INTERVIEW, TOP THEMA

ACHROMATOUS :: Technical Death Metal aus Berlin


In meiner Top-Releases-Liste von 2022 erschien die selbstbetitelte EP des Berliner One-Man-Projekts ACHROMATOUS, da diese EP mich überraschte und nachhaltig erfreute. Doch da mich die Frage, wer hinter dem Projekt steckt und was die Hintergründe zur Entstehung sind, sehr wurmte, habe ich nach kurzer Recherche einmal mehr festgestellt, wie klein die Berliner Untergrund-Szene ist und wie die Verwebungen in ihr Verbindungen ans Tageslicht bringen, die über die Berliner Old School Band CARNAL TOMB bis zu mir selbst reichen. Also entschied ich kurzerhand Kontakt zu STVN, dem Mastermind hinter ACHROMATOUS, aufzunehmen und ein kleines Interview für euch zu erstellen. Et voilà! Eine Review zur EP wird noch folgen, keine Angst. (yves)

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Bandgeschichte:

Moin STVN! Du hast vor langer Zeit bei ERADICATED die Gitarre bedient und „Vomitchrist“, der mittlerweile ins Old School-Lager gewechselt und bei CARNAL TOMB an den Drums tätig ist, damals für die zweite Gitarre rekrutiert? Hat ERADICATED, im Nachhinein betrachtet, eine Verbindung zu ACHROMATOUS?

Grüß dich, Yves! Zwei Mal „ja“, ich war seit Anfang 2009 bei ERADICATED tätig und hatte damals angeleiert, dass wir eine zweite Gitarre für die neueren Songs bräuchten und dann im Zuge dessen „Vomitchrist“ kontaktiert (den ich bis dato nicht kannte) [*Anmerkung der Redaktion: und der erst seit seinem Beitritt zu CARNAL TOMB das Synonym verwendet] – so kam er dann schlussendlich dazu. ERADICATED ging bis ungefähr Mitte 2014. Dort war ich damals auch der Haupt-Songwriter – abgesehen von den Lyrics. Wenn man sich die letzten beiden Tracks von der 2012er EP („Apocalypse Afterbirth“ und „D.emise O.blivion E.xtinction“) anhört, erkennt man auch definitiv eine gewisse Ähnlichkeit zu anderen Passagen auf der ACHROMATOUS EP.

ACHROMATOUS lief also schon parallel zu ERADICATED?

Ja und nein. Wirklich aktiv als eigenständiges Projekt wurde ACHROMATOUS (vor allem auch mit diesem Namen) erst nach dem Ende von ERADICATED, aber die grundsätzliche Idee für das damals noch namenlose Projekt entstand schon ungefähr 2011. Als ACHROMATOUS gab es das Projekt dann ungefähr ab 2015. Fun Fact: einzelne Teile der Songs „Verdant“ und „Erythraean“ haben wir damals auch bei ERADICATED versucht als Band umzusetzen.

 

Beweggründe für das Projekt:

Was waren deine Beweggründe für das Projekt ACHROMATOUS und war es schon immer als ein Ein-Mann-Projekt geplant?

Das schließt hier erzähltechnisch sogar ganz gut an. Auch hier, ein ganz klares „Jein“. Ich war Anfang der 2010er Jahre ein unglaublicher Technical Death Metal-Fan. Das wollte ich selbst auch irgendwie umsetzen und das natürlich am besten mit ERADICATED, aber speziell das Schlagzeug ist in diesem Genre einfach eine Herausforderung für sich selbst, daher begann ich immer wieder „on my own“ kleine Snippets zu bauen/programmieren. Dieser hochtechnische Kram führte auch in den Proben immer zu sehr geteilten Meinungen und das ist im Bandkontext dann einfach auch sehr schwer zu etablieren. Ich fing damit an „zweigleisig“ zu schreiben: „Gleis A“ für ERADICATED, was auch immer Kompromisse und Geschmäcker der anderen Leute berücksichtigte/einfließen ließ und „Gleis B“, was dann einfach für ACHROMATOUS zurückgestellt wurde, aber meine ungefilterte Absicht/Idee darstellte. Dabei war „Gleis B“ nicht immer unbedingt „zu technisch“, sondern mitunter auch einfach „zu speziell/anders“, sodass sich das bei ERADICATED nicht „einbauen“ hätte lassen. Speziell ist das Konstrukt „Ein-Mann-Projekt“ aber ein zweischneidiges Schwert. Man muss keine Kompromisse eingehen, dafür muss man aber auch ALLES selbst machen. Das ist mitunter nicht immer die leichteste Option. Überdies soll ACHROMATOUS für mich immer ein non-profit-Projekt bleiben. Nun macht man eh nicht wirklich Geld in diesem Nischen-Genre, aber das „non-profit“ bezieht sich dabei eher darauf, dass ich die Kosten für alles möglichst gering halten möchte und alle Erlöse dabei direkt wieder in das Projekt fließen. Nicht zuletzt geht es auch darum, dass ich nach wie vor meine Visionen so umsetzen kann, wie ich es möchte, ohne den Druck zu haben, dass Parts irgendwelchen bestimmten Mustern/Trends folgen müssen, um auch möglichst zu gefallen. ACHROMATOUS ist ganz klar ein Projekt, bei dem die Idee und das Kreative über die mediale Tauglichkeit gestellt werden, d.h. mir ist es wichtiger eine Idee auszuarbeiten und umzusetzen, als sicher zu stellen, dass sie ankommt. Das ist ein ziemlich zentraler Punkt.

