicht fortgesetzt wurde. Die Planung war schlecht und vor allem lückenhaft. Von 16 „geplanten“ Konzerten sind nur wenige (ich glaube 3) geblieben, immer mit freien Tagen dazwischen. Dass sich eine Band wie WALK THROUGH FIRE nicht leisten kann, dürfte klar sein. Ich setze diese Info an das Ende des Interviews, da ich mit den notwendigen Klammerbemerkung nicht unnötig stören wollte. Weiteres zu dem Thema findet ihr auf der Webseite oder bei Facebook. (chris)

www.walkthroughfire.se

www.facebook.com/walkthroughfire