u.a. mit The Wizards, Eric Clayton and the Nine, While Heaven Wept, Smoulder, Dawn of Winter, Hällas, Batushka, Coven …
Live in der Posthalle in Würzburg am 16.11. und 17.11.2018
Text & Fotos © Chris
Man macht sich im fortgeschrittenen Alter ja manchmal so seine Gedanken. Zum Beispiel, was man mit Liveberichten im Online-Sektor erreichen möchte. Der Vorteil ist, dass wir nicht nur zwei Seiten in einem Magazin zur Verfügung haben und daher es nach unserem Gusto erledigen können. Das gibt eine gewisse Freiheit, nötigt dem geneigten Leser aber auch einiges ab. Aber, wie ich im Verlaufe des Abends noch mit netten Menschen erörtern werde, nehme ich die Sache recht persönlich. Quasi ein Reisetagebuch, in dem ich auch Ereignisse festhalten möchte, an die ich mich in zehn Jahren, sofern es das Internet da noch gibt, erinnern möchte.
Daher bitte ich sowohl Veranstalter, als auch Bands, mir zu verzeihen, dass ich nicht jede Band minutiös verfolgen kann, will, darf. Dazu kommt ja auch immer der Faktor X, der dafür sorgt, dass eine Band mich inspiriert zu schreiben. Manchmal ist ein Gig einfach gut und mehr kann man schon nicht dazu sagen. Andere Bands drücken Knöpfe, lassen Ideen entstehen und ich schwurbel munter vor sich hin. Wer selbst Livereviews schreibt, kann das vielleicht nachvollziehen und wer sich den Bericht zur Gänze durchliest, wird auch das im Laufe der Lektüre verstehen.
Die erste Erinnerung an dem Tag liefert … wer auch sonst … die Bahn. Bevor wir überhaupt einen Zug betreten, haben wir Verspätung. Aber in der Ruhe liegt die Kraft und irgendwie kommen wir, ein paar Bierchen später, halbwegs pünktlich in Würzburg an.
Koffer ausgepackt und ab in eine Gaststätte, die uns schon des Öfteren verköstigen durfte. Aber es ist ja Freitagabend, die Gaststätte nicht sehr groß und man will uns allen Ernstes unser heißersehntes Schnitzel aufgrund Platzmangels verweigern … Wären da nicht drei nette Menschen, die unsere Not erkennen und ihre Hand reichen. Die drei Berliner Strolche (okay, einer ist Ruhrpott-Exilant) sehen den Hunger und Durst, gepaart mit Panik, in unseren Augen und laden uns an ihren Tisch ein, wo wir umgehend ins Gespräch kommen und eine gute Zeit haben. Danke dafür! So geht Doom Metal.
Dadurch, dass unser Schnitzel frisch geklopft und zubereitet wird, geht die erste Band des Tages (GOAT EXPLOSION) leider an uns vorbei. Ich fühl mich schuldig, aber satt.
THE WIZARDS
Das neue Album der Zauberer („Rise of the Serpent“) hat mich überzeugt. Ja, ich schulde euch noch ein Review dazu, aber das wird schon noch kommen …
Das Album strotzt vor Spielfreude, geilen Riffs und phantastischen Melodien und ich hoffe, dass es live genau so funktionieren wird. Und das tut es! Ihr quirliger Mix aus Heavy Metal und verspieltem Hard Rock wird herrlich ambitioniert auf der Bühne zelebriert, dass (mal wieder) gleich die erste Band des Festivals, die ich sehe, sich als kleines Highlight präsentiert. Manchmal blitzen sogar IRON MAIDEN-mäßige Gitarren durch („Apocalyptic Weapons“) und besonders die großartigen Gesangsmelodien, die den Songs das gewisse Etwas verleihen, stechen. Die fünf Songs des neuen Albums inspirieren mich umgehend zum Plattenkauf und Bierkonsum.
Songs (laut Setlist): Apocalyptic Weapons / Destiny / Circle of Time / Calliope / Aftermath / Strings Synchronise / Stardust
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APOSTLE OF SOLITUDE
2016 war der letzte Auftritt der APOSTLE OF SOLITUDE und zwischendurch hat man das Album „From Gold to Ash“ veröffentlicht und man tut gut daran, dass gleich vier Songs des Abends von diesem Album stammen. Zum einen sorgt das für Abwechslung bei den regelmäßigen Besuchern und zum anderen sind Songs wie „Keeping the Lighthouse“, „My Heart is leaving here“ und „Grey Farewell“ drei meiner Lieblingssongs der Band. Da die Attitüde ebenfalls stimmt und die Band sehr kraftvoll agiert, avanciert der Auftritt heute direkt zu meinem Lieblingsgig der Band.
