REVIEW

LISAWARS „Auf Messers Schneide“ (Dark Punk/Wave)

LISAWARS

„Auf Messers Schneide“
(Dark Punk/Wave)

Wertung: Gut+

VÖ: 11.04.2014

Label: Cold Insanity Music

Webseite: Homepage / Facebook

„Der Bandname hört sich an, wie eine Ausrede von Bart Simpson“ (Sonic Seducer Anfang dieses Jahrtausends). Der Interpretationsfreude eines Rezensenten ist es zu verdanken, dass mir die Band seit dem irgendwie im Gedächtnis blieb. Mit der Review zu „Auf Messers Schneide“ soll nun endlich der weiße LisaWars-Fleck im Amboss-Mag getilgt werden.

Faktencheck: Das Duo aus Sachsen fand 2002 zusammen und veröffentlichte in Eigenregie bereits 8 Demo CDs. Es besteht aus Jens (Keyboard, Synthesizer), Micha (Gitarre, Gesang) und wird ergänzt durch die Drummaschine Gustav.

Die Musik: In den 80ern hätte man es sich einfach gemacht: Stempel NDW drauf und gut. Da Vereinfachungen nur in der Mathematik schnell zu einem sinnvollen Ergebnis führen, muss man bei LisaWars doch etwas komplexer an die Sache gehen. Zunächst erscheinen die dunkel-minimalistischen Kompositionen wie eine Melange aus Fehlfarben, Grauzone und EA 80. Hinzu kommen aber gothrockige Anteile, die irgendwie Pink turns blues „if two worlds Kiss“ und „Phönix“ verbinden. Anhand einer schrägen Komposition mitsamt verspielten Synths gibt es Anleihen beim Batcave (die früher etwas stärker zum Vorschein kamen). Der Gesang ist sehr eigen, etwa so als hätten sich irgendwann in der Vergangenheit die Stimmbänder von Grönemeyer und Bowie gepaart und dann mit Blixa Bargeld alte französische Chansons gesungen.

Das Album: Die 8 Stücke von „Auf Messers Schneide“ sind kleine dunkle Lieder, die sich anekdotischen Gedankenspielen hingeben und als instrumentales Grundgerüst einen melancholischen und darkwavigen Sound besitzen. Der schräge architektonische Aufbau besitzt, trotz minimalistischer Strukturen, eine galant erzeugte Melodielinie, die sich mal zur Einheit, mal zur Dissonanz mit der Stimme hinreißen lässt. Der kurze aber prägnante Opener „Zwanziguhrfünfzehn“ mit seiner grazilen Eruption „Weltuntergang“ liefert natürlich gerade in Deutschland viele Assoziationsmöglichkeiten (nach der Tagesschau ist vor dem Tatort….. und das Wetter… Kinder ins Bett…. Carmen Nebel begrüßt den Grafen). Im folgenden „einszweidreivier“ werden die Uhren wieder zurückgestellt. Der musikalische Uhrmacher spaziert auf einem darkigen Untergrund, dessen abgedrehte Komponente der synthetische Krach ist. Die Sezierung der Harmonie kompensiert sich in einer leichtgängigen Melodie, dessen dadaistische Ästhetik von der Brust des Punks genährt wird. „du tanzt“ besitzt einen betörenden Refrain und zielführende Strophen. Micha gelingt es, gerade im Chorus seiner Stimme einen Klang zu verpassen, dessen Stilmittel dem eines Instruments gleicht. Wie bereits im Opener gibt es auch in „wir sind die Nacht“ immer wieder eingeflochtene Schreiattacken. Diese Ausuferungen besitzen latente Anwandlungen des frühen Deutschpunks (Slime, Toxoplasma, Urlaub im Rollstuhl usw.), auch weil die Saiten dann und wann neben Shoegaze auch mal die reine Härte offerieren. Die melancholische Seite des Duos offenbart das ruhig inszenierte Stillleben „auf einer Bank“. Diese Stimmungslage behält man auch im schwermütigen Schlußstück „Herbsttage“.

Fazit: Eine 22-minütige (Zeit)Reise durch schräge Soundkreationen, aphoristische Wortspielereien, verworrener Elektronik, dramatischen Wave und verführerischen Dark Punk. (andreas)