SÜNDENKLANG
„Tränenreich“
(Elektro Dark Wave/ Dark Pop)
Wertung: Empfehlung
VÖ: 24.01.2014
Label: Sündenklang Records/ Soulfood
Nach drei Alben mit Stahlmann, harten Soundstrukturen, straightem Riffing und typischem NDH Sound wollte Martin Soer neue musikalische Wege beschreiten, ohne den Sound von Stahlmann zu verändern. Was liegt da näher, als zusammen mit Nils Freiwald ein neues Projekt aus dem Boden zu holen und ein sehr ruhiges und auch sehr persönliches Album zu veröffentlichen.
Entstanden ist ein Werk, welches sich vor der Melancholie huldigend verneigt und mit feingewobenen Melodielinien ausgestattet ist. Die getragene Atmosphäre wird durch den dunklen (Sprech)Gesang noch verstärkt. Die leichtgängigen elektronischen Flächen sind durchzogen von einer verträumten Ader und führen dann und wann zielführend in einen harmonisierenden Refrain (z.B.“Welle“).
Im Opener „Lieber sterben“ beschreibt Martin die wirre Gedankenwelt eines, von der Liebsten Verlassenen. Unterstützt von dunklen Klangstrukturen und tragischer Eleganz wandelt sich die Meinung des Protagonisten („Lieber würde ich sterben, als zu dir zurück“ hin zu „Für einen Platz an deiner Seite würde ich alles für dich tun“). Vom rein persönlichen Dilemma führt uns „Kreuzzug“ hin zur Religionskritik, die sich hier vor allem mit der fundamentalistischen Prägung des Glaubens beschäftigt. Eingefügt in die kühle Ausrichtung des Songs sind dezent sakrale Fragmente. „Brief an Gott“ kommt ruhig und düster daher, die
Stimme wird eine Oktave dunkler und lässt eine galante Rauheit einfließen. Neben leicht lieblichen Keys wird der Song von einer sphärischen Soundtrackatmosphäre unterlegt (Das Video könnte auch als visuelle Verneigung vor Madonna durchgehen).
„Welle“ bleibt allein schon durch den betörenden Refrain im Kopf. Nicht nur wegen dem prägnanten „Welle“ und „Lauf“ im bestimmenden Chorus, laufen Vergleiche mit Witt nicht fehl. „Die Sehnsucht tanzt“ ist sehr bedächtig arrangiert. Es entsteht eine Melange aus Dark Pop und Cold Wave, die nicht nur in diesem sentimentalen Opus die Musik bestimmen. Im folgenden „mach mich glücklich“ zeigen sich die sündigen Klänge von ihrer harten Seite. Die Elektronik wird harscher, das Riffing direkter. Wunderschön erklingt dagegen das tieftraurige „die Welt steht still“ mit seinem, von Pianoklängen unterlegten balladesken Charme, wobei die Percussions für einen dramatischen Aufbau sorgen. Aus der wehmütigen Stimmung holt uns das betrübte „Im Unterholz“, mit seiner unterkühlten Eleganz und einem sirenenhaften Untergrund. Der Gesang wird leicht aggressiver, ohne jedoch die innewohnende Verzweiflung komplett heraus zu schreien. Im Schlussstück seziert man ein wenig die elegische Darbietung mit verschrobenen Industrial Passagen….und dann führt Martin das Treiben in einen Refrain, der sich clubtauglich zur melodischen Umarmung bereit macht.
Fazit: Sündenklang gelingt es, ein sehr melancholisches Album zu erschaffen, dessen tiefgehende Ästhetik aus der Kombination von verträumten Passagen und waviger Düsternis getragen wird. Trotz der eher ruhigen Atmosphäre (nicht nur im Vergleich zu Stahlmann) ist die Essenz eher kraftvoll, wozu vor allem die sinnhaften Texte beitragen, die neben verzehrenden Gefühlswelten auch einen sozialkritischen Aspekt besitzen. Gelungen auch, dass man nicht wie andere Strategen dem Kitsch anheim fällt, und das, obwohl die Texte nicht auf Polemik oder Pathos verzichten. Die sphärische Elektronik variiert zwischen poppigen Strukturen, ruhiger Harmonie, Soundtrack, Ambient und einem klassischen Anteil. Neben Bezügen zu genrekompatiblen Bands wie frühe Lakaien, Witt, ältere Unheilig oder phasenweise Lacrimosa erinnert mich das Ganze aufgrund der puristischen Melancholie an das zweite, sehr dunkle Solo Album von Thomas D. Zu guter Letzt sei noch auf das schön gestaltete Digi-Pack hingewiesen. (andreas)