Songs laut Setlist: Keeping the Lighthouse / Ruination be thy name / My Heart is leaving here / Blackest of Times / Grey Farewell / This Mania
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Reviews: „From Gold to Ash“ / „Of Woe and Wounds“ / Hammer of Doom XI (2016)
ERIC CLAYTON AND THE NINE
Karma. Schicksal. Was-auch-immer. Im Vorfeld plant man ja so seinen Festival-Verlauf und ich dachte mir bei ERIC CLAYTON AND THE NINE, dass ich da mal gepflegt was anderes machen kann; trinken oder einkaufen oder so. Ein Sänger, der mal eine wichtige Band hatte, mit der ich mich aber nur am Rande beschäftigt hatte, tritt mit anderen Musikern auf und zockt seine alten Songs. Ja, ich gebe zu, das hat mich nicht besonders angemacht und im Vorfeld habe ich mich auch nicht mit der Band beschäftigt. Aber dann …
Ich weiß gar nicht, wie ich es sagen soll und ich bin mir sicher, dass Worte es kaum so beschreiben können, wie es war; aber ich will es mal versuchen. Für mich war der Gig unglaublich! Ich habe nichts erwartet und alles bekommen, was man sich von Musik wünschen kann. Eric Claytons Stimme ist phänomenal (was für viele von euch nichts Neues sein dürfte) und sie schwebt durch den Raum und sucht sich das schwächste Glied in der Supporter-Kette. Mich. Dann packt sie meine Seele, tritt sie wegen meiner vorangegangen Ignoranz in den Arsch, streichelt und wärmt sie und ehe ich mich versehe bin ich so gerührt, dass ich erst mal vor mich hinheule. Wir reden nicht über einen Nervenzusammenbruch, Depression oder Trauer … wir sprechen von der Schönheit, der Wahrhaftigkeit der Musik an sich! Ich hoffe, dass jeder schon einmal eine solche Erfahrung machen durfte, denn das ist das höchste, was Kunst zu erreichen in der Lage ist und so etwas passiert nicht sehr häufig, aber die Intensität der Band und der Songs ist schlichtweg überwältigend!
Liegt es an der Songsauswahl, die ich als beinahe obskur empfinde? Wunderschöne Klassiker wie „Helter Skelter“ (THE BEATLES), „Five Years“ (DAVID BOWIE), das unglaubliche „Perfect Day“ (LOU REED) oder „I shall be released“ (BOB DYLAN) werden in großartigen Interpretationen dargeboten, dass es mir die Sprache verschlägt. Und auch wenn das Songmaterial nominell nicht zu einem Doom-Festival zu passen scheint, passt es dennoch perfekt, denn es ist die kräftige, voluminöse Stimme Erics und vor allem seine Band, die mit ihrer Spielfreude und Virtuosität das Niveau in neue Sphären hebt, lösen etwas in mir aus. Dazu kommen noch Songs von SAVIOUR MACHINE, die mir zeigen, dass ich in den letzten Jahren definitiv etwas verpasst habe und es gibt keine Note, keinen Song, welche mich bei diesem Auftritt nicht berührt hätte.
Natürlich spielt auch die altbekannte Maske aus SAVIOUR MACHINE-Tagen eine kleine Rolle und die Theatralik und Intensität der Performance (für die ich ausdrücklich die gesamte Band lobend erwähnen muss!) war für mich nicht weniger, als eine wahrhaft spirituelle Erfahrung.
Songs (laut Setlist): Intro / Helter Skelter / Christians & Lunatics / Enter the Idol / Killer / Five Years / Breaking Glass / The Mask / Son of the Rain / Ascension of Heroes / Perfect Day / I shall be released / Lover never dies / Carnival of Souls / Legion
Facebook ERIC CLAYTON AND THE NINE
WHILE HEAVEN WEPT
Heute Abend verabschiedet sich das „Vast Oceans Lachrymose“-Line Up, welches so wahrscheinlich (never say never) nie mehr gemeinsam auftreten wird und WHILE HEAVEN WEPT waren 2013 zuletzt Gast auf dem Hammer of Doom und damals inspirierten sie mich zu der Überschrift: „Der perfekte Moment“ und in diesem Jahr überraschten sie mich auf Facebook mit einem Post, in dem sinngemäß stand, dass sie sich für die freie Zeit zwischen den Gigs sehr über die Gesellschaft der Fans freuen würden, um zu quatschen und Zeit zu verbringen. Das ist irgendwie extrem cool.
