BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND, DER
„Sucht & Ordnung“
(Psychedelic Rock)
Wertung: Empfehlung!
VÖ: 2016
Label: WKN
Webseite: Facebook
Es ist immer spannend, „alte“ Bands zum ersten Mal zu entdecken. Naja, das „erste Mal“, als ich bewusst etwas von DER BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND gehört habe, war bei der grandiosen WOLVENNEST-CD, aber jetzt hat ihre 2016er CD „Sucht & Ordnung“ mich gefunden.
DER BLUTHARSCH war von ca. 1996 bis 2010 berühmt-berüchtigt für seine provokante Neo-Folk-Musik oder „Military Pop“, den Albin Julius gerne ironisch „Kinky March Music“ genannt hat. Naziuniformen, Militarismus und martialisches Auftreten verursachen im Allgemeinen Unbehagen und genau auf diese Provokation hatte man es scheinbar damals abgesehen. Da ich Uniformen generell nicht schätze (ok, irgendwie ist meine Kutte wohl auch eine Szeneuniform), mit Marschmusik gar nichts und mit Neo-Folk nur wenig anfangen kann, ist DER BLUTHARSCH komplett an mir vorbeimarschiert.
In den letzten Jahren von DER BLUTHARSCH allerdings wandelte sich die musikalische Ausrichtung der Band, was dann 2010 zu einer Umbenennung geführt hat und von nun an addierte man AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND hinzu. Was ich als positiv und ehrlich empfinde, ist die Tatsache, dass Albin Julius den kontroversen Namen DER BLUTHARSCH nicht aus dem neuen Namen getilgt hat, was für mich auch bedeutet, dass er mit sich und seiner Vergangenheit im Reinen ist. Wer noch weiterforschen möchte, dem sei das Internet empfohlen, denn es gibt reichlich aussagekräftige Interviews zu dem Thema.
Wie dem auch sei, es hat wieder sieben Jahre gedauert, bis ich mich mit der Band beschäftigt habe, was ich hiermit offiziell bereue.
Die EP „Sucht & Ordnung“ ist der Hammer! Asche auf mein Haupt, dass ich die Band nicht schon viel früher erkannt habe, denn diese 29 Minuten und 29 Sekunden sind ganz große Psychedelic Rock / Krautrock-Kunst und in den letzten Tagen lief das gute Stück in Dauerrotation ohne Abnutzungserscheinungen.
Sehr witzig ist das Cover geworden, bei dem man sich offensichtlich selbst ein wenig auf die Schippe nimmt… In Sachen Minimalismus macht man der Band allerdings nichts vor, denn die Songs heißen alle „Untitled“, Infos zu Musikern etc. sucht man vergebens. Wenn man sich also nur auf die Musik konzentrieren kann, sollte man das auch tun.
Bei „Untitled“-Nr. 1 und Nr. 3 regiert der Psychedelic Rock / Krautrock in Perfektion und mir geistern die Namen GROBSCHNITT, HAWKWIND und SELIM LEMOUCHI AND HIS ENEMIES durch den Kopf, mit denen man es aber locker aufnimmt (und das will bekanntlich etwas heißen!). Flirrenden Gitarren, eine großartige Orgel, Atmosphäre und Songs, die man nicht mehr aus dem Kopf bekommt sind hier am Start und bei Nr. 1 hat man gleich mehrere Highlights innerhalb der Songs am Start… zum einen die orientalisch anmutenden Melodien zu Beginn und dann steigert sich der Song ab der sechsten Minute zu einem melodiösen Meisterwerk. Ich bekomme von dem Song einfach nicht genug.
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Nr. 3 beginnt ganz verhalten und baut sich erst langsam auf und HAWKWINDsche Orgeln und Töne bestimmen das Bild, während der Bass pulsiert und deinen Puls nach oben treibt. Dann setzen die Gitarren ein und wieder lauscht man gebannt, was der Song in seinem 14minütigem Verlauf alles bieten wird. Da er, wie bereits Nr. 1, überwiegend instrumental gehalten ist, erinnert es mich auch neben den genannten Bands an diverse instrumentale Psychedelic / Stoner-Bands, die man zum Beispiel auf dem STONED FROM THE UNDERGROUND antreffen würde. Wieder dauert es ca. sechs Minuten und dann setzt der Gesang ein und offeriert eine neue Note im Song. Der Rest, und das soll nicht dispektierlich klingen, ist einfach eine unglaubliche Abfahrt, die Freunde der genannten Bands sicherlich begeistern wird.
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Nr. 2 hingegen ist etwas anders geraten: langsamer und rhythmischer baut sich eine gewisse Atmosphäre auf, die dann zum einen in dem theatralisch vorgetragenen Text um die Versuchung im Garten Eden und zum anderen in einem furiosen Black Metal-Part mündet. Der Vortrag steht in Sachen Exzentrik und Ausdruck einem Becker oder Kinski in nichts nach und der dazu einsetzende Black Metal-Part unterstreicht einen gewissen Wahnsinn recht eindrucksvoll. URFAUST-Fans, die bisher noch nichts mit DER BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND am Hut hatten, dürften hier eine eindrucksvolle Einstiegsdroge gefunden haben.
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Wie gesagt, diese EP ist ein echter Hammer geworden und die nächsten Veröffentlichungen aus dem Bandlager stehen bereits in den Startlöchern… ich bin sehr gespannt, wie die Reise weitergeht. (chris)