Live in Würzburg in der Posthalle am 15. und 16.11.2019
u.a. mit ULI JON ROTH, THE SKULL, THRONEHAMMER, MIRROR OF DECEPTION, LORD VICAR …
Text & Fotos © Chris
Jedes Jahr freu ich mich sehr auf das HAMMER OF DOOM-Festival, denn dort muss man sich einfach wohlfühlen. Mittlerweile bin ich zum achten Mal zu Gast und fand auch dieses Jahr wieder alles gelungen: Coole Leute, coole Bands, bombige Organisation; wie jedes Jahr sind der Sound und das Licht bei jeder Band ein Genuss (soviel kann ich schon mal vorwegnehmen) und die Pünktlichkeit mit der die Bands den Zeitplan einhalten ist erschreckend und ein Vorbild für die Bahn! Herz, was willst du mehr?
Freitag
Wir kommen am Freitag etwas spät, verpassen dadurch CRESTFALLEN QUEEN und ich bekomme nur den letzten Song von ORODRUIN mit, was mich aber etwas ärgert, denn der war grandios! Verdammt. Bereits jetzt fällt auf, wie viele Menschen sich bereits vor der Bühne versammeln und gefühlt würde ich behaupten, dass ich freitags noch nie so viele Fans in der Posthalle gesehen habe.
ANTIMATTER, die ich bei der 2016er Auflage des Festivals verpasst hatte, darf ich aber endlich sehen und bin begeistert. Sie verwöhnen eine Dreiviertelstunde lang die Fans mit wunderschönen Melodien und starken Songs. Die Atmosphäre, die die Band aus England mit ihrer Mischung aus Alternative und Düster Rock zaubert, beeindruckt mich und ich genieße es, mich einfach hinfort tragen zu lassen.
[Songs laut Setlist und ohne Gewähr: The Third Arm / Stillborn Empires / Partners in Crime / Monochrome / Paranova / Leaving Eden / Wide Awake in the Concrete Asylum]
Nachdem TROUBLE ihre Zusage für das Festival zurückgezogen hatten, sind THE SKULL eingesprungen. Über die Verbindung zwischen den beiden Bands muss ich nicht viel sagen (denke ich) und ich persönlich kann gut damit leben; vor allem, weil die Band heute richtig gut drauf ist und sehr energiegeladen in die Show einsteigt. Eric Wagner ist, für meine Begriffe, heute sehr gut bei Stimme und Bassist Ron Holzner strahlt wie ein Honigkuchenpferd, während sie einen TROUBLE-Klassiker nach dem Nächsten spielen. 75 Minuten lang gibt es keinen Hänger, sondern packende Versionen von „The Tempter“ und „Psalm 9“ und die Fans wissen das entsprechend zu würdigen. Sollte man sich, wie weiland zwischen den BEATLES und den ROLLING STONES, zwischen THE SKULL und TROUBLE entscheiden müssen … herrje, das fiele mir schwer. Heute schlägt ziemlich eindeutig die Nadel in Richtung THE SKULL aus, denn das war ein echt starker Gig.
[Songs laut Setlist und ohne Gewähr: R.I.P. / At the End of My Daze / Come Touch the Sky / Fear / Memory’s Garden / Plastic Green Head / All Is Forgiven / The Tempter / Assassin / Revelation (Life or Death) / Bastards Will Pay / Psalm 9 / Psychotic Reaction]
ULI JON ROTH ist ein Ausnahmekünstler. DAS wusste ich schon vor dem heutigen Tage. Aber WAS für ein Ausnahmekünstler er ist, hat mich dann doch schlichtweg umgehauen.
Auch wenn man durchaus anmerken könnte, dass er mit seiner grandiosen Band nicht gerade für doomige Songs bekannt ist, ist er doch trotzdem gut aufgehoben, denn bereits in der Vergangenheit hatte man immer wieder Bands am Start, die nicht das „Doom“-Label tragen, aber doch dem interessierten Musikfan gefallen hatten (zum Beispiel KADAVER). Aber zeitlose Musik ist nun mal immer gefragt und ich persönlich freu mich wie bekloppt auf diesen Auftritt.
