EMPFEHLUNG, REVIEW

REPTYLE „Blazed Shades & Thorned Veils“ (Goth Rock)

REPTYLE

„Blazed Shades & Thorned Veils“
(Goth Rock)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 21.11.2025

Label: Icy Cold Records

Webseite: Homepage / Facebook / Bandcamp

Die Bielefelder Goth Rock Institution REPTYLE kredenzt uns 4 Jahre nach dem wegweisenden „Decrypt the Void“ und fast 27 Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 1998 ein wirklich herausragendes Werk, welches nicht nur Alt-Gothrocker begeistern wird. Ich bin geneigt zu sagen, jeder einzelne Song ist ein schwarzglänzendes Juwel!

Das Intro zum gelungenen Opener „Spectre of Decline“ ist eine akustische Nebelmaschine. Und gleich zu Beginn setzt man eine markante Wegmarke Richtung tiefer Atmosphäre. 6 Minuten verführerische Gitarre, eingängiger Gesang, verspielte sphärische Keys, durchdringender Bass und energisches Schlagzeug. Alles perfekt zusammengefügt und bis ins Detail durchdacht, nicht nur hier erweisen sich die Fünf als Uhrmacher des Goth Rocks. Textlich scheint Sergio Leone auf Cioran zu treffen, wobei die Metapher-artigen Aphorismen von durchdringender Dunkelheit leben und eine gewaltige Bildsprache beherbergen. „Never complain“ scheint die Schlagzahl leicht zu erhöhen, während aus dem Keller eine verführerische Klangstruktur langsam und Stufe für Stufe das Interior einer alten, abbruchreifen Diskothek erreicht. Eine gemütliche dunkle Umgebung wird Stroboskop-artig kurz erleuchtet. Die Melodie fast verträumt, während der Refrain krachend in die Szenerie dringt. Energie frisst Harmonie und Harmonie frisst Energie. Ein galantes Spiel der Kräfte.

Bei „Souls Damnation“ wird ein einsamer Bass geschickt mit sphärischen Klängen verziert und als der Gesang einsetzt ist man ein Gefangener der dunklen Harmonien, obwohl im Untergrund ein leicht schräger Ton die Szenerie spielerisch mit Energie versorgt. Der Songaufbau besitzt im Mittelteil ein Key-lastiges Zwischenspiel, welches dem Gesamtkonstrukt eine galante Wärme verleiht. Der Text ist erneut von bedrückender Eloquenz. Die Worte sind messerscharf und erinnern an eine moderne Version der schwarzen Romantik des 18. Jahrhunderts. Was die Band und vor allem Kais Stimmbänder mit dem dunklen „Raging Somberness“ machen, ist wirklich großes Kino. Ein packender Goth Rock Song, der im Mark eine wohlig phobische Atmosphäre besitzt. Die Instrumentierung ist druckvoll, dennoch immer mit einem unterschwelligen melancholischen Touch versehen. Besonders, wenn Kai leicht flüsternd ein bisschen Kinski imitiert, bekommt man leichte Gänsehaut und der Fluchtinstinkt setzt ein. Das folgende „Damascence“ liefert einen ruhigen, fast entspannten Klangkosmos. Die Musik schleicht wie auf einer Sänfte dahin und balanciert zwischen schwermütig und gefühlvoll, während Kai den letzten Weg auf die andere Seite mit bedrückenden Worten beschreibt.

„Gallow Watcher“ lebt von seiner gedrückten Stimmung. Zu Beginn und mittendrin lässt Kai seine erzählenden Stimmbänder durch den „Verzerrer“ laufen, was dem Song eine schräge Note verleiht. Die Hookline wird dann wieder clean und betörend inszeniert. Zum Ende hin wird es ein wenig elegisch. Früher hätte es bei ca. 3 Minuten eine wilde Temposteigerung gegeben, heuer frönt man mehr der Düsternis und lässt den Song ausgleiten. Das schwungvolle und tanzbare „Silence and the cold“ holt uns dann wieder aus der versunkenen Tagträumerei. Das folgende „Ultimate Negation“ könnte auf die Negation der Negation von Hegel verweisen und erweist sich als verführerischer Song, der sich zwischen hoffnungsloser Western-Kälte und warmen Klangspektrum ein Zuhause sucht. Kai klingt hier in den ruhigen Phasen verträumt und klagend und negiert den Eindruck zum Ende hin mit unterschwelliger Aggression.

Fazit: REPTYLE machen genau da weiter, wo sie bei „Decrypt the Void“ aufgehört haben. Betörender, tiefdunkler und melodischer Goth Rock. Genial, wie sich das Album bei jedem Hören weiter entblättert und man immer wieder neue Facetten entdeckt und jedes mal aufs Neue begeistert wird. Zwar war ich sofort angetan, aber im Vergleich zum Vorgänger machte ich Abstriche. Das hat sich geändert. Qualitativ unterscheiden diese beiden Alben nur Nuancen. Soll heißen: Der erste Platz ist doppelt besetzt. Das Album markiert zudem die triumphale Rückkehr des Gründungsmitglieds und Keyboarders Andreas „Kufi“ Schulze und verbindet die Kernmelodien ihrer frühen Jahre mit einer frischen, kraftvollen Energie. Das grandiose Werk gibt es als Limited-Edition colored vinyl (gatefold) und CD mit exklusiver Bonus Disc. Diese zusätzliche 5 Track CD ist extrem hörenswert und liefert einen „Whispers in the Shadow“ Drum-lastigen Remix von „Never Complain“ sowie eine dunkle Version des THE CHURCH Klassikers „Reptile“ von 1988 (Der Titel passt natürlich wie die Faust aufs Ypsilon). Hinzu kommen eine neue Version des ersten REPTYLE Stückes „Anyway Grateful“, „Remix the dead“ und zu guter Letzt eine Liveversion von „Into her Desert“. (andreas)