RABENGOTT
„Love and Order“
(Prog Dark Rock)
Wertung: Gut+
VÖ: 14.04.2023
Label: Eigenproduktion / Eygennutz Records/Broken Silence
Aufgrund des Covers, des Namens und des Facepaintings der männlichen Fraktion der Band hätte ich aufgrund der Klischeehaftigkeit des oberflächlichen Betrachtens nicht die Füße ins musikalische Becken gestellt. Ich hätte was verpasst und meine Füße würden brach in der gefliesten Ecke nur ein Lächeln für die Hörer übrig haben. Nun sind meine Ohren auf Empfang, das Gehirn überrascht, das Herz begeistert und die Amygdala schwärmt in Erinnerungen.
Das Quartett bestehend aus Dennis J. Sennekamp (Gesang, Gitarre), Denise Kylla (Bass), Pia Lüddecke (Gesang, Drumcomputer), Benjamin „Ernest“ Ehrenberg (Gitarre) vollzieht eine Reise in die 80er, um dort in die Zukunft zu starten. Packende, straight inszenierte Klangungetüme paaren sich mit romantischem Wave Pop, um dann dezent (auch aufgrund des Drumcomputers… dazu später mehr) die Sisters in Erinnerung zu rufen, denn „Kinder der Nacht“ hat dieses Feeling, wie es die Sisters im Zeitraum zwischen ’83 und ’85 zur Perfektion brachten. Druckvoll, düster, latent unterkühlt, Drumcomputer usw…..ihr wisst schon. Ein klasse Song, derer es viele auf diesem wundervollen Album gibt, wobei das Facettenreichtum bewundernswert ist.
Besonders Sänger Dennis weiß zu überzeugen und vollzieht dabei einen Spagat zwischen Goth und Prog Metal. Sein gesangliches Vorbild könnte Axl Rose ebenso sein, wie Andrew Eldritch. Dazu variiert er zwischen kraftstrotzend, erzählerisch und verträumt. Wie abwechslungsreich das Gesamtkonstrukt ist, beweist der Ausflug in Country oder Folk Gefilde mit „Shadowland“. Daneben badet das, mit orchestralen Intro versehene „I saw the night“ in einem kreativen Moloch, der sich nicht hinter dem Begriff „Stadion Rock“ der Neunziger verstecken muss. Dennis‘ kraftvoller, dennoch leicht heller Gesang variiert perfekt mit den latent träumerischen Passagen der Synths. Der folgende, bandeigene Titelsong „Rabengott“ hat diese wütende Facette, wobei der Druck mit galantem Zwischenspiel etwas herausgenommen wird, um das Ganze in einem Inferno, mit nur leicht verstecktem Geschrei enden zu lassen. Genial auch „Shadowland“, bei dem Dennis irgendwo das Atem holen vergisst, die Gitarren sanft gezupft die Backings nach vorne holen, um im Refrain dann richtig durchzustarten. „Abyss“ beginnt langsam, saitenbetont. Die Ruhe fängt dezent die Energie, bevor das instrumentale Kleinod auf „Kollision“skurs geht. Ein durchdringender Song, der sich in Richtung Prog-Metal bewegt, dazu aber die gefühlvolle Komponente der Dunkelheit nicht vergisst.
Fazit: Sicherlich könnte man meinen, die Band hat ihre zentrale Ausrichtung noch nicht gefunden, allerdings ist genau dieses das Faszinosum des Quartetts. Man legt sich in gemachte Betten, wühlt diese durcheinander und heraus kommt ein eindringlicher, musikanalytischer Genuss voller Haltestellen in verschiedenen Epochen. Die Saitenfraktion und der Sänger überzeugen voll und ganz und auch das Songwriting lässt keine Negativnoten entstehen. Einzig das Schlagzeug….vbzw. der Drumcomputer, samt seiner schleppenden Eruption sorgt für Einfältigkeit in der Vielfältigkeit. (andreas)