 

Was sind deine Pläne mit ACHROMATOUS? Wo geht die Reise hin?

Zu gerne würde ich ACHROMATOUS eines Tages als eine Band auch auf die Bühne führen. Es wäre sowieso unendlich schön, 100%ig Gleichgesinnte zu finden, um den ACHROMATOUS-Musikstil live zu performen. Dabei beschreibe ich ACHROMATOUS gar nicht mal als „technical“, sondern viel lieber als „modern“. Dennoch erfordert es eine Menge Hingabe Musik mit solcher durchaus vorhandenen Komplexität live „tight“ zu performen und dafür müssen alle Beteiligten ein Höchstmaß an Hingabe und Verbundenheit mitbringen. Sowas ist selten, aber fantastisch, wenn man es findet. Ich gehe aber stark davon aus, dass ACHROMATOUS ein Soloprojekt mit Features anderer Musiker bleiben wird, was nicht heißt, dass ich nicht sogar wieder eine Band gründen und haben werde ??

 

EP Hintergründe:

Du sagtest bereits, dass ein Ein-Mann-Projekt nicht immer die einfachste Option ist, da man alles selbst macht. Wie lange hast du an der EP gearbeitet?

Alles in Allem von 2012 bis zum Release März 2022, wobei das natürlich nicht so pauschal zu beantworten ist. „Verdant“ wurde 2013 noch zu ERADICATED-Zeiten geschrieben. „Erythraean“ entstand erst 2015 in dieser Form. Das Intro „Amber“ entstand irgendwann zwischen den beiden. „Mauve“ und „Azure“ habe ich beide 2017 geschrieben. Da hatte ich einen kreativen Schub, weil ich meine BA endlich fertig hatte.
Die Drums habe ich zwischendurch immer mal wieder editiert, aber Gitarre/n und Bass habe ich 2018 aufgenommen. Dann gab es eine lange Pause, in der ich eigentlich nur das Artwork gestaltet habe und die Lyrics schrieb. Ursprünglich wollte ich auch bis zum Ende alles selbst machen, also auch Mix/Master und Vocals. Die Entscheidung Gast-Sänger zu featuren entstand Anfang 2021, die letzten Vocal-Recordings waren dann im Frühjahr 2022 über die Bühne gegangen.

Du hattest ebenfalls erwähnt, dir gesanglich Hilfe durch Gastsänger geholt zu haben. Wer sind diese Gäste? Hattest du anderweitig noch Hilfe? Die Drums sind programmiert? Hast du das neben den anderen Instrumenten ebenfalls übernommen oder gab es da Output von Externen? Wo wurde aufgenommen, gemixt und gemastert?

Ich zähle am besten einfach die Dinge auf, die NICHT von mir gemacht worden sind. Die Vocals sind ganz offensichtlich nicht von mir. Auf „Verdant“ singt Max von EOHALIS (*Anmerkung der Redaktion: Max hatte zu Anfangszeiten von CARNAL TOMB das Mikro für die ersten Live-Auftritte übernommen), auf „Azure“ singt Stefan von WORLDBEARER. „Mauve“ und „Erythraean“ teilen sich beide, wobei bei „Erythraean“ noch unser ehemaliger ERADICATED -Proberaum Nachbar Peter von VAYL u.a. ein Feature bekommen hat. Die Vocal-Recordings haben wir bei Basti von „mixberlin“ vorgenommen, der auch den, wie ich finde cremig-saftigen Mix/Master für die EP abgeliefert hat.
Ja, das war es dann auch schon mit Sachen von anderen. Tatsächlich ist alles andere durch mich entstanden. Die Komposition ist offensichtlich von mir, alle Synthies habe ich selbst „gebaut“, das Artwork gestaltet, alle Gitarren- und Bass-Spuren habe ich in zwei Wochen in meinem Schlafzimmer aufgenommen. Das Schlagzeug ist selbst programmiert und auch selbst editiert, kein Output von anderen (eine absolute Scheißarbeit). Das Saxophon-Solo in „Erythraean“ basiert auf einer Gesangsspur von Peter, die ich via Saxophon-Synthesizer nachempfunden habe, weil ich dort mit der Harmonie nicht ganz zufrieden war.

