INTERVIEW, TOP THEMA

NEW-METAL-MEDIA :: Erfolgreiche Seite zum Thema Metal und Behinderung


Hallo…
…erst mal möchte ich Dir/Euch sagen, dass ich von Eurer Seite www.new-metal-media.de begeistert bin. Ich selbst bin nicht behindert, arbeite aber seit vielen Jahren mit und an behinderten Menschen. Metal begleitet mich ebenfalls seit vielen Jahren. Ergo ist das Thema Metal und Behinderung für mich doppelt interessant… 🙂
(jini)

 

Bitte stell Dich doch kurz vor und erläutere unseren Lesern, wie genau Du auf die Idee zur Gestaltung Deiner Website gekommen bist.

Die Idee zur Seite ist aus der Not heraus geboren worden. Es gibt im Netz jede Menge Seiten zum Thema Metal und auch zum Thema Behinderung, aber leider gab es keine Seite, die beides verbunden hätte. Ich wollte nach langer Abstinenz wieder ein Konzert besuchen, doch die Informationen, die ich brauchte, habe ich nirgends gefunden. Deshalb habe ich dann die ersten Bands angeschrieben und bekam eine riesige Resonanz. Das Thema wollte ich dann auf einer kleinen Homepage aufgreifen, um andere Behinderte darüber zu informieren. Ich hatte schon im ersten Monat mehr als 1000 Besucher auf der Seite, sodass ich dann weiter gemacht habe. Nach und nach kamen immer neue Bereiche wie die Locations, die Festivals und die Interviews dazu und nun gibt es uns schon ein Jahr. Mittlerweile mache ich new-metal-media auch nicht mehr alleine sondern es sind noch einige Mitstreiter hinzugekommen.

 

Welches Feedback bekommst Du im Allgemeinen und im Speziellen von betroffenen und nicht betroffenen Metalheads und auch Außenstehenden?

Dass mit dem Feedback ist so eine Sache, am Anfang gab es sehr viele positive Rückmeldungen und ich wurde immer wieder ermuntert, mit dem Thema weiterzumachen, leider gab es auch viel negatives wie Beschimpfungen oder den gut gemeinten Ratschlag, ich solle das Ganze doch sein lassen, da Behinderte im Metal nichts zu suchen hätten. Die meisten Beschimpfungen kamen anonym, da sieht man dann gleich, wie sehr diejenigen hinter ihrer Meinung stehen. Heute ist es durchwachsen, wir bekommen von anderen Behinderten hin und wieder Tipps für unsere Locations oder Anfragen ob und wie man Konzerte und Festivals besuchen kann. Diese versuchen wir dann immer nach bestem Wissen zu beantworten.

 

Wie empfindest Du den Umgang von nicht behinderten Menschen mit Menschen, die ein Handicap haben im Allgemeinen?

Leider ist es so, dass Behinderung kein wirkliches Thema in Deutschland ist. Viele haben Berührungsängste und wissen nicht wie sie mit Behinderten umgehen sollen. Dies ist nicht nur im Metalbereich so sondern auch im Alltag.

Patrick: Das ist echt traurig wir sind im 21 Jahrhundert und es läuft hier wie im Mittelalter ab. Kam ein behindertes Kind auf die Welt, war es die Ausgeburt der Hölle und die Mutter wurde als Hexe verfolgt. So viele Menschen haben/kriegen keinen Job, weil sie im Rollstuhl sitzen oder andersweit eingeschränkt sind. Die Gesellschaft soll endlich ihre Scheinheiligkeit ablegen. Gegen Menschenfeindlichkeit /Rassismus protestieren, da so etwas nicht tragbar ist, aber selbst nicht mit behinderten Menschen klarkommen… hallo?

 

Wie empfindest Du diesen o.g. Umgang im Speziellen auf Konzerten/Festivals?

Es ist wie überall im Leben, es gibt verschiedene Menschen und die treffen auf Festivals und Konzerten aufeinander. Es kommt immer darauf an, wie der Einzelne mit dem Thema Behinderung umgeht, bzw. welche Erfahrungen er mit Behinderten gemacht hat. Die meisten Festivals und Konzerte laufen aber ohne Probleme ab, da gerade im Metal-Bereich eine Offenheit herrscht die es sonst kaum so gibt.

 

Gibt es Berührungsängste, Anfeindungen oder eher Hilfsbereitschaft und Offenheit?

Das kommt auf die Behinderung drauf an, es gibt ja körperlich gehandicapte Menschen, dann geistig Behinderte und eben auch psychisch Behinderte. Ich zähle zu den psychische Behinderten und muss sagen, dass man mir meine Behinderung ja nicht ansieht, das heißt viele Menschen reagieren gereizt oder aggressiv auf psychisch Kranke. Im Allgemeinen werden solche Erkrankungen mit geistig minderbemittelt gleichgesetzt, was natürlich nicht stimmt. Ich habe aber auch positive Erfahrungen gemacht und konnte sowohl Bands als auch Veranstalter von meinem Anliegen überzeugen. Und die meisten Menschen, die mich näher kennen lernen, haben im Nachhinein keine Probleme mehr mit meiner Erkrankung.

