FILM+HÖRSPIEL

FILM „Die weiße Mafia“ (Thriller)

weisse-mafiaOriginaltitel: Bisturi – La Mafia Bianca

Produktion: Italien, 1973

DVD-Veröffentlichung: 29.01.2016

Wertung: gut

Regie: Luigi Zampa

FSK: 16

Darsteller: u.a. Enrico Maria Salerno, Senta Berger, Gabriele Ferzetti…

Genre: Thriller

Studio: filmArt

Inhalt:
Professor Valotti ist einer der führenden Ärzte auf dem Gebiet der Chirurgie. In seiner Nobelklinik werden nur reiche Patienten behandelt. Er führt eine genaue Kartei über jeden Patienten, in der die Vermögensverhältnisse und auch die privaten Gegebenheiten festgehalten sind. Doch das noble Bild trügt: Schlampereien werden vertuscht, Schwerkranke zu früh entlassen, hoffnungslose Fälle mit Tabletten vollgepumpt und ärztliche Kunstfehler fadenscheinig begründet. Als Valotti einen anonymen Brief erhält, in dem ihm ein ärztlicher Fehler, der den Tod eines Patienten zur Folge hatte, nachgewiesen wird, beschließt er sich vor den Augen der Welt mit einem Kartenhaus an Lügen zu rechtfertigen.

Für die vielen historisch interessierten Sozialversicherungsfachangestellten ist dieser Film eine wahre Wonne. Regen sich in Deutschland Millionen Versicherte über vergleichsweise geringe Zuzahlungsbeträge auf, anstatt das deutsche Gesundheitssystem zu feiern, hätten Sie mal in Italien in den 70ern leben sollen. Ein gut organisiertes Gesundheitssystem existiert nicht, sondern es regieren der Mammon und die Abrechnungswillkür. Genau aus diesem Ansatz hat es 1973 Luigi Zampa geschafft einen wahrlich unterhaltsamen Film zu machen, der die Missstände des damaligen Gesundheitssystems auf die große Leinwand zu bringen.

Professor Daniele Valotti ist ein vermeintlicher Gutmensch, denn er behandelt die Ärmsten der Armen gratis in seiner Praxis, aber den Preis dafür zahlen die wohlhabenden Patienten seiner Klinik, denen er willkürlich die Preise vorlegt und auch gerne mal erhöht, wenn er dadurch die Kosten einer zugesagten Operation für nicht wohlhabende amortisieren kann. Er ist penibel darauf bedacht, dass in seiner Klinik niemand stirbt und bevor das passiert, päppelt er die totkranken Patienten, die durch die Folgen von ärztlichen Behandlungsfehlern keine Chance mehr haben, auf, um sie zu entlassen; wohlwissend dass sie das nicht überleben werden. Sein speichelleckender Stab an Ärzten bewundert ihn und die Patienten halten ihn tatsächlich, wie damals durchaus weltweit üblich, für einen Halbgott in Weiß, aber es gibt auch die Menschen mit Gewissen: Dr. Giordani zerbricht an dem System und süffelt gerne mal einen und die Schwester (gespielt von Senta Berger) fühlt sich zu ihm hingezogen und versteht seine Qual.

Wie bei jedem Paten, mit einem ebensolchen möchte ich den Professor gerne vergleichen, ziehen aber auch dunkle Wolken auf: er wird mit seinen Behandlungsfehlern erpresst wird und auch die Steuerfahndung hat ein Auge auf ihn geworfen. Letzteres kann man mit ein wenig Schmiermittel wieder in Ordnung bringen, aber für die Abwehr des Erpressungsversuches zieht er andere Saiten auf und schreckt auch nicht vor einem Toten zurück.

Die schauspielerische Leistung ist sehr gut; mein persönliches Highlight ist die Szene, in der Professor Valotti und Dr. Giordani in einer Irrenanstalt spazieren gehen, die ist schon verdammt intensiv geraten. Bild und Ton dieser DVD sind dem Film und seinem Alter durchaus angemessen, das Booklet ist hervorragend und sonst erwartet den Käufer eine Trailershow und dem italienischen Kinotrailer.

Auch wenn bei diesem Film keine Schüsse fallen, keine Rasiermesser (sondern lediglich Skalpelle) gezückt werden und kein Kommissar einem Schurken auf den Fersen ist, hat Zampa es geschafft, einen wirklich spannenden Film zu drehen, der ganz hervorragend unterhält, einen interessanten Einblick in das Gesundheitssystem Italiens der 70er Jahre zulässt und vielleicht sogar zum Nachdenken über unser eigenes Gesundheitssystem anregt. Was damals willkürlich geschah, passiert heute mit staatlicher Genehmigung, wenn man bedenkt, dass die Ärzte in Deutschland mit teilweise fragwürdigen IGeL-Leistungen jährlich Milliarden nebenher verdienen und die Patienten teilweise falsch über Sinn und Unsinn dieser Untersuchungen aufklären und stattdessen lieber Angst verbreiten, wenn man eine dieser Behandlungen ablehnt. So wirklich weit weg sind wir Anno 2016 vom italienischen Gesundheitssystem vor der Reform im Jahre 1978 dann wohl doch nicht. (chris)