LIVEBERICHT

KHEMMIS :: Das erste und bisher einzige Deutschlandkonzert

Völlig unerwartet erhielt ich Anfang April eine E-Mail von Spotify, die mich daran erinnert, dass Bands, welche ich über die Plattform gehört habe, in der Nähe meines Wohnorts Konzerte spielen. Als KHEMMIS im Betreff stand, konnte ich meinen Augen erst nicht trauen. Schnell checkte ich alle Daten im Netz. KHEMMIS sollten in Siegen, zwischen den Festivalauftritten beim Roadburn und Doom over Leipzig, ihr erstes und bisher einziges Deutschland Konzert als Headliner geben. Nach Rücksprache mit dem Label und der Band stand der Auftritt jedoch noch immer auf der Kippe, da die musikalische Backline nicht ganz geklärt war und auch die Möglichkeit der Band irgendwo zu schlafen war noch zu ungewiss. Glücklicherweise konnte alles geregelt werden und so stand ich heute mit zwei Freunden erstmalig in Siegen im Vortex, um KHEMMIS live erleben zu dürfen. Eine Band, die mich seit dem grandiosen Album „Hunted“ vor etwa 1,5 Jahren nachhaltig beeindruckt hat. Gemeinsam mit PHANTOM WINTER konnten die Besitzer des Vortex zwei Bands ins Bergische locken, die auf dem diesjährigen, fast schon legendären Roadburn Festival, auf der Bühne stehen.

Den Auftakt machten THE WATCHER aus Kreuztal. Sie sind sozusagen die Lokalmatadore von Siegen. Musikalisch hatten sie jedoch nichts mit der Band Lokalmatadore gemein. THE WATCHER durften die Zuschauer mit ihrem selbstbetitelten Progressive Death Metal heute Abend einheizen. Es zeigten sich Einflüsse aus vielen verschiedenen Genres des Metal und Rock. Genau hier wurde aber auch deutlich, warum ich nicht wirklich warm wurde mit der Mischung. Der Gesang war sehr im Death Metal verwurzelt. Die Gitarren boten von melodischen Parts über klassische Death und Thrash Riffs vieles. Hin und wieder wurde ein Solo eingestreut. Als der Sänger und Bassist zwischen den Songs jedoch einmal „Zicke Zacke, Zicke Zacke…“ anstimmte, konnte ich das Ganze nicht mehr wirklich ernst nehmen. Insgesamt hatten THE WATCHER trotz der vielen anwesenden Freunde und Bekannte keinen leichten Einstand, machten ihre Sache aber insgesamt passabel. Sehr positiv hervorzuheben war die gute Light Show und der druckvolle ausdifferenzierte Sound.

Nach einer etwa 20-minütigen Umbaupause standen PHANTOM WINTER aus Würzburg auf der Bühne. Die Band besteht aus ehemaligen Mitgliedern von Omega Massif. Als die Bühnenlichter ausgingen standen nur noch drei blaue LED-Öllampen auf der Bühne verteilt, die gemeinsam mit dem Intro aus Soundsamples und Wortschnipseln eine angenehm düstere Atmosphäre fabrizierte.  PHANTOM WINTER spielten eine (im positiven Sinne) fiese Mischung aus Doom, Black Metal, Sludge und Noisecore. Die Songs waren von so extremer Aggression, Hässlichkeit, Negativität und Schmerz erfüllt, dass ich nicht mehr aus dem Staunen kam. Sänger Christian sowie Gitarrist und Sänger Andreas standen sich auf der Bühne gegenüber und brüllten und schrien sich gegenseitig so derbe an, dass einem Angst und Bange werden konnte. Zwischen den Songs wurden Soundsamples und weitere Wortschnipsel eingestreut, die perfekt in das atmosphärische Gesamtbild passten. So eine brutale, negative und aggressive musikalische Mischung gepaart mit einer atmosphärisch hochqualitativen Darbietung habe ich noch nie erlebt. Einige Besucher entflohen dieser Darbietung frühzeitig. Ich war wie erstarrt und staunte bis zu den letzten Klängen. Wer einen musikalischen Einblick dieser Band wagen möchte, der hört sich „Frostcoven“ vom aktuellen Album „Into Dark Science“ an. Nach einem so fiesen Kotzbrocken von Musik musste ich erstmal draußen Luft schnappen.

Gegen 23 Uhr gingen erneut die Lichter aus und KHEMMIS standen auf der Bühne.  Die Band kommt aus Denver, Colorado und spielt melodischen Doom Metal. Ihr 2016 erschienenes Album „Hunted“ hat mich derart gepackt, dass ich auf den Genuss eines Live-Auftrittes dieser Band nun seitdem warte. KHEMMIS starteten mit „Candlelight“ vom besagten Album. Nach den fiesen Tönen von PHANTOM WINTER waren die doomigen mit Melodien gespickten Songs von KHEMMIS eine Wohltat für Gehör und Geist. Das Quartett zeigte von Beginn an eine Spielfreude, die sich gewaschen hat. Lightshow und Sound waren durchweg stark. Mit „Three Gates“ folgte ein etwas schnellerer Song, welcher von Gitarrist Ben mit seinem Gegrowle eine derbere Note erhielt. Das musikalische Zusammenspiel der beiden Gitarristen war von hoher Spielfreude und Qualität geprägt. Die wunderschön eingestreuten Soli wurden direkt am Bühnenrand im Gesicht der Zuschauer der ersten Reihe eingespielt. Mit „Isolation“ hatten KHEMMIS auch einen neuen Track im Gepäck, welcher vom Ende Juni erscheinenden dritten Album der Band entstammt. Der ca. fünfminütige Track zeigt musikalisch eine etwas andere Schlagseite als das bisherige Schaffen der Band. Die doomige Seite der Musik wurde etwas mehr beiseitegelegt und melodischer Metal hat nun die Oberhand über den Track. Einen Stil, den die Band sich so über die Jahre hinweg selbst angeeignet hat und am ehesten bei Trivium zu finden ist. Die Gesangslinien von Sänger und Gitarrist Phil sind noch melodischer und kraftvoller als auf den Vorgängeralben. Das Solo in der Mitte hatte sogar einen Maiden´schen Touch. Startet der Song mit Uptempo endet er in dem typischen melodischen Doom, der für mich die Band auszeichnet. Weitere absolute Höhepunkte des Konzerts waren der Titeltrack „Hunted“, welcher alle musikalischen Raffinessen der Band in den etwa 14 Minuten Spielzeit vereint, sowie der abschließende Track „The Bereaved“ vom ersten Album „Absolution“. Nach einer Stunde war dann leider Schluss. Die Band erhielt massiven Applaus, welcher nicht abschwellen wollte. Eine Zugabe gab es leider nicht, da der Amp von Bassist Daniel beim letzten Song den Geist aufgegeben hat. KHEMMIS bedankten sich überschwänglich bei den anwesenden Zuschauern im Vortex und zeigten sich nach dem Konzert sehr fannah. Die Band durfte mit ihrem ersten Trip nach Europa und ihrem ersten Auftritt in Deutschland mehr als zufrieden sein. Bei mir hinterließen sie eine nachhaltigen Eindruck und eine große Vorfreude auf das kommende Album und weitere Auftritte in Europa. (philipp)