Patrick: Nun, bei mir bemerkt man meine Behinderung nicht auf Anhieb oder sogar gar nicht. Was ich halt bisher sehr oft erlebt habe, durch meine ganze Chemo-Geschichte sind meine Haare an gewissen stellen sehr dünn, da musste ich mir schon oft anhören, „hast ja keine Haare mehr auf dem Kopf, schäm dich“ oder fallen dir die Haare aus? Das ist dann schon wirklich kränkend und ich hatte bisher nie die Kraft, Paroli zu bieten. Seitdem trage ich auch meistens ein Kopftuch oder eine Kappe. Um nochmal auf die Sache, dass man mir meine Behinderung nicht ansieht, zuurück zukommen: ich war bei Sodom und da habe ich mir einen Barhocker geben lassen und klar, man kann nicht den ganzen Abend drauf achten, jedenfalls kam ich von der Toilette wieder, da hatte sich einer drauf gesetzt und als ich dann wieder drauf saß, hat er gemeckert, dass ich ihm dem Platz genommen, da habe ich ihm erklärt, dass ich eine Gehbehinderung hätte und nicht lange stehen könnte und da war es in Ordnung,. Sowas ist natürlich super. Nun, was Anfeindungen angeht, das geringste war, wenn ich in Gästebücher Werbung für uns machte und dann zurück kam „was soll ich damit?“, aber das heftigste, was ich in der Beziehung erlebt habe, war der Satz „Also wieso werden da überhaupt Unterschiede gemacht?“, wenn sollte jeder gleiches Recht haben. Und da fragt man sich, ob es die Leute nicht verdient haben, behindert zu sein.

Aus eigener Erfahrung in meiner Arbeit weiß ich, dass es zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen oftmals eine große Kluft aus Unsicherheit, Unwissenheit und Befangenheit gibt. Hast Du evtl. einen Ratschlag, wie Menschen ohne Handicap auf Menschen mit Handicap zugehen sollten? Wie reagiere ich zum Beispiel, wenn ich einen behinderten Menschen sehe, mir aber nicht sicher bin, ob dieser Hilfe braucht? Darf ich einen behinderten Menschen einfach so auf seine Behinderung  ansprechen, weil ich zum Beispiel interessiert daran bin, wie dieser auf einem Festival/Konzert oder auch in seinem alltäglichen Leben zurecht kommt?

Das ist ganz einfach, gehe mit jedem Behinderten so um, wie du es auch für dich willst – und wenn du der Meinung bist, jemand sieht danach aus, als benötige er Hilfe, dann sprich ihn einfach an, das ist die einfachste Methode.

Patrick: Also ich finde, man sollte ganz unbefangen auf sie zugehen, habe ja auch einen Bekannten, der im Rollstuhl sitzt. Meiner Meinung nach sollte man nicht glotzen, da ich selber lange Zeit im Rollstuhl saß und ich fand es schrecklich, nur angegafft  zu werden. Besser ist es, die Leute an zusprechen, wenn man Fragen hat.

 

Jetzt einmal zu den Festivals im Konkreten. Ich selbst besuche seit Jahren verschiedene und habe da so mit meinen diversen Problemchen zu kämpfen. Als Mensch mit Handicap/Behinderung werden sicher noch schwerwiegendere Herausforderungen zu meistern sein. Bitte erzähl doch kurz, welche Hürden zu nehmen sind.

Bei Festivals ist es immer ein wenig schwierig, das zu verallgemeinern, es kommt immer auf die örtlichen Gegebenheiten an. Wenn es zum Beispiel keine befestigten Wege gibt, dann ist es sicherlich für Rollstuhlfahrer schwieriger, ohne Hilfe klar zukommen, als wenn es Strassen und feste Wege gibt. Dann sind nicht auf allen Festivals Rollstuhlpodeste vorhanden, aber wir weisen dann auf unserer Seite darauf hin. Dann heißt es eben, ein wenig Rücksicht zu nehmen. Auch behindertengerechte Toiletten sind leider nicht überall vorhanden und das, obwohl diese Dixies nicht teurer sind als die normalen.

Patrick: Nun, für Menschen im Rollstuhl/oder Gehbehindert ist zum einen wichtig, ob das gesamte Gelände problemlos zu meistern ist, sei es nun eine komplette Grünanlag,e wo es Schlaglöcher gibt, oder ob es bergauf und bergab geht. Dass es sanitäre Anlagen speziell für Rollstuhlfahrer gibt, da diese ja schlecht ein Dixieklo nutzen können. Schwierig ist es auch für Gehbehinderte (wie in meinen Fall, wo man es nicht sofort sehen kann), sic  in solchen Menschenmassen sich zu bewegen.

 

Wie reagieren die Festivalveranstalter auf Vorschläge zur behindertengerechteren Gestaltung des Geländes?