Mit welcher Leichtigkeit der fast 65jährige seine Skyguitar spielt und gleichzeitig die schönsten Soli und die schönste Musik erklingen lässt, ist einfach nur atemberaubend! Er lächelt, soliert, lächelt weiter und alles sieht so einfach bei ihm aus! Einen Großteil des Gigs starre ich mit glasigen Augen und offenem Mund zur Bühne, was garantiert schön blöd aussieht, aber ich war einfach nur voll auf Empfang.
Nach einigen Songs steigt die Stimmung, als zum Beispiel „In Trance“ oder „We’ll burn the sky“ gespielt werden und der Sänger überzeugt auf ganzer Linie. Manche Songs singt der Maestro auch selbst und das gefällt mir persönlich außerordentlich gut.
„Fly to the Rainbow“ fetzt heute Abend ganz besonders und auch „Pictured Life“ oder „The Sails of Charon“ belegen, dass die SCORPIONS zu damaligen Zeiten einfach der ganz heiße Scheiß waren. Daneben spielt ULI JON ROTH aber auch noch Coverversionen von Dylan/Hendrix („All along the Watchtower“ und „Little Wing“), huldigt seinem verstorbenem Bruder Zeno mit „Don’t tell the Wind“ und spielt natürlich einige Songs seiner Band ELECTRIC SUN. Die einzige klassische Interpretation, die er uns heute schenkt ist die „Ode an die Freude“, die er kurz anspielt. Ich bin kein Experte für klassische Musik, aber wenn Uli sie spielt, geht mir das Herz auf und ich möchte mir einen Frack leihen und seinen Interpretationen lauschen.
DAS war ein Auftritt … zwei Stunden Musik von einem anderen Stern. Aus einer anderen Galaxie. Seine Band ist grandios und wenn die drei Gitarristen die Triple-Axe-Power abfeuern, gibt es wohl niemanden, der nicht vollkommen entzückt ist. Und da kommt auch wieder der grandiose Sound ins Spiel, denn jedes Instrument erklingt in der Posthalle klar und transparent und es ist einfach eine Freude, die Band zu erleben.
Ich habe wahrlich schon viele gute Musiker auf der Bühne sehen dürfen, aber noch niemand hat mich individuell so begeistert, wie ULI JON ROTH. Der Auftritt war für mich eine Offenbarung und jeder Ton ein Meisterwerk. Wenn „Kunst“ von „Können“ kommt, haben wir einen wirklichen Künstler erleben dürfen.
Wenn ich mal wiedergeboren werden sollte, dann gerne als ULI JON ROTHs Gitarre, denn dann wär ich ein magischer Gegenstand in einer magiearmen Welt.
Habt ihr noch Zeit für eine Anekdote? Okay .. seit 20 Jahren habe ich versucht meine Frau zu überzeugen, dass die SCORPIONS in der ULI JON ROTH-Phase eine absolut legendäre Band waren. Aber wie bei vielen Menschen, hat der „Wind of Change“ die Synapsen verklebt und man will eigentlich gar nichts mit den SCORPIONS zu tun haben und seine Meinung zu ändern. Verheiratete Männer wissen, wovon ich rede. Seit ungefähr einem Jahr entspannt sich die Lage und der vierteljährliche Versuch meinerseits, sie von der Großartigkeit zu überzeugen, wurde nicht mehr kategorisch ignoriert und sie hat sich tatsächlich in die Musik ein wenig verliebt …
Und wenn IHR nach dem Gig eine hübsche Dame durch die Posthalle habt hüpfen sehen (oder gar in der Stadt auf dem Weg zum Hotel), die mit aufgerissenen Augen geschrien hat: „Jetzt hab ich’s verstanden!“ … jup, das war meine Frau. Ich vermute allerdings mittlerweile, dass sie nicht nur die alten SCORPIONS, sondern gleich das Leben, das Universum und den ganzen Rest verstanden hat. Was ja auch nicht schaden kann, oder?! Danke, Uli!
Samstag
Da willst du am Samstag den Tag ganz langsam starten lassen und dann spielen THRONEHAMMER als erste Band um 13 Uhr. Tja, was willste machen?
