20 Jahre Amboss Magazin, Herzlichen Glückwunsch!
Dies ist mein 6. Jahresbericht und ich freue mich jedes Jahr, den wieder in die Tasten zu hauen. Ich weiß, ich habe die letzten Jahre immer nur den Party.San und einige Konzertberichte geschrieben, aber vielleicht schaffe ich dieses Jahr auch mal ein paar Reviews einzutüten.
Jedes Jahr bekommt man zum Jahresende immer ellenlange Listen mit Tops und Flops und Newcomern etc. um die Ohren gehauen. Oft lese ich diese und frage mich, ob die Personen diese Musik wirklich so abfeiern oder ob da öfters auch mal nach dem Trend gegangen wird. Ganz unbefangen ist man natürlich nie, aber es hat für mich immer einen faden Beigeschmack, wenn man dann Bands in vielen Top 10 sieht, mit denen man selbst gar nichts anfangen kann. Klar, Geschmäcker sind verschieden und ich würde mich nie erdreisten, irgendwem vorzuschreiben, was er hören und gut finden soll. Dennoch ärgert es mich, wenn in vielen Metal Top 10 Listen vermeintlich „geile“ Bands wie Sabaton oder was es sonst noch für Gurkentruppen da draußen gibt, die, meinem Gefühl nach, eher Musik machen, weil es sich verkauft, als aus dem Grund, weil sie Bock drauf haben geile Musik zu machen.
Klar sind das nur profane Unterstellungen von einem kleinen Schreiberling, der vielleicht auch etwas szeneverdrossen und in den letzten Jahren etwas kauzig geworden ist, aber es gibt ja auch etliche große Bands (z.B. Ghost), die ich bis heute mega feiere und auch mit LP-Käufen unterstütze. Es geht hier nicht um eine Kommerzanprangerung, weil es ja jedem selbst zusteht zu entscheiden, womit er sein Geld verdienen möchte. Ich habe nur manchmal das Gefühl, dass die Spielfreude, Brachialität/Räudigkeit und Experimentierfreudigkeit im Metal etwas unter den Tisch fällt, wenn es um Kohle und Verträge geht. Ernie von Krachmucker TV sagte es in seinem aktuellen Video mit den Top Alben der zweiten Jahreshälfte, dass auch eingefleischte Sabaton Fans, die letzten beiden Alben auch eher generisch fanden.
Ich finde diese Diskussion sehr schwierig und vielleicht nehme ich da einige Dinge auch zu persönlich, aber ich versuche in meinem Jahresrückblick eigentlich immer einfließen zu lassen, welche Bands mich so richtig gepackt, persönlich berührt oder anderweitig umgehauen haben, als Bands zu nehmen, die grade einfach „in“ sind. Ja, ich weiß, Blood Incantation werden grade mega gehyped, aber die Truppe ist auch einfach geil ??
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und hoffe, dass ich einige von euch auf vielleicht noch unbekannte Musik stoßen kann.
Top 12 Alben 2019
Top 1: Sunn O))) – Life Metal (Southern Lord Records)
Top 2: Sunn O))) – Pyroclasts (Southern Lord Records)
Dass ich absoluter uneingeschränkter Sunn O))) Fan bin, der bis jetzt wirklich alle Releases von der Truppe geil findet, wissen die meisten Leute in meinem Bekanntenkreis. Auch dieses Jahr mit dem Release von zwei Alben können sich mich weiterhin packen. Diese unbeschwerten, dennoch manchmal bedrohlichen Soundwände sind für mich gelebte Meditation. Ich habe die Band mittlerweile drei Mal live gesehen und es sind für mich immer sehr emotionale Konzerte, da man sich in gigantischen Nebel- und Klangwänden komplett treiben lassen kann und das normale Leben einfach mal aus dem Kopf kehrt. Ein Seelen-Frühjahrsputz sozusagen. Absolute uneingeschränkte Kaufempfehlung für beide Scheiben, die ihresgleichen suchen.
Top 3: Minenfeld – The Great Adventure (Fucking Kill Records)
Minenfeld zelebrieren räudigen Old School Death Metal par excellence. Als ich die LP das erste Mal auf dem Plattenteller liegen hatte, war ich kurz davor, meinen Fernseher aus dem Fenster zu werfen. Leck mich am Arsch ist diese Scheibe geil. Ich war vor ein paar Jahren ziemlich Death Metal verdrossen, weil sich für mich alles irgendwie gleich angehört hat und viel zu sauber und geleckt produziert war. Doch Bands wie Minenfeld haben mein Interesse am Death Metal wieder geweckt und machen mich glücklich. Ich muss mir wahrscheinlich bald das Album nochmal kaufen, weil die LP so oft gehört wurde. Kompromisslos, politisch und absolut brachial ist dieses Album. Danke Jungs für diese absolute Offenbarung. May the war on nationalism never end!