Aber der perfekte Moment geht in diesem Jahr an ERIC CLAYTON AND THE NINE und die emotionale Aufgewühltheit, die der Gig bei mir hinterlassen hat und die in mir noch bis heute nachklingt, verhindert meine 100%ige Hingebung an WHILE HEAVEN WEPT.
Mehrere Ansagen unterstreichen die Hingebung und die Dankbarkeit, die die Band ihren Fans gegenüber empfindet. Dabei dürfen wir vor der Bühne dankbar sein, dass die Band einen unglaublich intensiven Gig spielt, der alte und neue Fans durchaus zu begeistern weiß. Es tut mir wirklich leid, denn gerade eine Fan-freundliche Band wie WHILE HEAVEN WEPT hat viel mehr Professionalität meinerseits verdient, aber ich habe eine gute Entschuldigung, wie ich finde, denn für den Rest des Abends bin ich verwirrt (nicht betrunken).
Facebook WHILE HEAVEN WEPT
Review: Hammer of Doom VIII (2013)
Der Samstag beginnt gleich mit drei Pflichtauftritten für mich, was mich aktiv daran hindert, meinen Kater zu pflegen und in Ruhe Mittag zu essen. Frechheit. Aber es soll sich lohnen.
SMOULDER
Den ersten Auftritt des Tages dürfen SMOULDER absolvieren. Extra aus Toronto und den USA eingeflogen und mit nur einem Demo im Gepäck hat man die Organisatoren und viele Fans überzeugt, sie auf das Billing zu nehmen, was beweist, wie dicht am Untergrund sich die Veranstalter bewegen. Und die zahlreichen Zuschauer, die sich zur besten Mittagszeit vor der Bühne versammeln, beweisen, dass sie auch früh am Tage Geschmack haben.
Der epische Metal trifft voll ins Schwarze und es dürfte lediglich eine Frage der Zeit sein, bis ein rennomiertes Label die Band unter Vertrag nimmt. Den meisten Fans vor der Bühne sind sicher nicht einmal die Demo-Songs bekannt und darüber hinaus spielt die Band noch drei weitere Songs, die das Level des Demos locker halten können. Da dürfen wir uns auf einen echten Knaller freuen, wenn irgendwann ein ganzes Album erscheint. Die Band um die agile Sängerin Sarah Ann zockt einen grundsoliden Gig und sie selbst ist mit so viel Leidenschaft dabei, dass es eine Wonne ist, sie zu beobachten.
Kaum verwunderlich ist die Tatsache, dass die 7“-Single, die zwei Songs des Demos enthält, ziemlich zügig ausverkauft ist.
Songs (laut Setlist): Voyage of the Sun Chaser / Sisterhood / The Sword Woman / The Queen is gone / Black Gods Kiss / Illian
Facebook SMOULDER
OLD MOTHER HELL
OLD MOTHER HELL sind auf das Billing aufgrund des Arschloch-Verhaltens von Dale Flood gerutscht, der den Auftritt von UNORTHODOX kurzerhand abgesagt hat, wodurch die Veranstalter einen schönen Batzen Geld verloren haben dürften. Shame on you, motherfucker.
Gewonnen haben aber die Fans von OLD MOTHER HELL, denn wenn ein solch starkes, episches Album mit solch einer Freude und Spaß dargeboten wird, gibt es keinen Grund, die Band nicht nach allen Regeln der Kunst abzufeiern und ich muss mich ab und zu umschauen, als die Beifallsbekundungen zwischen den Songs aufbranden. Nein, hab mich nicht verhört: die zahlreichen Fans finden den Auftritt mindestens so gut wie ich und geben dem Trio das auch eindeutig zu verstehen.
