EMPFEHLUNG, REVIEW

DER HIMMEL ÜBER BERLIN „Shadowdancers“ (Gothic Rock/Dark Wave)

DER HIMMEL ÜBER BERLIN

„Shadowdancers“
(Gothic Rock/Dark Wave)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 15.09.2014

Label: Music obscure

Webseite: facebook

Das Zweitwerk der Italiener (benannt nach dem gleichnamigen Wim Wenders Film) überzeugt mit einer ganz eigenen Atmosphäre. Es ist eher die Melancholie, als die destruktive Darkness, die dem Hörer die Schwärze des dunklen Rocks näher bringt. Die Architektur der einzelnen Stücke ist geprägt vom 80er Jahre Wave und bietet neben geradlinigen, teils verträumten Exkursionen auch die verschnörkelte Seite des Genres auf. Dazu gesellen sich filigran gespielte Instrumente, die sich in ihrer Harmonie durchaus auch mal der Minimalistik hingeben. Wie bei vielen anderen Bands vom Stiefel, verstehen es auch DHÜB ein wenig Ambient in die Stücke zu integrieren und damit eine sphärische Elegie zu erzeugen.

Ein gewaltiger Opener ergießt sich mit „Hyde“ in die Ohren. Eruptives Riffing, krachiges Schlagzeug, verspielte Bässe und ein latent wilder und rauer Gesang bestimmen dieses kurz und knackig gehaltene Intermezzo. „Alone in my room“ (Ein Song über die Mutation der Zweisamkeit zur Einsamkeit) beherrscht ebenso diese treibende Seite des Goth Rocks, wobei man anfangs an Sisters erinnert wird, um wenig später, aufgrund des dunklen, kratzigen Timbres in Tors of Dartmoor Gefilden zu wandern. Flirrende Saiten treffen in „shadowdancer“ auf gradlinige Drums, während der Bass die verträumte Seite dem exzessiven Treiben unterschiebt. Der Gesang wird cleaner und klingt in diesem Up Tempo Stück wie die eines Verfolgten. Insgesamt gibt man sich hier sehr clubtauglich, während in „don’t take me home tonight“ die dunklen Klangspektren herrschen. Hier erinnert man an Cure zur Pornography Zeit. Der neue Sänger Teeno zeigt sich insgesamt sehr wandlungsfähig und belegt seine Stimmbänder hier mit einem samtenen Trauerflor, wobei er sich zum Erzähler entwickelt, der auf betörender akustischer Grundlage den Hörer in seinen Bann zieht. Ein soundtrackartiger Mittelteil könnte so auch in „The Crow“ die Szenerie akustisch unterlegt haben. Wenn man die fein austarierte Melodielinie betrachtet, erkennt man dezente Pop Attitüden, welche dem Stück etwas anziehend warmes überstülpen. Der wärmende Mantel des Cold Waves, so in etwa die Sinneswahrnehmung. Das sich ein dramaturgisch geschickter Aufbau in den über 5 Minuten wiedererkennen lässt, liefert den perfekten Übergang in das getragene Instrumentalstück „spit it out“. So hätte Morricone den Abspann von „The Crow“ unterlegt. Wobei insgesamt die cineastische Komponente, passend zum Bandnamen, die akustische Variante des Film Noir darstellt.

Zunächst holen uns bei „with some leeway“ die Drums aus Tagträumereien. Das Intro baut sich langsam auf, wildes Gelächter dringt aus dem Keller. Der Gesang dringt mit feingerifften Saiten in die Szenerie, deren gradliniger Wall of Sound mit weichen Melodien unterlegt wird, von überraschenden Breaks unterbrochen wird und wieder zurück kehrt, in einen morbiden Reigen, dessen bedrohliche Stimmung langsam kriechend den Hörer betört. „Something in The Dark“ ist mit düsteren Pop Klängen untermalt, die mich an ganz frühe Pulp erinnern. Teeno’s Stimme variiert hier erneut und klingt wie die tiefere Variante von Ric Ocasek.

Eine wunderschöne, düstere Ballade („falling down“) beendet dieses harmonische Werk. Rein von der verbreiteten Stimmung her, würde es perfekt auf das „Faith“-Album von The Cure passen. Mich begeistert erneut das instrumentale Zusammenspiel (David Simeon- Gitarre; Stefano Bradaschia- Bass; Riccardo Zamolo- Drums), dessen elegische Darbietung von ästhetischen Liebreiz umgeben ist.

Fazit: Das italienische Quartett begeistert mit einer perfekten Balance aus Energie und Melancholie. Die Songs besitzen allesamt so etwas, wie ein schwarzes Herz. Mal schlägt es samt, mal verträumt, mal traditionell Gothrock mäßig. Mit „don’t take me home tonight“ besitzt dieses grandiose Werk einen der schönsten (traurigsten) Dark Wave Songs der letzten Jahre. Hier stimmt alles: Perfekte Atmosphäre, Verspieltheit, Trauer, Dramaturgie, Gesangslinien samt Stimmfarbe. Wobei jeder Song für sich ein Kleinod des düsteren Genres darstellt, während das Gesamtkonstrukt von selten gehörter, in sich geschlossener Stimmigkeit geprägt ist. Die Ohren können sich sowohl beim oberflächlichen Hören, als auch beim tiefer gehenden Genuss, samt Entdeckung der unterschiedlichen Komponenten, immer sicher sein, einem großartigen akustischen Schauspiel zu folgen. (andreas)