Top 4: Cryptic Brood – Outcome of Obnoxious Science (Terror from Hell Records)
Die Jungs von Cryptic Brood lernte ich vor einigen Jahren auf dem Party.San kennen und wir haben uns auch schon mit meiner Band EBBE die Bühne geteilt. Nach Wormhead und Braineater und einigen Splits folgt jetzt das neue Meisterwerk des räudigen Death/Doom Metals der Wolfsburger. Genau solche Bands wie Cryptic Brood haben meine Leidenschaft für Death Metal wiederaufleben lassen und dafür bin ich sehr dankbar. Musikalisch haben sie einen unverkennbaren Stil. Das Songwriting ist echt eine geile Mischung aus Death Metal und Doom und das alle drei Instrumentalisten mit unterschiedlichen Gesangstilen rumkeifen und schreien ist das Sahnehäubchen. Ich freue mich auf zukünftige Releases, Bier und Auftritte!
Top 5: Ultha – Belong (Vendetta Records)
Über Ultha muss ich wohl nicht viele Worte verlieren. Die Speerspitze des deutschen Black Metals und weit darüber hinaus hat uns in den letzten 5 Jahren mit knapp 10 Releases verwöhnt und enttäuschen nie. Nach der Auflösung von Planks, war ich ziemlich enttäuscht, aber Ultha können, obwohl es musikalisch etwas komplett anderes ist, dieses Loch sehr gut verschließen. Die angekündigte kreative Pause mag natürlich einige Fans vor den Kopf stoßen, aber wenn Bands so viele unglaublich gute Releases raushauen, darf man denen auch mal eine Pause können ?? Mein Highlight war natürlich das Konzert in Bremen, bei denen wir mit EBBE als Vorband den Abend eröffneten.
Top 6: Dawn Rayd – Behold Sedition Plainsong (Prosthetic Records)
Dawn Rayd haben mich mit ihren ersten beiden Releases schon gepackt und hier unterstreichen sie nochmal ihre unglaubliche Aktualität und Szenerelevanz. Messerscharfe Riffs, gepaart mit Violinenklängen und gekeiften Vocals, was möchte man mehr? Na klar. Eine uneingeschränkte linke politische Einstellung und keine Grauzonen- oder NSBM-Kacke!
Top 7: Eremit – Carrier of Weight (Transcending Obscurity Records)
Eremit aus Osnabrück katapultierten sich mit ihrem Erstlingswerk auf die wohlverdienten Bühnen dieser Welt. Dieses Album ist eine abgefahrene Doom/Riff Reise, die mich absolut gepackt hat. Eine Mischung aus Conan und Sunn O))) gepaart mit geilen Screams machen Eremit zu einem absolut eigenständigen kreativen Kunstwerk, bei dem jeder Doom Fan uneingeschränkt zugreifen kann. Ich hoffe, dass ich die Band 2020 endlich mal live erleben darf. Anzumerken ist, dass es zum Album ein Pamphlet mit der dazugehörigen Romangeschichte gibt. Für mich als Literaturfan absoluter Bonus!
Top 8: Blood Incantation – Hidden History of the Human Race (Dark Descent Records)
Hype oder nicht Hype, das ist hier die Frage. Ich würde es als wohlverdienten Erfolg bezeichnen. Nachdem ich die Band auf dem Party San live erleben konnte, kaufte ich mir direkt das Album „Starspawn“ und war angefixt. Das neue Album kommt etwas durchdachter daher, ohne an Frickeligkeit und Brachialität einzubüßen. Absoluter Anspieltipp für jeden der auf technischen Death Metal mit einem Touch Obskurität und Dissonanz steht.
Top 9: Toadeater – Codex (Fucking Kill Records)
Als Fan der ersten Stunde war ich nach der Demo ziemlich angetan. Black Metal trifft Crust trifft stimmungsvolle Athmosphäre und geile Vocals. Mit Codex hat die Band sich weiterentwickelt und liefert für mich ein an Wiegedood erinnerndes modernes Black Metal Album, das seinesgleichen sucht. Die Mischung aus athmosphärischen, ruhigeren Teilen und Riffs mit durchgetretenem Gaspedal lässt das Album, ohne langweilig zu werden, wie im Flug vergehen.
