REVIEW

PROJEKT JU „Neuland“ (Dark Folk Rock/Wave)

PROJEKT JU

„Neuland“
(Dark Folk Rock/Wave)

Wertung: Gut+

VÖ: 19.05.2023

Label: Lucky Bob Music (SPV)

Webseite: Facebook / Bandcamp

Dieses neue Projekt dürfte seinen Bandnamewohl hauptsächlich von Sänger und Mastermind Jens-Christian Usner ableiten. So einfallslos (hört sich eher nach EBM oder einer politischen Jugendorganisation an, sorry) wie der Name, so einfallsreich die musikalische und textliche Darbietung. Irgendwo zwischen Saltatio Mortis, Schandmaul, Prog Rock, Folk, Gothic, Musical und Wave zelebrieren sie ihre Musik. Das Ensemble vervollständigen Pete Potens und Alen Brentini (bekannt durch seine Mitwirkung bei Andreas Gabalier und Eric Martin v. Mr. Big) an den Gitarren, Martin Gerschwitz an den Tasten (Lita Ford, Meat Loaf, Eric Burdon, Vanilla Fudge und aktuell Iron Butterfly), Benni Cellini am Cello (Letzte Instanz), Guy Erez (Miley Cyrus, Alan Parsons Projekt) und Daniel Rimert am Bass, außerdem Stefanie Porger an Dudelsack und Flöte. Man fand also schnell befreundete Gastmusiker aus aller Welt, die gerne bereit waren, PROJEKT JU musikalisch zu unterstützen.

Gleich der Opener glänzt mit gehörigem Bombast und einer durchdringenden Melodielinie, welche im passenden Moment in einen durch und durch betörenden Refrain gipfelt. Dazwischen progressive Saiten und ein Hauch Dark Wave Pop. Der dunkel harmonische Gesang unterstützt die Gemengelage und sorgt für eine dichte Atmosphäre. Zu Beginn und mittendrin kammerorchestrale Einsprengsel. Grandios und voller Eleganz erklingt das, mit reichlich Heavyness versehene „Folge der Zahl“, welches auch mal den Zwiegesang zwischen Folgung und Weigerung manifestiert. Der Übergang von Strophe in Refrain gehört in den Bereich Perfektionismus. In „Schatten“ geht es erstmals erholsamer zu. Mit reichlich Romantik behaftet und fast ein wenig doomig inszeniert, geht es um Existenzen, welche im Großem die Menschheit, im Kleinen die persönliche Frage nach dem Sein beleuchten könnten. In „Mephista“ wird Faust’s Diener gendergerecht weiblich dargestellt. Mit der Erlösung der Seele beschäftigt sich passenderweise das folgende „Verloren“.

Das ruhig inszenierte „Untergang“ glänzt mit einer vehementen Eleganz, welche sich in der Hookline zu einem wahren Moloch der Erhabenheit treiben lässt. Dazwischen feine Anekdoten, versteckte Backings, kristalline Samtigkeit, progressive (Solo)Saiten. Und der wundervoll dargebotene Gesang von Jens, der mit einer famosen Leichtigkeit glänzt, welche sich in dunklen Stimmbändern entwickelt und die Freiheit genießend dem Hörer die Gänshäute über den Körper fließen lässt. Das verführerische und sehr balladesk erklingende „Abschied“ erinnert mich ein wenig an „Dein Antlitz“ von Schandmaul (komisch, dass der Titel auch im Text auftaucht), obwohl der textliche Inhalt etwas konträr zur Erinnerung läuft. Ebenso im unteren Tempobereich beheimatet kommt „Utopia“ daher, dessen Reichhalt an Gefühl zum Nachdenken anregt. Thomas Morus hätte wohl Spaß, oder wahlweise eine Gänsehaut.

„Eiszeit“ ist ein Peter Maffay Cover. Erneut betörend der Gesang im eindringlichen Refrain, der mit Kinderchorälen verziert, fein in die Gehörgänge dringt. Der dystopische Text beschäftigt sich mit den Gefahren des „kalten Krieges“. Ein dramatisches, instrumentales Outro beendet dann die Reise.

Fazit: Ein wirklich gelungenes Werk, welches Fans von Schandmaul, In Extremo, Dtorn und ASP begeistern dürfte, vor allem diejenigen, welche sich auch mal im Musical Theater „verirren“. Die galante Mischung zwischen bombastischen Arrangements und verführerischen, balladesken Klangspektren ist gelungen. Der variable Gesang ist kraftvoll und wandelt zwischen Erzähler und harmonischen Stimmbändern, welche im passenden Moment zum Mitsingen zwingen. Kleiner Hinweis: In Verbindung mit der Band liest man des öfteren „Goth Rock“, das sehe ich nicht, denn es ist eher Meat Loaf als Sisters. (andreas)