EMPFEHLUNG, REVIEW

DTORN „DTORN“ (Musiktheater/Wave/Klassik)

 DTORN

„DTORN“
(Musiktheater/Wave/Klassik)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 15.03.2021

Label: Eigenproduktion

Webseite: Homepage / Facebook

Manchmal gibt es diese Alben, denen steht man mit offenen Mund staunend gegenüber und denkt, eine Review kann nicht annähernd die Gefühlswelten beschreiben, welche man beim Hörkontakt mit diesem Werk gehabt hat. DTORN gehört in diese Kategorie, diese Verschmelzung von Klassik, NDT, Musiktheater und romantischer Literatur ist einfach gut gemacht. Torsten Schneyer (Adversus) kredenzt uns ein Werk, welches in einer dramatischen Ruhe badend, betörende Kleinode in des Hörers Ohr tröpfelt. Unterstützung erhielt DTORN von den Musikern Carsten Hundt (Kontrabass/LAMBDA BASS PROJECT), Birte Sedat (Harfe), Bernd Sambale (Piano) und Maria Hofmüller (Akkordeon/AURAGO und EBENBILD).

Die leicht reduzierte, kammerorchestrale Musik dient als perfekter Teppich für teils verstörende Erzählungen, welche perfekt interpretiert werden. Begonnen beim dramatisch intonierten „Dtornenhymne“ über Taucher-Metaphern bis hin zum schrägen Rauswerfer „Winterkalt“, welcher mit leicht elektronischen Spielereien den Hörer auf eine falsche Fährte zu führen scheint. Sicherlich fällt es schwer, einzelne Songs herauszuheben, beginnen wir also mittendrin, bei „Die Wilde Jagd“. Hier wird zunächst etwas Sakralität in die Szene gerutscht, dann knarzt es des Öfteren und die Stimmung wechselt. Ruhe, Sanftheit und eine unterdrückte Aggression verführen, bevor der Text über diese Stille und einer kopfinternen Lautstärke sinniert.

Nehmen wir als nächstes „Sturmruhe“, welches in sich die gleiche Ambivalenz beherbergt. Kennt ihr das Gefühl, wenn die Fliege an der Wand eine Uhr ist? Der Sekundenzeiger bringt das Gehirn zum bersten. So in etwa wird dieser Song introniert. Danach lässt man maritime Metaphern in das Spiel der Wirrungen eindringen. Dazwischen immer wieder diese heimeligen Parts, welche ihre Melancholie in voller Schönheit entfalten.

„Der leere Rahmen“ lässt die Geigen zum Weinen bringen. Die Erzählung ist von einer Trauer beseelt, welche nur im ersten Moment bedrückend wirkt. Das Spielen mit der Stimme ist nicht nur diesem Song immanent. Mal der warme Erzähler, mit dem man Kinder in den Schlaf bringen könnte, mal Verführer zur Traurigkeit, mal Anstifter, mal wütender Erklärer. Dezent streichelt sich der Nihilismus in nie vergehender Selbstliebe selbst. Mal ist das Gesamtbild von einer selbstverfluchenden Freiheit geprägt. Der leere Rahmen als rahmenlose Lehre. „Momento“ könnte zu Beginn einen Rosa Crux Song einleiten. Zwischendrin gibt es dann diese puristische Harmonie, welche sich einer betörenden Melodielinie hingibt, um später dann das Narrativ der Trauer zu bedienen. „Das gegebene Wort“ ist eine in Klaviertastatur manifestierte Ballade. Das Pflanzen eines Baumes wird zum Fällen des selbigen. Man bleibt beim Holz, wird aber endzeithymnisch sechseckig beim Bauen. Geschicktes Spiel mit der Ironie, dessen sarkastischer Unterton gewohnt harmonisch begleitet wird. Das folkige „Lebenstanz“ erinnert durch die weibliche Stimme ein wenig an ELANE. Ein wunderschöner Song, der sich langsam steigert und in einem perfekten Duett gipfelt. Die musikalische Untermalung geizt nicht mit Liebreiz.

Fazit: DTORN ist ein ganz besonderes Musikstück. Mir fehlen momentan die Vergleiche, evtl. könnten manche Songs GOETHES ERBEN Fans begeistern, auch Artwork ist nicht weit weg und wer mit ADVERSUS was anfangen konnte, wird hier begeisternd das staunende Kind mimen. Vor langer Zeit hab ich mal „Dracula“ in einem kleinen Theater erleben dürfen, oder vor nicht all zu langer eine musikalische Vertonung von Poes „House of Usher“ in einem ebenso kleinen Theater gesehen/gehört. Die erzeugte Atmosphäre war phasenweise die gleiche, wie sie hier erzeugt wird.
Man könnte natürlich ganz gewagt eine Kollaboration von Ernst Horn und Blixa Bargeld in Betracht ziehen. (andreas)