Top 10: Feedy – Feedy EP (Selfrelease)
Feedy kenne ich seit mittlerweile fast 10 Jahren. Ich habe die Band oft live gesehen und war immer etwas traurig, dass es keine Aufnahmen gibt. Dies hat sich dieses Jahr geändert. Feedy hauen uns einen 5-Track Bastard aus Post Metal / Postrock und Jazzcore um die Ohren, dass einem das Essen aus dem Mund fällt. Zu Recht als Demo des Monats in der Visions betitelt, gehört diese Band definitiv zu meinen absoluten Highlights in den letzten Jahren.
Top 11: Thronehammer – Usurper of the Oaken Throne (Church Within Records)
Thronehammer sind mir irgendwo im Internet über den Weg gelaufen und ich habe 2-3 Mal in das Album reingehört. Ich fand es ganz cool, muss aber gestehen, dass ich solche Musik immer gerne auf Vinyl habe. Als die LP des Albums erschien, habe ich sie mir direkt besorgt und ich bin komplett begeistert. Geile Doom Riffs treffen auf epischen Gesang, der durch tiefe Growls der Sängerin Kat. Insgesamt ein geiles Doom Album, dass Bock auf mehr macht. Ich bin gespannt, die Band 2020 mal live sehen zu können.
Top 12: Judas Hengst – Death Tapes (Selfrelease)
In meiner zweiten Heimatstadt Bremen tut sich in den letzten Jahren einiges. Neben geilen Bands wie Asator, Mantar und Mörser gibt es seit einigen Jahren die Band Judas Hengst. Angefangen als „düstere Queens of the Stone Age“ haben sie sich mittlerweile zu einer absoluten Post Metal Macht entwickelt. Ihr neues Album Death Tapes ist für mich persönlich eine absolute Empfehlung für jeden der auf intelligenten, dennoch catchigen Post Metal steht. Vor Allem live können Judas Hengst überzeugen aber auch die LP ist noch vorrätig und darf gerne gefeiert werden!
Live Rückblick 2019
Party-San Open Air 2019 (-> zum Bericht)
Mein Sommerhighlight seit einigen Jahren. Entspannte Stimmung, Top Gelände/Organisation, Super Bands (bis auf wenige Grauzonen Ausnahmen) und man trifft einfach unglaublich viele Bekannte und Freunde. Beste Bands: Hellhammer, Solstafir, Carnal Tomb.
Wardruna in Wuppertal
Seit Jahren wollte ich diese Band schon live sehen und habe es dieses Jahr endlich geschafft. Mit einem starken Ambiente in der historischen Stadthalle Wuppertal wurde uns bei perfektem Sound ein absolut einmaliges Live-Erlebnis geboten. Kann ich jedem uneingeschränkt empfehlen.
Black Fall Fest in Bremen
Das Black Fall Fest zählt für mich seit einigen Jahren immer zum perfekten Konzert Jahresabschluss. Unsere Freunde von Asator hauen hier immer ein Top Lineup für den schmalen Taler raus. Dieses Jahr mit Ancst, Sun of the Sleepless, Mosaic, Asator und Caradras.
Ahab in Oberhausen
Ahab feier ich seit Jahren ab, konnte sie aber leider erst einmal live auf dem Party.San genießen. In Oberhausen noch mit Hexer als Vorband, war der Abend perfekt. Absolut geile Liveband, die ich jedem Doomfan ans Herzen legen kann.
Cryptic Brood, Minenfeld, Ekpyrosis in Osnabrück
Der deutsche Death Metal Underground lebt und dieser Abend war ein Lebenszeichen der Sonderklasse. Minenfeld und Cryptic Brood haben dieses Jahr zwei der besten Alben überhaupt rausgehauen und sind dann auch noch super sympathische Dudes. Für mich persönlich eins der absoluten Konzerthighlights 2019.
Sunn O))) in Hamburg
Nebelwände, Soundwände… Das volle Programm. Jeder Skeptiker („Das ist ja nur Gebrumme“) sollte sich trotzdem einmal die Zeit und den schmalen Taler in die Hand nehmen und sich diese Band live geben. Hier werden die Grenzen von Musik und Geräusch gesprengt und einem die komplette Musikszene um die Ohren gehauen.