Dass der Drummer erst wenige Gigs mit ihnen gezockt hat, merkt man zu keiner Sekunde und sowohl Sänger / Gitarrist Bernd, als auch Bassist René strahlen um die Wette, während der Sound so richtig perfekt aus den Boxen dröhnt; die Fotografen freuen sich darüber hinaus über tolles Licht zum Fotografieren.
Verdammt, aber hier passt einfache alles! Der Auftritt ist absolut top und OLD MOTHER HELL ist eine der Bands, die ich liebend gerne mal in einem kleineren Rahmen live erleben möchte. Nicht umsonst habe ich ihnen im Februar eine Empfehlung für ihr Album reingedrückt und schiebe nun auch noch die Liveempfehlung hinterher.
Songs (laut Setlist): Another War / Mountain / Narcotic Overthrow / Howling Wolves / Kneel to no god / Old Mother Hell
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Review: „Old Mother Hell„
DAWN OF WINTER
Mein Lieblingsfund in einem Second Hand-Plattenladen war vor zwei Jahren die „Slow is the suffering“-EP, die seitdem regelmäßig ihre Runden dreht und das neue Album „Pray for Doom“ ist der Burner und hat mir wochenlang Ohrwürmer beschert. Kein Scheiß, auf der Arbeit habe ich ständig die Melodien vor mich hingeträllert; den einen Tag war es „Dream within a Dream“, am anderen wurde es „Thirteenth of November“ … Ich würde es aber mal als Qualitätsprädikat werten, da es endlich mal Ohrwürmer waren, die geil sind, auch wenn man nach zehn Stunden „Dauerohrwurm“ trotzdem etwas merkwürdig werden kann.
Aber genug geschwätzt. DAWN OF WINTER sind und bleiben geil. Auch wenn der heutige Auftritt nicht in die Rubrik „Wunschkonzert“ passt, ist er grandios. Da ich, ich habe es bereits ganz dezent angedeutet, noch akut und schwer verliebt in „Pray for Doom“ bin, hätte ich mir noch viel mehr Songs von dem Album gewünscht (u.a. natürlich „Thirteenth of November“ wegen der Ohrwurmauffrischung), aber welchen Song hätte die Band weglassen sollen, nur um meine Sucht zu befriedigen? Keine Ahnung. Beweist es doch aber, dass DAWN OF WINTER zukünftig immer und überall zweieinhalb Stunden zocken sollten. Mindestens.
Frontmann Gerrit lässt auch noch mal den SAINT VITUS-Gig Revue auf der 2014er Auflage des Hammer of Doom passieren, bei dem er aushelfen durfte und seine wahre Größe erkennt man daran, dass er zugibt, dass die Geschichte auch besser hätte erzählen werden können, da er zum Ende hin dezent den Faden verliert. Witzig und sympathisch ist es allemal und die Pointe war der Song „Titus Vanis“, der zur Huldigung von SAINT VITUS geschrieben wurde. Aber egal, welchen Song sie auch zocken: nicht wenige Besucher stellen fest, dass es endlich mal klassischen Doom auf die Ohren gibt. Sehe ich auch so und genieße den Gig einfach in vollen Zügen. Geil.
Songs (laut Setlist): Fallen Empire / Dagon’s Blood / Sweet Taste of Ruin / Oath of the Witch / Dream within a Dream / Titus Vanis / Music of Despair
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Review: „Pray for Doom„
HÄLLAS
Toll, es gibt diese Überraschungen, die das Leben lebenswert machen. Ich kannte den Namen HÄLLAS schon, hatte mir aber noch nichts von der Band angehört. Sobald die Band die Bühne betritt, wird mir aber klar, wer meine Zeitmaschine aus der Garage geklaut hat! Das schwedische Quartett hat sie mir gemopst und ist einmal quer durch die Zeit gereist! Der Sänger war beim Friseur von Prinz Eisenherz, die Bühnenklamotten und Schuhe haben sie Anfang der Siebziger bei QUEEN und T-REX aus der Garderobe entwendet und bei einem Abstecher in die New Yorker-Porno-Szene (ebenfalls in den Siebzigern), hat man sich den Schnurrbart abgeschaut; heißt ja nicht umsonst Pornobalken.
Und außerdem ersetzen HÄLLAS auf eine gewisse Art und Weise CRIPPLED BLACK PHOENIX aus dem letzten Jahr. Es ist die Band, bei der meine Yoko und ich uns angucken und nicken. Das heißt dann übersetzt so viel wie „Das fetzt, Baby“.
