LIVEBERICHT

FISH :: Viva la Fuck!


Live in der Blues Garage in Isernhagen am 23.09.2013
(Text & Bilder © Chris)

Lang, lang ist’s her. Zuletzt habe ich FISH auf seiner „Scattering Crows“-Tour in der Blues Garage gesehen und daher freue ich mich, dass es endlich mal wieder an der Zeit ist, Derek William Dick auf der Bühne zu erleben.

„Dank“ meines Bruders, der mich Ende der Achtziger immer mit MARILLION „nervte“, habe ich irgendwann in jungen Jahren die Band entdeckt und halte deren „Script for a Jesters Tear“ für eines der unverzichtbarsten Alben aller Zeiten. Auch die wechselhafte Solo-Karriere des charismatischen Frontmannes habe ich natürlich immer verfolgt, ist FISH doch einer der Künstler, die aus der Masse hervorstechen und dessen Texte voller Poesie und Kraft stecken. Seine letzten Alben waren allesamt großartig, aber mit „A Feast of Consequences“ hat er den Vogel abgeschossen und erschafft die perfekte Symbiose aus Texten und Musik. Das Review findet ihr übrigens HIER!

Entsprechend groß ist die Vorfreude, als wir zu dem Gig am Montag aufbrechen, allerdings schwingt auch eine große Portion Nervosität mit, denn es ist mir möglich, mit Fish ein Interview zu führen. Es ist schon krass, wenn man einen Künstler, der einen so lange begleitet hat, vis-a-vis gegenüber zu sitzen. Aber da der Meister in großartiger Redelaune ist und sein dezenter schottischer Akzent die Aufgabe etwas erschwert, findet ihr das Interview ab heute genau HIER!

Die Blues Garage in Isernhagen ist ein verdammt gemütlicher Club, der Vorraum lädt zum Relaxen ein, es gibt lecker Essen vom Grill und gezapftes Bier. Die Leute sind extrem entspannt, die Crew extrem nett und wäre nicht die Entfernung, wir wären Dauergast in der Garage.

Die Vorband VANDERLINDE verhält sich zu FISH wie ich zu Ross Halfin. Irgendwie macht man was ähnliches (der kleinste gemeinsame Nenner ist hier Musik), aber nur viel schlechter. Daher erspare ich mir und euch irgendwelche Gedanken zur Band. Nicht bös‘ gemeint, aber was soll’s?!

Die Umbaupause, in der es kleinere technische Schwierigkeiten mit dem Mikro zu lösen gilt und der Techniker am Ende seinen wohlverdienten Applaus bekommt, ist angenehm kurz und wie ich es bereits in meinem Review zur neuen CD „A Feast of Consequences“ vermutet habe, steigt man mit dem überragenden „Perfume River“ ein. Der lange Song mit seinem grandiosen Spannungsbogen ist perfekt gewählt und als Fish die Bühne betritt, spürt man, dass er das Charisma in Person ist. Er ist groß und allein dadurch schon ein Blickfang, aber was man nicht sieht, sondern nur spürt, ist das Charisma. Seine Ansagen sind reinste Unterhaltung und der Gegenpol zu seinen poetischen Texten, aber beides ist Fish, wie er leibt und lebt. „A Feast of Consequences“ ist der nächste von insgesamt sieben Songs der neuen CD (!), bevor er uns in die Zeit „vor der Glatze“ entführt: „Script for a Jesters Tear“. Einer der besten Songs aller Zeiten, von einem Album, welches ich definitiv mit auf eine einsame Insel nehmen würde (und Dank Jens jetzt auch in Vinylform mitnehmen kann). Die Band, die neben Fish genau wie auf der CD aus Robin Boult (g), Steve Vantsis (b), Foss Patterson (k) und Gavin Griffiths (d) besteht, gibt sich keine Blöße und vor allem Robin Boults Gitarrenspiel ist ein echtes Highlight!