Da verschiebt man das Mittagessen halt auf später und schnallt sich die Kampfaxt um, denn das Debüt der Band „Usurper of the Oaken Throne“ hat mich sehr begeistert und ich bin gespannt, wie die Band auf der Bühne rüberkommt. Und was soll ist sagen? Für mich ist der Auftritt des englisch/deutschen Musikerkollektivs mein persönliches Highlight des Festivals. ULI JON ROTH natürlich ausgenommen, aber der Herr ist eine Legende und spätestens seit dem gestrigen Auftritt unantastbar für mich.
THRONEHAMMER nutzen die 45 Minuten perfekt aus und zelebrieren ihren schweren, dreckigen Epic Doom mit Hingabe und Leidenschaft und man merkt, dass die Band bereits einige Shows gespielt hat, denn was sie abliefern, bietet keine Lücke in der Angriffsformation. Ein verdammt großer Teil der Festivalbesucher musste sich garantiert den Wecker gestellt haben, denn die Anzahl der faustreckenden und textsicheren Fans ist sowohl beeindruckend als auch der Qualität der Band angemessen.
Außerdem bedient die Band meine Gelüste nach etwas mehr Dreck und Schmutz im Sound, denn so mag ich es halt und gleichzeitig inspiriert sie mich im Fotograben ein wenig mit der Langzeitbelichtung zu experimentieren, um das Verzerrte, Rohe und den Fluss einzufangen.
Ich freu mich auch sehr, dass sich der Song „Hammer, Stake & Cross“ in der Setlist findet, der auf der Split mit LORD OF SOLITUDE erhältlich ist. Die Songs sind Knaller und die Liveperformance einfach nur stark. Ich bin der Meinung, dass die Band heute eine Visitenkarte abgegeben hat, die man als Veranstalter nicht mehr ignorieren kann; so würde es mich nicht wundern, wenn mich die Band bei ihrem nächsten Besuch auf dem HAMMER OF DOOM nicht mehr von meinem Mittagessen, sondern eher vom Abendbrot abhalten wird. Vor dem Gig war ich ein Fan und nach dem Gig erst recht.
[Songs laut Setlist und ohne Gewähr: Behind the Wall of Frost / Conquered and Erased / Hammer, Stake & Cross / Svarte Skyer / Thronehammer]
IRON WALRUS sehen wir heute zum dritten Mal live und jedes Mal schaffen sie es, uns in ihren Bann zu ziehen. Ich weiß nicht, was es so besonders macht, aber auch dieser Gig ist einfach geil. Die harten Riffs und knackigen Songs treffen ins Schwarze und auch wenn „Erdbeermund“ fehlt (was meine Frau ihnen fast nicht verzeihen will, uns aber fürs nächste Mal versprochen wird), gibt es hier nichts zu bemängeln. Im Gegenteil!
Wenn man das eiserne Walross mit einem Heavy Metal-Klassiker füttert, muss man sich auch nicht wundern, wenn das Biest den Happen runterschlingt, verdaut und als herrlich räudige Version auf die Bühne rülpst … wie heute Abend mit „Breaking the Law“ geschehen. So müssen Coverversionen sein: erkennbar und doch völlig dem eigenen Stil angepasst. Geil!
Aber auch die eigenen Songs sind stark, und wenn ich zuhause (komischerweise) eher selten die Platten auflege, reißen sie mich live jedes mal aufs Neue mit. Gefühlt sehen das nicht ganz so viele Fans (wie bei THRONEHAMMER) so, denn es scheint sich vor der Bühne etwas zu lichten, aber IRON WALRUS ist eine verdammt gute Liveband, die mit ihrem eigenen Sound die Bandbreite des Festivals hervorragend erweitert hat.
[Songs laut Setlist und ohne Gewähr: Crawling / Ghost / I Hate People / Take Care / Breaking the Law / Abyssal / Judas / No more Reason / Blessed]
Jetzt hab ich aber Schmacht und ich tausche TANITH und MESSA gegen Entenbrust und Klöße. Auch wenn ich dadurch auf zwei spannende Bands verzichten muss, ist der Gaumen erfreut, der Magen gefüllt und ich bereit für die nächste Band.
