CARESSING MISERY
„Lost and Serene“
(Goth Rock)
Wertung: Empfehlung!
VÖ: 2023
Label: 12.12.2024
Hinter dem Projekt stehen Julian Aust (The Shallow Graves) und Zac Campbell (The Waning Moon, The Kentucky Vampires). Hinzu kommen als Gäste: MariAngela Demurtas (Ardours, ex-Tristania) and Hendrik Müller (Halphas, Timor Et Tremor). Mit „Lost and Serene“ liegt nun das 8 Tracks beinhaltende Debüt vor.
Eröffnet wird das faszinierende Werk mit dem verführerischen „Swansong of the night“. Schwere Saiten umgarnen das verspielte Key und die Drums opfern sich der Energie. Im schwarz-bunten Treiben legt sich der tiefe Gesang von Julian ins gemachte Bett und lädt zum verträumten Dahinschmelzen ein. Graduierte Tragik, durchdringende Düsternis, verklärte Romantik und ein gefühlvolles Intermezzo voller kleiner Anekdoten des Goth, verschmelzen in einem brennenden Tigel, bei dem die Glocke erkennbar staubig schlägt, während der Nebel die Landschaft in ein betörendes Licht taucht.
Für Freunde des gepflegten Doom/Dark Rock hat man das schwermütig und schleppend fließende „Giving birth to loss“ parat. Das Spiel mit drei unterschiedlichen Stimmen (Melodisch dunkel, kreischen und Growls), welche sich Julian und Hendrik teilen, ist bewundernswert gut gelungen. Ebenso dunkel und melancholisch, aber hymnenhafter und ohne aggressive Stimmvariation lässt „contemplation of withering heart“ die Gänsehaut quellen und durch die betörende Stimme, welche von schreienden Saiten und samtenen Hooks begleitet wird, fühlt man sich erinnert an die Zeit als Paradise Lost den Gothic entdeckte und es in anderen schwarzen Klangschmieden HIMbeereis gab. Geschickt variiert mit unterschiedlichen Klangkosmen, um Gefühle zu übertragen oder zu erzeugen. Zum Ende hin spielt man damit, das Progressive in die Saite zu hauchen. Das mit Paradise Lost wird im folgenden „You are the one“ noch deutlicher. Wobei hier die Saiten den sphärischen Untergrund etwas heftiger darstellen, während die dunkle Stimme etwas erzählerischer rüberkommt. Mit dem druckvollen und mit einem durchdringenden Refrain versehenen „A thousand Seasons“ hat man einen galanten Hit für das Schwarze Volk kreiert. Klar, dass dies für die erste Single-Auskopplung prädestiniert ist. Hier liefert sich Julian ein Duett mit MariAngela Demurtas.
Danach gibt es wieder Futter für die Romantiker, mit dem kristallinen „In the Shadows of Rome“. Dies gelingt trotz harscher Saiten, die aber wunderschön eingebettet in eine dunkle Eleganz, ihre Vehemenz mit einer verführerischen Melodie paaren, die sich galant um die Gehörknöchelchen windet. Es ist im Endeffekt genau diese herbstliche Rotwein-Elegie, in der man zu Hause schwelgen kann und nebenbei ein perfektes Depressionsbad für das gesamte Gedankenkarussell nehmen kann. Da der gesamte Klangkosmos aber im Mark so ein wunderschönes Kleinod ist, dessen Zuhören für Feinschmecker wie ein 8-Gänge-Menü daherkommt, bleiben natürlich Erinnerungen nicht aus. Legt mal euer Ohr an die Box, wenn sich der Gesang kurzzeitig zurückzieht… und… The Mission erkannt? Zum Schluss gibt es ein etwas härteres Stück, dessen Energie dennoch etwas destruktiv in die Szenerie rückt.
Fazit: Seit langer Zeit mal wieder ein perfektes Goth Rock-Werk, dass den Goth Metal streichelt und im Hintergrund wundervolle Melodien gezimmert hat, die irgendwo zwischen Paradise Lost und The Mission liegen. Und nicht nur das, sondern auch die Vocals besitzen ein ganz besonderes Merkmal, sie sind nicht nur dunkel, sondern beherrschen und nutzen das stimmliche Volumen auch, um beim Hörer Gefühle zu erzeugen, bzw. zu bewegen. Das Gesamtkonstrukt erklingt wie ein roter Faden, der in den Spätachtzigern als Grundmotiv zum leitenden Gedanken wurde und heute wie ein liebgewordener Freund durch die Gehörgänge schleicht. Textlich geht es natürlich nicht um das positive Denken, sondern um die fragmentierte Trauer, die sich langsam entblättert und mit Wehmut in die dunklen Gedankenwelten des Menschen blickt. Das gesamte Konvolut des Schwarzherzens wird perfekt in die Musik transportiert, die durch eine kraftvolle Produktion glänzt und die rohen Emotionen in jedem Track zum Vorschein bringt, dabei den Kleber für den Zusammenhalt zwischen Bild und Rahmen ohne unnötige Gimmicks gelungen und leicht versteckt angebracht hat. (andreas)