LIVEBERICHT

SLIME + NANCY & I :: Schluss mit linker Hass-Musik


Live in der Musa in Göttingen am 04.10.2012
(Fotos und Text: chris)

2010 begaben sich SLIME auf eine Reunion-Tour, die sie u.a. nach Göttingen gebracht hat und in der Konzert-Nachbereitung vertraute mir Elf (g) an, dass alles super laufe und man vielleicht eine neue CD aufnehmen wolle. Gute 1,5 Jahre später liegt die CD „Sich fügen heißt lügen“ in jedem guten sortierten CD-Player und was soll ich sagen? Ich persönlich bin davon überzeugt, dass man mit dem Album eines der besten der gesamten Karriere abgeliefert hat! Die Texte stammen nicht von Dirk, sondern man hat sich bei den revolutionären und anarchistischen Texten von Erich Mühsam bedient, der auch heute noch jeden Motor zum Laufen bringt, der Widerstand tankt. Somit fügen sich die Texte nahtlos in den SLIME-Kontext ein und die literarische Art der Texte begeistert mich sehr, da ich die alten Schriftsteller und den Geist der Revolution sehr schätze. Dementsprechend ist mein Wunsch auch sehr groß, dass wir heute Abend nicht nur die alten Songs hören, sondern, dass SLIME auch den einen oder anderen Song von ihrem aktuellen Werk einbinden.

Die Musa kann voller Freude das Schild „Ausverkauft“ an die Tür hängen und trotz der Tatsache, dass es an der Abendkasse nichts mehr gibt, ist der Innenraum zu später Stunde zwar sehr voll, aber zum Glück ist er nicht überfüllt.

Als Anheizer geben sich heute die Göttinger NANCY & I noch vor kleinerer Kulisse die Ehre und der Punk mit dezenten Hardcore-Anleihen (oder liegt das nur am guten Sound?) ist ganz nett, aber der Sänger bekommt nicht genug Druck in den Gesang und über die 40 Minuten macht sich dezente Eintönigkeit breit. Wenn man es außerdem schafft, den Klassiker „New England“ so zu spielen, dass man ihn fast nicht erkennt…naja, Schwamm drüber. Der Applaus am Anfang des Gigs erscheint mir auch lauter, als an dessen Ende und das würde sich mit meiner eigenen Begeisterungskurve decken.

Die Musa hat sich jetzt gut gefüllt und nach einem langen Intro ist es endlich soweit: SLIME sind „wieder zu Hause in Göttingen“. Sobald die ersten Töne erklingen passiert etwas, das mir beim letzten Gig in Göttingen auch schon passierte: ich fühle die Texte, mein Herz brennt, die Seele zittert. Das schaffen in dieser Intensität nicht viele Bands, aber SLIME gehören dazu, oder um es sinngemäß mit Nicis Worten zu sagen: man hat Lust was anzuzünden oder zu zerstören. In meiner „Prägungsphase“ war SLIME allgegenwärtig und eine gehörige Portion Aufmüpfigkeit stammt sicher noch aus diesen Tagen. Besser kann ein Konzert nicht funktionieren.

Der Einstieg mit „Wir geben nicht nach“ vom aktuellen Album erfüllt mir meinen Wunsch nach neuen Stücken ohne Umschweife und es sollen mit „Sich fügen heißt lügen“, „Zum Kampf“, „Bett aus Lehm und Jauche“, „Revoluzzer“, „Freiheit in Ketten“, „Rebellen“ und „Seenot“ noch insgesamt 7 weitere Stücke von „Sich fügen heißt lügen“ folgen! Das wird sicherlich nicht jedem Alt-Fan gefallen, aber ich denke, dass die neuen Stücke live einwandfrei funktionieren, wenngleich der Pogo-Pit und die Textsicherheit bei den neuen Stücken etwas geringer sind, als bei den unsterblichen Klassikern. Von denen gibt es aber auch eine ganze Menge, denn im Laufe der 105 Minuten bekommen wir 26 Songs um die Ohren geballert, die jeden Fan glücklich machen. „Alle gegen Alle“, „Alptraum“, „A.C.A.B.“, „Schweineherbst“ und „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ sind nur einige der Highlights. Nett ist auch, dass im Publikum jemand fragt, „wer denn „Erwin Schütte“ sei…naja, er singe doch „Erwin Schütte tötet“…“, harharhar. Sehr witzig ist das Ende des Abends mit dem „1,7 Promille Blues“, was eine geile Partystimmung verbreitet und ein wirklich guter Abschluss eines intensiven Konzertes darstellt.

Die Band besteht seit 2010 nicht nur aus Dirk (v), der charismatischen Frontsau mit dem Gesicht wie in Marmor gemeißelt, dem hart arbeitenden Elf (g), dem vor Riffs schrubben geschätzte drölf Liter Schweiß vom Kopf tropfen, dem stillen Wasser Christian (g), sondern auch den beiden „neuen“ Nici (b) und Alex (d). Allerdings darf man sich von dem Terminus „neu“ trennen, denn die Feuerprobe haben sie schon längst bestanden. Wenn man Alex und Nici genauer beobachtet, merkt man durchaus, wie effektiv die Rhythmusgruppe ballert, aber was das an körperlichem Einsatz fordert. Genial.
Es ist interessant zu beobachten, wie die Band auf der Bühne miteinander umgeht, denn es fällt mir auf, dass die Stimmung ausgelassen und sehr positiv ist. Jeder aus der Band strahlt Spaß am Rocken aus und das überträgt sich auch ohne Umschweife auf das Publikum.

Die Ansagen von Dirk sind wie immer unterhaltsam bis sehr witzig, allerdings auch gewohnt politisch und fern von üblichem Bla-bla. Schließlich sind wir heute nicht bei den TOTEN HOSEN oder ähnlichen Konsorten. Wenn du einen Funken Rebellion in dir trägst, wird er von SLIME entzündet.

Der Sound in der Musa ist heute Abend spitze und auch die Lichtshow (ja, auch so was gibt es bei SLIME Anno 2012) ist was für’s Auge. Somit kann man wohl behaupten, dass SLIME nach 33 Jahren erwachsen geworden sind und dennoch ihre Relevanz ständig ausbauen. Bands, die dich mit den Texten aufrütteln und dir mit ihrer Musik in den Arsch treten, gibt es viel zu selten. Und genau wie Anfang der 80er sind es 2012 wieder SLIME, die an vorderster Front kämpfen.

Vielen Dank an SLIME dafür, dass sie heute noch so relevant sind, wie vor 33 Jahren; Elf und Nici für den Tipp mit dem COMMANDANTES! Daumen hoch für die Musa! Prost an alle, die da waren! (chris)

Webseiten:
www.slime.de
www.myspace.com/nancyandipunk
www.musa.de
www.erich-muesahm-gesellschaft.de