 

Du hast sehr lange an dem Endprodukt gearbeitet. Was bedeuten die EP und die einzelnen Songs für dich?

Da die Songs auf der EP insgesamt über einen Zeitraum von etwa 5 Jahren entstanden und komponiert wurden, spiegeln sie auch tatsächlich immer für mich recht deutlich meine musikalischen Vorlieben der jeweiligen Zeiten wider. Das muss sich natürlich nicht notwendigerweise mit den Eindrücken der Hörer decken, aber ich denke automatisch an bestimmte Songs und Passagen, wenn ich die einzelnen Tracks höre.

„Amber“ ist ganz stark inspiriert von dem Intro von PSYCROPTICs „Initiate“ und war eigentlich mal als ein Duett zweier Akustik-Gitarren gedacht, aber die Idee hatte ich dann irgendwann verworfen, weil ich noch diese Synthies dazu schrieb.

„Verdant“ von 2013 vereint für mich eine starke NECROPHAGIST/OBSCURA-Note (Christian-Münzner-Style), wobei die zweite Hälfte ganz spezifisch aus einem mir sehr am Herz liegenden Song von BENEATH THE MASSACRE-Song inspiriert ist, vielleicht erkennt ja jemand welcher es ist. Auch FIRST FRAGMENT haben zu der Zeit massiv ihre Finger in meinem Kopf gehabt.

„Erythraean“ von 2015 erinnert mich immer besonders an zwei Bands: NE OBLIVISCARIS und MASTODON. Aber auch ein kleines bisschen TESSERACT. Das ist ganz klar der „zugänglichste“ Song von der Scheibe, das sehe ich auch an der medialen Resonanz.

„Mauve“ hat eine ganz prägnante Stelle, die mich sehr stark an ORIGINs „Antithesis“ Album erinnert, aber auch BENEATH THE MASSACRE waren hier wieder ein Quell der Inspiration. Und auch, wesentlich weniger offensichtlich – WORMED. Zeitgleich ist in diesem Song ein Zitat eingearbeitet: wer es kennt, hat eins der besten Games aller Zeiten zocken dürfen.

„Azure“ ist stark geprägt vom Song „Subjugate“ von MISERICORDIAM. Ich wollte unbedingt auch einen Track dabei haben, der einfach die ganze Zeit voll auf die 12 gibt. Ich liebe Blast Beats, da brauchte ich sowas unbedingt noch. Fun Fact: Das Gitarrensolo am Ende ist im Übrigen gänzlich improvisiert und es war direkt das zweite Take, das es dann auf die EP geschafft hat.

 

Worum geht es in deinen Songs?

Inhaltlich geht es bei der EP ja um abstrakte Konzepte, die man gerne metaphorisch mit Farben assoziieren kann: konkret geht es um Wald/Natur, Blut, Gewalt/Wut/Zorn und das Meer. Da lohnt es sich mal auf Bandcamp oder Instagram nachzuschauen – da hat jeder der EP-Songs eine kleine Kurzbeschreibung, worum es darin geht. Die Lyrics findet man aber auch unter den Videos auf YouTube.

 

Wie sieht die Zukunft für ACHROMATOUS jetzt nach der EP veröffentlichungstechnisch aus?

Zurzeit arbeite ich an einem Track evtl. sogar zwei Tracks, der/die ein Bindeglied zwischen der EP und dem danach folgenden Album bilden soll. Dieser Song manifestiert den Stil der EP nochmals deutlich, d.h. er schließt die EP eigentlich sogar ab, denn ursprünglich war auch dieser Song noch für die EP gedacht, aber er nutzt zeitgleich schon viele neue Ansätze und Mittel, die ich in Zukunft häufiger nutzen werde. Es wird aller Voraussicht nach wieder zwei „Vocal-Performer“ auf diesem Song geben, aber mehr werde ich dazu noch nicht verraten.

 

Vielen Dank für deine Zeit und deine Antworten. Ich wünsche dir viel Erfolg weiterhin mit ACHROMATOUS und bin sehr gespannt auf neue Releases!
Yves, danke dir für deine offenen Ohren und dein Interesse! Ich freue mich, dass die EP es in deinen Jahresrückblick geschafft hat und allgemein über jeden, der bisher mal reingehört hat und auch jeden, der in Zukunft mal reinschnuppert. Die EP gibt es digital ja auch für umme/nameyourprice auf bandcamp.