Die Musik der Band ist so wohltuend Retro, dass ich vor Wonne hüpfen möchte; Prog Rock, Proto Hard Rock, irgendwo zwischen URIAH HEEP und RUSH, mit einer Prise QUEEN, BLUE OYSTER CULT wird so gekonnt abgefeiert, dass mir mitunter die Kinnlade runterklappt. Allein die beiden Gitarristen Alexander und Marcus zu beobachten, die permanent Twin-Gitarrenläufe zocken, wäre das Eintrittsgeld wert gewesen. Dazu kommt Sänger Tommy, der immer wieder mit dicken Backen pustet, als wäre er Marathon gelaufen und gerade zu Beginn des Gigs ständig was kaut. Energieriegel können es nicht sein, denn wenn er die kauen würde, bekämen die erst ihre Energie. Wie man eine Orgel aka Keyboard richtig einsetzt beweist Nicklas, der ihr großartige Sounds entlockt, was den gesamten Bandsound sehr aufwertet. Die Songs fetzen ohne Ende und besonders den Spoken Words-Part setzt Tommy so verdammt gut in Szene. Das war ein absolut begeisternder Auftritt!
Tja, was soll ich sagen? Nach dem famosen und inspirierenden HÄLLAS-Gig wird es für mich Zeit, uns von der AfD zu befreien und den Weltfrieden auf Kurs zu bringen. Dazu muss ich allerdings mein Superheldencape überwerfen, welches ich im Hotel abgelegt habe. Dort angekommen lege ich mich kurz auf’s Bett und warte bis das Badezimmer frei ist und wache um 20:15 Uhr wieder auf.
Ich bin mir nicht so sicher, was ich schlimmer finde: dass es die AfD noch gibt, den Weltfrieden hingegen noch nicht oder dass ich es geschafft habe, dank meiner Superheldenkraft (spontanes Einschlafen in jeder Situation) PALE DIVINE, STILLBORN und SORCERER zu verpassen. Kaum auszudenken, was geschehen wäre, wenn ich meinen Superhelden(schlaf)anzug angezogen hätte!
Aber wenigstens habe ich dank des ausgiebigen Powernappings ordentlich Kraft, um mir die beiden letzten Bands des Abends ausgeruht anzuschauen.
BATUSHKA
BATUSHKA haben echt die Ruhe weg. Die Umbaupause wird mal dezent um zwanzig Minuten überzogen, aber die Kirche, die man auf dem Weg nach Würzburg geplündert hat, muss ja auch erstmal wieder aufgebaut werden. Es ist erstaunlich, wie viel Inventar die Band auf die Bühne bringt und im Großen und Ganzen kann man von dieser Art von Dekoration halten, was man will: heute Abend ist es wirklich passend. Ich steh drauf, wenn auch das Auge etwas geboten bekommt und wenn dann auch noch das Ohr zu seinem Recht kommt, ist es auch gerechtfertigt. Nach so vielen T-Shirt und Jeans-Bands (ausdrücklich werden HÄLLAS davon ausgenommen), tut ein kleiner Overkill an Firlefanz und Mummenschanz richtig gut.
Während des (ziemlich geilen) Intros werden in aller Ruhe die zahlreichen Kerzen entzündet und so langsam dämmert es mir, warum viele Leute in die Kirche gehen. Entschleunigung. Die Atmosphäre ist in der Tat sakral und unheimlich zugleich, denn man weiß ja nicht, ob sich sich jemanden aus dem Fotograben schnappen und an das nicht-vorhandene Kreuz nageln, gelle?!
Die acht Musiker verteilen sich auf der Bühne. Der Drumriser muss an die Seite verschoben werden, die PA steht im Bühnengraben; im Hintergrund stehen Bassist und Gitarrist, während der aus drei Mitgliedern bestehende Chor auf einer Bank Platz nimmt; am Bühnenrand stehen der Sänger hinter seiner Kanzel und ein weiterer Gitarrist und zack ist die Bühne wirklich gut gefüllt.