Die akzentuierten Töne, dieses Feeling, gepaart mit der Fähigkeit hart zu riffen ist schon verdammt beeindruckend und so bringt die Band den Klassiker in einer, sich im Laufe der letzten 30 Jahre dezent veränderten Form, dar und Fish ist stimmlich gut dabei. Man merkt nicht mehr, dass er in den letzten Jahren eine recht schwerwiegende Stimmbanderkrankung hatte. Andererseits fällt nicht nur mir auf, dass er sich bei den Songs des aktuellen Albums etwas sicherer bewegt, als bei den alten Stücken. Aber das ist sicher selbstverständlich, denn man passt das Songwriting ja schließlich seinen Fähigkeiten an. „Dark Star“ wird kräftig bejubelt und anschließend führt erzählt uns Fish, dass er im Hotel „Viva“ geguckt hat…dem folgen seine Gedanken, dass die heutige Promigesellschaft zum Kotzen ist und dass Berühmt sein lediglich am Rande eine Rolle spielen darf und dass das einzige ist, was zählt, heute auf der Bühne zu stehen und live vor seinen Fans zu spielen. „Fuck X-Factor, fuck The Voice, fuck Big Brother“ ist das, was er zu sagen hat, bevor natürlich die Abrechnung in Form von „All loved up“ folgt. Für mich überraschend schließt sich „What colour is god“ vom „Sunsets on Empire“ an, bevor es zum Gänsehautfeeling pur kommt und der Umwelt-Song „Blind to the Beautiful“ nur mit Foss Patterson und Robin Boult aufgeführt wird. Bei diesem Song habe ich mich in der textlichen Auslegung geirrt, denn es ist schlicht ein Song, der sich mit der Umwelt beschäftigt und nicht mit Zwischenmenschlichem. Das tut der Qualität des wunderschönen Songs allerdings keinen Abbruch und wieder fällt auf, dass Fish den Gesang beinahe perfekt rüberbringt. Mein persönlicher Downer des Abends ist „1470“, bevor die Band wieder in den Archiven wühlt und mit „He knows you know“ einen alten MARILLION-Klassiker aus dem Hut zaubert. Es ist immer wieder erstaunlich, wenn doch auch in gewisser Weise verständlich, dass die MARILLION-Songs den meisten Applaus bekommen und die Textsicherheit sich exponentiell steigert. Irgendwie empfinde ich das als unfair, aber vielleicht habe ich auch nur meine Tage…

Es folgt eine lange Ansprache und Fish erzählt uns eine sehr private und traurige Familiengeschichte. Sehr eindringlich schildert er die Geschichte seines Großvaters, der bei der Schlacht an der Somme im Ersten Weltkrieg Schützengräben ausheben musste und dabei Senfgas eingeatmet hat. Der kleine Fish dachte immer, dass sein Opa dauerhaft erkältet wäre und deswegen so husten musste, bis er erst viel später die Wahrheit erfahren hat. Was nun folgt ist klar: ein Teil der „High Wood“-Suite! Die drei mittleren Songs des Fünf-Song-Opus wird aufgeführt und während „Crucifix Corner“, „The Gathering“ und „Thistle Alley“ laufen auf der Projektionsfläche, auf der während der Show Bilder, Cover etc. zu sehen sind, Videos mit teilweise sehr krassen Bildern aus dem Ersten Weltkrieg. Eindringlicher kann Geschichtsunterricht nicht sein!

Nach diesem doch sehr eindringlichen Teil der Show folgt eine Art Medley und hier verstecken sich mitunter die feinsten Perlen! „Assassin“, „Credo“, „Tongues“, „Assassin-Reprise“, ein Drum Solo, „Fugazi“ und „White Feather“ runden den mehr als 2-stündigen Gig ab und vor allem „Credo“ haut mich aus den Socken. Wow, ist das ein Song und „Virgil in a wilderness of mirror“ ist nicht ganz umsonst eines meiner FISH-Lieblingsalben. Die Stärke des Medleys besteht aber in der Mitsingfähigkeit und die (ich glaube ausverkaufte) Blues Garage geht mächtig steil! Das nenne ich mal ein würdiges Finale eines sehr intensiven Gigs! Großartig!

Aber die Stimmung im Publikum und bei der Band ist einfach zu gut, als dass man uns jetzt einfach so ziehen lassen würde: „Freaks“ und eine ausgedehnte „Lucky“-Version geben dem Publikum den Gnadenschuss! Ein tolles Finale einer sehr intensiven Show, bei der die Band deutlich zeigt, was mit Gefühl und Perfektion alles möglich ist. Die optische Untermalung der tollen Songs und der charismatischste Frontmann seit Erfindung des Entertainers haben an dem Abend dafür gesorgt, dass alte und neue Fans (es waren glücklicher Weise auch eine Menge Jungspunde im Publikum), zufrieden nach Hause gehen. Es ist zweifellos eine Tour, um das neue Album zu promoten, was sich an der Zahl der neuen Songs beurteilen lässt, auch wenn manches Album wie „Field of Crows“ oder „Fellini Days“ dadurch auf der Strecke bleiben muss. Aber das neue Album hat es mehr als verdient, von der Band präsentiert zu werden und daher: alles richtig gemacht! Ich mag es mir gar nicht auszumalen, was möglich wäre, wenn im Hintergrund die Kohle stecken würde, die z.B. ein Peter Gabriel zur Verfügung hat…aber Träume sind Schäume und Fish ist glücklich, wie es ist und daher sind wir es auch!

Unser Dank geht an Daniel von Sub-Sounds für seine Arbeit und Fish für die Zeit, die er uns geschenkt hat.
Die Grüße des Tages gehen an Marion, Suse, Marc und Jens. Slàinthe mhath! (chris)