WISBORG
„The Tragedy Of Seconds Gone““
(E-Dark Wave/Gothic Rock)
Wertung: Empfehlung!
VÖ: 27.04.2018
Label: Danse Macabre Records
Faktenscheck: Die Band aus Hannover besteht aus dem Duo Konstantin Michaely (Gitarre, Vocals, Keys, Synths, Programming) und Nikolas Eckstein (Gitarre, Banjo, Keys, Synths, Programming). Gegründet wurde Wisborg, die sich nach einer fiktiven Stadt aus den Film „Nosferatu“ von Murnau benannte, Mitte 2017. Mittlerweile hat man auch die ersten Live Auftritte (u.a. mit She Past away, Eden weint im Grab) erfolgreich absolviert und ist im Juni bei zwei Festivals in Hannover zu Gast.
Nicht nur der Name der Band lehnt sich an die düstere Stummfilm-Zeit der 20er Jahre an, auch das Artwork und die Musik sind geprägt von der morbiden Ästhetik, welche eher am Rande des „goldenen Jahrzehnts“ sein Dasein fristete. So herrscht im Gesamtkontext eine durchgehende Finsternis die atmosphärischen Klangspektren, ab und an unterbrochen von Synthpop/Elektronik Versätzen der 80er. Neben den songwriterischen Fähigkeiten überzeugt der voluminöse Gesang, welcher zudem mit seinen dunklen Stimmbandakrobatiken als perfekter Botschafter der Tragik fungiert.
Der Opener „seconds gone“ ist eher im Up-Tempo Bereich des Goth Rocks beheimatet, quasi das „Adrenochrome“ des Duos. Wobei hier nur dezent Erinnerungen an Sisters lebendig werden, vor allem durch die Visite von Dr. Avalanche. Wesentlich getragener geht es im folgenden „in the haze of a drunken hour“ zu. Ein balladeskes, fast hypnotisches Soundungetüm, voller sphärischer Momente. Straighte Riffs sezieren den romantisches Ruhepol und setzen geschickte Fixpunkte, während aus der Hintertür immer mehr Bombast in Szenerie transportiert wird. Ein implodieren im Chaos wäre möglich, aber hier lässt man dann doch im Endergebnis dem Stoiker die Oberhand. Für mich ein bißchen an Rodneys Cassandra Complex erinnert „becoming caligari“, ebenso dreckig, ebenso druckvoll und im Mark auch von einer melodischen Komponente getragen, deren Geschwindigkeitsrausch die schwarzen Tanztempel der Republik mit Vehemenz vom „Schritte gehen“ befreit. Die Lyrics zu „The sick Rose“ entstammen der Feder des verkannten Dichters William Blake (er blieb dann doch nicht der ewige Kupferstecher), der hier die problematische „Liebe“ zwischen Wurm und Rose beschrieb. Wisborg gelingt hier eine perfekte musikalische Umsetzung zwischen Intention des Dichters und der würdigen Schwere dunkler Interpretation. Galant eingefügt ein elektronisch knarzender Underground-Teppich.
Nach diesem Düster-Kracher fährt man das Tempo wieder zurück und kreiert das dysthymische „Desire“ mit wohligen Melodielinien aus dem Wave Pop Universum der 80er. Erneut glänzt der dunkle Gesang mit einer wuchtigen Darbietung, wobei er der betörenden Steigerung im späteren Verlauf eine unaufgeregte Krone aufsetzt. Ein auf dem ersten Ohr schepperndes, minimalistisches Kleinod mit Anklängen an die frühen Depeche Mode offeriert „Venus in Chains“. Zwischendrin sphärische, latent cineastische Klangspektren. Garniert wird das verspielte Teil mit weiblicher Stimme (Kiara Kazumi von Grausame Töchter) und überraschenden Gimmicks. „Temptation & Hesitation“ beginnt etwas schräg, hernach agieren die Saiten harsch und lassen eine progressive Note erkennen. Auch durch die vielfältigen Breaks ein schwer fassbarer, verwirrender Song. Das dunkle „Winter falls“ spielt mit der Harmonie, welche im Gesang manifestiert und im schwelgerischen Sound vollendet wird. Während der Beginn des Debüts gleich in die Vollen geht, lässt das Ende Platz für ein Outro, mit dem instrumentalen, pianoesken „awaking spring“.
Fazit: Die Jungs aus der niedersächsischen Landeshauptstadt überzeugen auf ihren Debüt mit einer explosiven Mischung zwischen Wave Pop, Goth Rock und dunklem E-Wave. Hinzugefügt ist eine kühle Ästhetik, welche die Songs sinnvoll ummantelt, wobei Letzteres eher, aber nicht nur die visuelle Umsetzung (Artwork, Videos) des Konzepts beschreibt. Texte zwischen Liebe, Sex, Tod und Vergänglichkeit setzen eine Mystik in Gang, welche geschickt in der Schwebe zwischen Metaphysik und Aufklärung das Dasein in einem Funken Surrealismus verwandelt. (andreas)