MIRROR OF DECEPTION sind wieder am Start und an den Jungs kann ich mich weder sattsehen noch satthören. Ihr Stil ist prägnant, wunderschön, ergreifend und ihre Alben „The smouldering fire“ und „The Estuary“ packe ich schon mal in den Koffer, falls ich auf eine einsame Insel ziehen muss. Live ist die Band ebenfalls eine Bank und ich genieße den Auftritt einfach nur. Besonders freut mich, dass sie uns „Orphans“ mitgebracht haben, denn es ist einer meiner Lieblingssongs des neuen Albums und wenn der „Student von Ulm“ durch die Halle geistert, ist eh‘ alles gut. Der ebenfalls neue Song „At my Shore“ ist ebenfalls ein wunderschönes Highlight und ich bin glücklich, ihn in einer solch packenden Liveperformance erlebt zu haben. Okay, auf „Lauernder Schmerz“, vielleicht dem besten deutschsprachigen Doomsong aller Zeiten, verzichtet die Band heute, aber nichtsdestotrotz ist es immer wieder eine Wohltat, die Band auf der Bühne sehen zu dürfen.
[Songs laut Setlist und ohne Gewähr: The Ship of Fools / Splinters / Orphans / Vanished / Mirthless / At My Shore / Sojourner / Der Student von Ulm]
LORD VICAR sind auch wieder dabei und irgendwie fühle ich mich an 2016 erinnert, als sie ebenfalls mit ANTIMATTER, THE SKULL aufgetreten sind. Aber heute haben sie das neue Album „The Black Powder“ im Gepäck und der erste Song des Auftritts ist dann gleich das tonnenschwere „Sulphur, Charcoal and Saltpetre“ und das ist wirklich grandios. Chritus ist gut bei Stimme und seine kauzigen Bewegungen sind immer wieder eine Augenweide. Gitarrist Kimi Kärki spielt sehr energisch und mit viel Power seine verzerrten Riffs und der Gig wird auf einem hohen Niveau zelebriert, auch wenn mir vielleicht noch ein persönlicher Lieblingssong in Form von „The Funeral Pyre“ oder dem großartigen „The Descent“ fehlt, um vollständig auszuklinken. Aber LORD VICAR sind eine Bank und wie bei MIRROR OF DECEPTION ist es immer wieder ein Genuss, sie erleben zu dürfen.
[Songs laut Setlist und ohne Gewähr: The Ship of Fools / Splinters / Orphans / Vanished / Mirthless / At My Shore / Sojourner / Der Student von Ulm]
KHEMMIS kannte ich bis jetzt noch nicht, aber das werde ich nach diesem Gig definitiv nachholen, denn ihre Mischung aus Heavy und Doom Metal ist wirklich beeindruckend. Twin Leads und Schwere geben sich die Saite in die Hand und daran erkennt man eine gute Band: Wenn man als unbedarfter Zuschauer einfach vor der Bühne festklebt, anstatt die geplante Shoppingtour durchzuziehen. In Ermangelung eines tieferen Fachwissens die Band betreffend, belasse ich es dabei und kann lediglich meiner Begeisterung für die Band Ausdruck verleihen.
Okay, jetzt sollte es düster werden, denn SWALLOW THE SUN treten auf und … das ist ja gar nichts für meiner einer. Also wird noch ein wenig gequatscht und aus einem Absacker werden drei.
Auch wenn sich viele der Anwesenden auf SCALD und ATLANTEAN KODEX freuen, meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Ich weiß, ich weiß … NICHT auf ATLANTEAN KODEX zu stehen, ist momentan so etwas wie Majestätsbeleidung und wird mit Pranger bestraft, aber Musik wird immer subjektiv empfunden und auch wenn ich sie „gut“ finde, entscheiden wir uns, die Halle zugunsten eines weiteren Schnacks und Absackers zu verlassen.
Fazit:
Die vierzehnte Auflage des Traditionsfestivals war wieder einmal eine wundervolle Veranstaltung und die Organisatoren, die helfenden Hände, die Bands und die Fans haben standing ovations ohne Ende verdient. HAMMER OF DOOM ist stets a home away from home. (chris)