Die meisten reagieren durchweg positiv und nehmen solche Vorschläge gerne als Denkanstoss. Einige Festivals, mit denen wir in Kontakt stehen, planen sogar etwas für die Festivalsaison 2012 zu machen. Bei den großen Festivals braucht man sich eigentlich keine Sorgen machen, da diese auf Behinderte ganz gut eingerichtet sind.

Patrick: Also ich hatte mit dem Veranstaltern vom Metalfest, Barther Open Air und dem Party San gute Erfahrungen gemacht. Das Party San ist ja umgezogen und vom Ambiente nun wesentlich besser für alle Beteiligten. Wenn man den Anstoß gibt, dann geht es auch voran.
 

 

Wäre es einem Menschen mit Handicap möglich, ein Festival allein zu besuchen oder ist dieser auf Begleitung angewiesen (mal abgesehen davon, dass man eh nie so wirklich ganz allein auf ein Festival geht… mal so ganz theoretisch)?

Ganz theoretisch wäre das durchaus möglich, da es die Möglichkeit gibt, gesondert zu parken, also etwas dichter am Gelände, so verkürzt man schon die Wege. Einige Festivals bieten einen Zeltaufbauservice an, das heißt, man bucht das dazu und wenn man ankommt, dann ist das Zelt schon aufgebaut. Man bräuchte sich also nicht darum kümmern. Dann gibt es eben die Rollstuhlpodeste, auf denen man das Festival verfolgen könnte, wenn man nicht selber in der Masse stehen möchte. Viele Festivals bieten behindertengerechte Toiletten an, die zumeist dicht am Gelände sind oder direkt auf dem Campingground. Die Festivals, die wir nun besucht haben, haben zumeist Duschzelte, die ebenerdig sind oder eben Duschcontainer (leider sind diese nicht für Rollstuhlfahrer zu nutzen). Aber duschen ist ja kein Metal ;-). Und ich bin der Meinung, dass sich auf Festivals immer helfende Hände finden, sodass man eigentlich eh nie alleine ist.

Patrick: Es kommt auf die Behinderung an, also ich persönlich würde, wenn das Festival auf Behinderte eingestellt ist und mich stabil fühle, selbstverständlich hingehen, wobei es bei mir Tagesform abhängig ist.
 

 

Wie man auf Deiner/Eurer Seite lesen kann, scheinen die verschiedenen Festivals sich schon Gedanken darum gemacht zu haben, Menschen mit Handicap einen Festivalbesuch möglichst barrierefrei zu ermöglichen. Sehe ich das als nicht behinderter Mensch richtig oder gibt es schwerwiegenden Änderungsbedarf?

Bei großen Festivals ist es so, dass sich die Veranstalter schon im Vorfeld Gedanken gemacht haben oder ständig etwas verbessern. Bei kleinen Festivals muss sich noch ein wenig was ändern, aber die meisten Veranstalter haben da ein offenes Ohr.

 

Zum Schluß: Auf welchen Festivals kann/konnte man Dich/Euch denn dieses Jahr so antreffen? Ein kurzer Rückblick auf 2011 wäre toll..:)

Dieses Jahr haben wir nur 4 Festivals besucht. Angefangen haben wir mit dem Headbangers Open Air in Brande Hörnerkirchen. Beim Headbangers handelt es sich um ein kleines Festival mit etwa 1000 -1500 Besuchern. Gespielt wird zumeist Heavy Metal. Das Festival kann gerne von Behinderten besucht werden, da das Gelände durchaus für Rollstuhlfahrer geeignet ist.

Im August sind wir dann auf dem Wacken Open Air gewesen, dieses Open Air ist für mich ein Heimspiel, da ich dort in der Nähe wohne. Für Rollstuhlfahrer wird hier eine Menge getan, das fängt schon bei der Beschilderung an, dann gibt es Rollstuhlpodeste und eben besagte Dixies. Wacken ist etwas für Leute, die gerne 80.000 andere Besucher um sich haben, es ist also sehr voll.

Im August fand auch das Brutal Assault Festival in Tschechien statt. Fenrir und Mortiferus von Golgatha  waren für new-metal-media vor Ort und haben festgestellt, dass dieses Festival nichts für Behinderte tut. Wir werden in nächster Zeit Kontakt mit dem Veranstalter aufnehmen und mal sehen, ob wir da etwas bewegen können.

Unsere Judith war für uns auf dem Summerbreeze und hat sich dort umgesehen, aber wie es dort aussieht in Sachen Behinderung, kann ich leider noch nicht genau sagen, da ich zu diesem Zeitpunkt noch keinen Abschlußbericht habe. Trotz alledem muss ich den Veranstalter schon im Voraus loben, da dieser uns das ganze Jahr bei Fragen rund um das Summerbreeze unterstützt hat.

Patrick: Also dies Jahr war Festival technisch bei mir gar nichts machbar. Aber nächst Jahr werde ich auf jeden Fall beim Kings of Black Metalan zutreffen sein, dazu ist das Ragnarök geplant und gegebenenfalls das Party San, um mir einen Überblick über das neue Gelände zu machen..