INTERVIEW, TOP THEMA

FRÄKMÜNDT :: Zünftiger Tanzabend mit Intensivkörperkontakt

Aus der schönen Schweiz stammt das Projekt FRÄKMÜNDT, welches sich ganz der musikalischen Vertonung der alten Geschichten und Sagen aus der Heimat verschrieben hat und nutzt dabei ausschließlich folklore Klänge und akustische Instrumente. Mit dem folgenden Interview möchten wir der Band die Gelegenheit geben, sich und ihre Musik näher vorzustellen, schließlich ist gerade das neue Album “Landlieder & Fromdländler” erschienen. (michi)

 

Für diejenigen, die euch noch nicht kennen, bitte stellt euch und das Projekt FRÄKMÜNDT bitte kurz vor.

Fräkmündt ist ein Projekt, das sich der Vertonung alter Lieder, Sagen und Legenden aus der Innerschweiz verschrieben hat. Ganz im Sinne ursprünglicher Volksmusik versuchen wir mit verschiedenen Stilelementen ein regionaltypisches Lebensgefühl auf unsere eigene Art und Weise hörbar zu machen.

 

Was bedeutet der Name FRÄKMÜNDT?

Fräkmündt ist abgeleitet aus dem triviallateinischen Begriff „Fraktus Mons“, was so viel wie gebrochener Berg bedeutet. Dies war der alte Name des Pilatusmassivs nahe Luzern, der sich in einigen Flurbezeichnungen erhalten hat. Der Pilatus ist einer der sagenumwobensten Orte der Innerschweiz und bot sich deshalb geradezu als Name für unser Projekt an.

 

Wie kam es zu der Idee, „Ur-Folk“ oder „Alpine Folk“ zu machen?

Einerseits gab es da eine tiefe Verbundenheit zu den Sagen und Legenden der Region, denen wir musikalisch neues Leben einhauchen und diese einer breiten, gerne auch internationalen Hörerschaft zugänglich machen wollten. Ausserdem droht auch bei uns die Volksmusik in eine einseitig schlagerlastige, triviale Ecke abzurutschen. Wir wollten die grossartigen Möglichkeiten, welche sich durch eine eigenständige Interpretation der Folklore bietet ausschöpfen, ohne uns dabei irgendwelche Grenzen oder feste Ziele zu setzen. Die Idee war es durch eine spielerische, tüftelnde Art und Weise an die Sache heranzugehen und immer aufs Neue zu schauen, was dabei herauskommt.

 

Wie definiert sich denn dieser Musikstil?

Er definiert sich einerseits durch die Verwurzelung in der Verbundenheit zur Folklore und Kultur der Innerschweizer Region, als auch durch die unvoreingenommene, wilde und teils chaotische musikalische Umsetzung derselben. Gerade dies aber wird der ursprünglichen Volksmusik weit mehr gerecht als ein verbissener Traditionalismus, den diese eigentlich nie kannte. So gehören zum heutigen „traditionellen“ Repertoire der Schweizer Volksmusik etwa die Polka und die Mazurka fest dazu. Wir wollen aufzeigen, dass eine freie und wilde Interpretation möglich ist, ohne dass der Regionale Charakter verloren geht – wozu natürlich auch der Gesang im regionaltypischen Dialekt beiträgt.

 

Was für Leute hören eure Musik? Aus welchen Richtungen kommen die?

Ganz alle kennen wir jetzt natürlich auch nicht persönlich. Erfreulich ist es aber, dass die Hörer sich mittlerweile rund um den Globus finden und ganz verschiedene musikalische Hintergründe haben. Letztlich genau wie wir selbst auch. Es dürfte sich aber zu einem grossen Teil um musikalische Entdecker handeln, die das Ursprüngliche genauso Schätzen wie das Andersartige.

 

Mit dem neuen Album seid ihr vom Label Steinklang zu Auerbach (Prophecy) gewechselt,  wie kam es zu diesem Schritt?

Steinklang war einfach nicht mehr das richtige Label für uns. Der Kontakt lief nach dem Ausstieg von Chregu sehr zäh und so machten wir uns auf die Suche nach etwas neuem. Eine spontane Anfrage bei Prophecy, der wir eigentlich nicht allzu viel Erfolgsaussichten einräumten, führte schließlich zur Zusammenarbeit, die wirklich wunderbar verlief. Wir sind einfach nur rundum zufrieden und freuen uns sehr über die sehr gelungenen Wiederveröffentlichungen und die tolle Aufmachung des neuen Albums.

 

Für mich als Hochdeutsch sprechenden Bürger ist es nicht einfach, eure Texte zu verstehen. Wovon handeln eure Lieder?