Musikalisch gibt es eine Black Metal-Vollbedienung, aber von der Atmosphäre her ist die Band auf dem Hammer of Doom absolut goldrichtig. Das Besondere an der Musik von BATUSHKA ist ganz eindeutig der variable Black Metal, der mit einigen spannenden Breaks aufwarten kann, über schleppende Parts und wilde Raserei verfügt. Die Protagonisten auf der Bühne stehen allerdings still und diese augenscheinliche Diskrepanz macht den ganzen Auftritt richtig spannend. Stark ist auch der Einsatz der Backingvocals / Chöre, die dem harschen Sound immer die sakrale Note verleihen, die man der Optik schuldet.
Auch sonst wird mit Riten um sich geworfen; man bekreuzigt sich, segnet das Publikum mit Weihwasser (hoffentlich war es Weihwasser und nichts anderes), hält Ikonen in die Luft und begeht diesen Gottesdienst mit Ruhe und Andacht inmitten eines musikalischen Chaos. Wäre die Musik nicht so gut, würde man sich aufgrund des Aufwandes stehenden Fußes der Lächerlichkeit preisgeben, aber hier gehen Musik, Optik und Anspruch absolut Hand in Hand. Stark!
COVEN
Letztes Jahr hatten wir sehr viele „alte“ Bands am Start und dieses Jahr eine ganz besondere: COVEN. Eine Legende mit Kultstatus und den sozialen Medien zufolge hat Oliver Weinsheimer schon länger versucht, die Band auf das Festival zu holen und endlich hat es geklappt.
Heutzutage mag es ein alter Hut sein, griffige Rockmusik mit satanischen Texten zu zelebrieren, aber 1969 wird das eine Menge Staub aufgewirbelt haben, mein lieber Scholli! Nicht umsonst hatten sie auf ihrem Debütalbum eine 13minütige „Satanic Mass“ … Über die Gegebenheiten, dass sie einen Songs namens „Black Sabbath“ am Start haben und Oz Osbourne den Bass zupfte könnt ihr euch in den Weiten des world-wide-webs informieren.
Heute Abend steigt eine geile Sause zu Ehren des Teufels in der Posthalle. Zu Beginn des Sets schreitet Jinx Dawson aus einem Sarg und die Party geht los. Ja, irgendwie ist es eine geile 60’s / 70’s Rockparty; die Songs sind schmissig und ich spüre, wie mein Tanzbein sich regt (aber ich bin ja auch ausgeschlafen).
Es macht absolut Spaß, die Band zu erleben und Jinx ist wirklich exzellent bei Stimme. Alter ist für sie keine Frage (generell ist Alter nie eine Frage für eine Dame, lasst euch das gesagt sein), aber sie hat eine tolle Stimme und sichtlich viel Spaß auf der Bühne. Sie animiert die Fans zum Mitsingen und die Knallersongs des Abends, die überwiegend von Debüt stammen werden absolut großartig gespielt.Es klingt nicht alles so luftig, wie auf der LP Anno 1969 und eine kleine Portion Härte hat über die Jahrzehnte Einzug gehalten, aber man zollt den Songs den entsprechenden Tribut, den sie verdienen und das klingt ganz hervorragend. Wer Roky Erickson zu seinen Faves zählt, wird auch mit COVEN glücklich, glaubt mir!
Schade, dass die Band ihre Spielzeit nicht komplett ausschöpft, denn trotz der Verspätung ist man um kurz vor Mitternacht fertig und macht den Sargdeckel zu.
Songs (laut Setlist): Intro / Out of Luck / Black Sabbath / Coven in Charing Cross / White Witch of Rose Hall / Wicked Woman / The Crematory / Choke, Thirst, Die / Black Swan / Dignitaries of Hell / F.U.C.K. / Epitaph / Blood on the Snow
Facebook COVEN
Tja, was bleibt, ist ein Festival, bei dem es (mal wieder) nicht eine Band gab, die ich unter „geht so“ verbuchen muss, sondern das handverlesene Billing war von der ersten bis zur letzten Band extrem stark (gilt natürlich nur für die von mir gesehenen).
Dazu kommt die gleiche, ernstgemeinte, aufrichtige und ganz herzliche Lobhudelei wie jedes Jahr, denn die Mannschaft hat ein Festival etabliert, bei dem man sich wohlfühlen muss.
Es war toll, einige tolle Leute getroffen zu haben (Daumen hoch für die Berliner Strolche und Sorry an David und Maren für mein trunken‘ Geschwafel) und schade, dass ich einige Leute zwar gesehen, aber nicht angesprochen habe. Wir sehen uns im nächsten Jahr! (chris)