Die meisten Lieder handeln von alten Legenden, die uns heute häufig noch über Flurnamen, Geschichten und ganz trivial z.B. in der Werbung begegnen können. Dabei geht es um Drachen, Hexen, Geister und allerhand wunderliche Ereignisse. Manchmal singen wir über die Gamsjagd, einen Zaubertrank namens Kafi Schnaps, über die schöne Bergwelt und unser eigenes seltsames Verhalten in derselben.

 

Seht ihr euch als Bewahrer der Sagen und Märchen? Ist das vielleicht die einzige Art, junge Leute dafür noch zu begeistern?

Das Interesse für Sagen und Legenden ist gar nicht so unlebendig wie man es manchmal darstellt. Es erscheinen noch heute sporadisch Sagensammlungen und es gibt Sagenwege, Sagenabende usw. Das liegt sicher daran, dass Sagen eine Faszination in sich bergen, die recht leicht zu vermitteln ist. Dennoch tut ein Bisschen frischer Wind sicher keinen Abbruch und innerhalb sowie außerhalb der Schweiz gibt es genug frische Ohren für unsere musikalischen Neuinterpretationen. Wir sehen uns daher auch weniger als Bewahrer, sondern suchen vielmehr nach einem Weg mit unseren Mitteln die eigene Begeisterung für die Sagen und Märchen, als auch die Musik unserer Region auszudrücken.

 

In der Special Edition werden die Geschichten auch in 3 Sprachen abgedruckt, somit auch interessant für Nicht-Schweizer! Wie wichtig ist es für euch, dass sich derjenige der eure Musik hört auch mit dem Textwerk auseinandersetzt?

Es ist natürlich schön, wenn die Leute etwas von der Faszination, die in diesen Geschichten steckt mitbekommen. Wenngleich die Stimmung sicherlich auch über die Lieder vermittelt wird, lohnt es sich die Liedbeschriebe im Booklet oder die ein oder andere Sage im Internet nachzulesen. Ein vertieftes Studium der historischen und mythischen Hintergründe ist aber sicher keine Voraussetzung um Zugang zu unserer Musik zu finden, zumal die meisten der Fräkstreet Boys und Mündtdonnas auch einfach Spaß an der Musik haben, ohne daraus eine Wissenschaft zu machen.

 

Generell zeigt sich eure Musik stimmungsmäßig sehr wandelbar. Es gibt zünftige Trinklieder aber auch traurig melancholische Stücke….

Natürlich, so wie die Sagen, Legenden und alten Stücke eben von allen Gemütslagen berichten, was eben gerade der modernen, kommerziellen Volksmusik ein wenig fehlt. Sie ist selten wirklich ausdrucksstark. Wenn überhaupt nur trivial traurig ohne Tiefgang und wenn sie fröhlich ist, dann meist höchstens pseudo wild wie im ZDF Fernsehgarten. Wir wollen da wieder ehrlichen Schwung reinbringen. Wenn vom Trinken gesungen wird, dann bitte richtig und da können sich die Damen und Herren hinter dem Mikro bitte auch mal die Mühe machen und sich mit ein paar Kafi Schnaps in die entsprechende Stimmung katapultieren. Und wenn es um tragische Liebe geht, dann müssen halt vor lauter Elend schon mal die Protagonisten der Geschichte ins Gras beißen und können nicht nur lauwarm sehnsüchteln.

 

Ein Trinklied ist zum Beispiel „Zoge am Boge“, wovon handelt das Stück?

Das Stück wurde in den 20er Jahren von einem jungen Urner Bergführer und angehenden Zahnarzt geschrieben, der leider sehr Jung verstarb. Es schildert in wilden Bildern einen zünftigen Tanzabend mit Intensivkörperkontakt und spottet allen, die sich an solcherlei nicht zu erfreuen vermögen (wie zum Beispiel dem Pfarrer). Es ist mittlerweile zur inoffiziellen Hymne des Kantons Uri geworden.

 

Ganz  anders verhalten sich die ruhigen Titel „Simelibärg“ und „Luegid vo Bärg ond Tal“; worum geht es bei den beiden Stücken?

„Simelibärg“ ist eine Hommage an das Lied „S’Vreneli ab em Guggisbärg“, eines der ältesten Volkslieder der Schweiz. Der Text schildert in sehr obskuren und starken Bildern eine gescheiterte Liebe. Als die Schweizer Bauernsöhne noch in fremde Kriegsdienste traten um sich durchzubringen, war es bei Strafe verboten dieses Lied zu singen, da häufig das Heimweh bei den Soldaten so gross wurde, dass sie desertierten.

Der Refrain von „Luegid vo Bärg ond Tal“ besteht aus dem gleichnamigen, alten Volkslied. Die Strophen beschreiben, wie dieses, das Heraufziehen des Abends und das Wiedererwachen des Morgens in der wilden Alpenlandschaft.

 

Auf  den ersten Blick ist eure Musik nur schwer von der klassischen Volksmusik zu trennen, was macht euch dann doch noch zu einer „alternativen Underground“ Band?

Keine Ahnung. Wahrscheinlich der Fakt, dass wir nicht offensiv nach Popularität streben und mit unserer Musik auch nichts verdienen. Außerdem kommt keiner der Mitglieder selbst aus der Volksmusiksparte. Weder aus der modernen, noch der traditionellen. Das bewirkt schon eine ganz andere Herangehensweise und letztlich kommt auch etwas ganz anderes dabei heraus, als wenn man einfach nur ein traditionelles Stück spielen würde. Ein Schlagzeug oder ein Banjo würde man dort beispielsweise vergebens suchen.

 

FRÄKMÜNDT spielen nicht live weil….?

Wir sogar Mühe haben uns einmal im Jahr alle zusammen für ein Bandfoto zu treffen. Alle Mitglieder müssen neben dem Spaß mit Fräkmündt noch seriösen Tätigkeiten nachgehen. Das Anneli wird uns sogar mehrere Monate im Jahr von Eluveitie entführt und in der halben Welt herumgeschickt. Da ist es einfach sehr schwierig etwas auf die Beine zu stellen. Wir haben aber dennoch vor das eines Tages hinzubekommen, weil Spaß hätten wir daran allemal!

 

Ihr pflegt eine hohe Verbundenheit zur Natur und eurer Heimat. Wie empfindet ihr die fortschreitenden Veränderungen? Schlagworte wie Gletscherrückgang und Apres-Ski Tourismus fallen mir da ein?

Veränderungen gab es immer. Manche sind positiv, manche negativ und bei den meisten kommt es wie bei allem auf’s Maß an. Dass die Gletscher zurückgehen und teilweise für Bergtouren nicht mehr passierbar sind, ist momentan sicherlich ein Problem. Andererseits wuchsen und schmolzen die Gletscher auch schon früher. Vor 200 Jahren haben sich die Leute davor gefürchtet, von den Gletschern verschluckt zu werden, heute fürchten wir, dass sie verschwinden.

Ski- und Apres-Ski Tourismus hat ebenfalls zwei Seiten. Es sind häufig Leute, die sich nur zum Freizeitvergnügen in den Bergregionen aufhalten, die so etwas pauschal für den Niedergang der harmonischen, traditionell-alpenländischen Bergkultur halten. Die Perspektive der Leute, die tatsächlich in diesen Tourismusregionen wohnen ist häufig, dass dieser Tourismus es Ihnen ermöglicht die traditionellen Bauernbetriebe aufrecht zu erhalten. Sofern man die ganze Sache mit Augenmaß betreibt, was bei uns glücklicherweise meistens der Fall ist, kann man auch den Tourismus durch Ausnutzung von Synergien durchaus langfristig und für alle Parteien (nicht nur aus finanzieller Sicht) rentabel gestalten.

 

Meine ersten Berührungspunkte mit der Schweiz waren als Kind meine Heidi Hörspiele auf Schallplatte, kennt ihr die auch?

Das Heidi kennen wir natürlich aus den Büchern von Frau Spyri und überhaupt durch Allgegenwart in den Medien. Hörspiele auf Schallplatte gab’s glaube ich auch in diversen Varianten – in Dialekt und „Schriftsprache“.

 

Welche Ziele hat man mit FRÄKMÜNDT? Welche Wunschziele verfolgt ihr?

Unser einziges Ziel ist weiterhin das zu tun, was uns gefällt und weiter mit Fräkmündt zum Spaß an der Freude Musik aufzunehmen. Ein Wunschziel wäre es vielleicht noch, ein paar wilde Konzerte aufs Parkett zu klopfen.

 

Final wie so oft und auch bei uns; noch ein paar Worte von euch an unsere Leser:

Wir freuen uns sehr, dass unsere Musik so viele Leute erreicht und ein Stück authentische Innerschweiz in die Ohren der Welt gelangt. Da nutzen wir die Gelegenheit allen zu danken, die uns unterstützen. Alle die uns noch nicht kennen finden reichlich Lieder auf Youtube zum Reinhören und all unsere Veröffentlichungen (mit Dialekttexten zum Miträtseln und Erklärung in Englisch im reich bebilderten Booklet) bei prophecy.de. Bhüet eu Gott vorem Hüenervogu!