EMPFEHLUNG, REVIEW

CHRISTINE PLAYS VIOLA „Vacua“ (Dark Wave/Goth Rock)

CHRISTINE PLAYS VIOLA

„Vacua“
(Dark Wave/Goth Rock)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 14.05.2014

Label: Cold Insanity Music

Webseite: Bandcamp / Soundcloud / Facebook

2008 in Pratola Peligna (Italien) gegründet, folgten eine eigenproduzierte EP, zahlreiche Beiträge zu unterschiedlichen Samplern und das erste komplette Album „Innocent Awareness“ sowie als Zwischenstufe zum Zweitwerk „Vacua“ die 4-Track EP „Leocadia“. Dazu heimsten sie einige alternative Preise ein und entwickelten sich in verschiedenen Ländern zu Lieblingen der Kritiker. Fabrizio Giampietro (Gitarren, Synths, Programs), Massimo Ciampani (Gesang), Desio Presutti (Bass) und Daniel Palombizio (Schlagzeug, synths) spielen mit den verschiedensten düsteren Genres und formen selbige zu einer wundervollen Einheit, welche zwischen melancholischen Wave und tagträumerischen Darkpop pendelt. Trotz der dunklen Klangstrukturen behält sich das Album jene feinen Facetten, die sich schwarzromantisch auf dem nostalgischen Mehltau des Dark Waves legen.

„Vacua“ bedeutet Vakuum, Leere – Begriffe, welche man angesichts der Musik nicht braucht. Es ist eher die kühle Ästhetik, die den Gesamteindruck und die transportierten Stimmungen mit dem philosophischen Nihilismus (Texte, Lyrik) zusammen bringen könnten. Der Opener der Italiener „awakening the damned“ ist noch geprägt von einer ambient-artigen Atmosphäre, welche durchaus ein wenig in Richtung Folk Noir (Eine Trompete aus dem Hintergrund) tendiert. „Wrapped in spiral“ geht dagegen klar in Richtung Cold Wave mit charmanter curesken Note. Der Gesang startet verzweifelt, wird im harmonisierenden Mittelteil allerdings von warmen Glanz umhüllt. Die Stimmung bleibt gedrückt, auch weil die flirrenden Saiten tief atmen und die Synths sehr dezent und soundtrackartig die Szenerie aufklaren. Die Rhythmik ist hier klar dem Schlagzeug überlassen.

Neben klar im dunklen Wave verwurzelten Soundkreationen, tauchen immer wieder verschmitzte Avancen an den 80er Wave Pop auf. Hier gibt es dezente Erinnerungen an Human League, Ultravox oder Tubeway Army. So besticht „leocadia“ nicht nur mit seiner Uptempo Struktur, sondern auch der galanten Melodieführung, welche in einem betörenden Chorus gipfelt. Aber trotzdem behält man sich vor, dem Song eine gewisse Schräge als Ingredienz beizufügen. Kleine Breaks, elektronische Spielerei oder überraschende Akkord-Wechsel sorgen immer wieder für staunende Ohren. Das folgende „appaitment to death“ variiert zwischen schwermütiger Klage und verschrobener Eruption. Mitten im dunklen Fluss ertönen plötzlich Kinderchöre und man scheint sich der Dramatik nicht erwehren zu können.

Massimo beherrscht sein Metier. Ihm gelingt problemlos, das schnelle Umschalten von hellen, dezent an Batcave erinnernden Klangfarben hin zu dunklen Bariton. Hinzu kommt, daß er als perfekter Gefühlsleiter funktioniert. Egal ob er in den Strophen zum Erzähler wird oder im Chorus die Melodielinie perfekt garniert. Im verführerischen „Scattered In The Dust“ transportiert er geschickt die aufkeimende Dramatik, welche sich durch Tempiwechsel, dezente Samples und stilistische Weitsicht auszeichnet. Das in jeder Hinsicht verschachtelte (Text, Musik, Melodie, Titel) „Rejecting The Limitations Of Fate“ behält sich eine soundtrackartige Elegie vor. Die Saiten agieren eher unaufdringlich und der Gesang kommt durch den Verzerrer. Könnte als perfekte Vertonung von Foucaults „Wahnsinn und Gesellschaft“ sein. Der Song könnte natürlich im Album-Konzept als Intro vom darkpoppigen „Leocadia“gedacht sein. „Wooshing Dissolution“ beginnt mit sphärischen Klangstrukturen, dezenten Riffs, bevor sich eine rohe Wildheit bahn bricht und ein durchdringendes Intermezzo aus Punk, Wave und krachigen Strukturen im Mittelteil erklingt. Mit harmonisierenden Klangspektren werden die Ausuferungen wieder in epische Breite getragen.

Fazit: Ein grandioses Album. Bestechend auch, wie es gelingt, den Spannungsbogen über 15 Songs immer hoch zu halten und es zudem gelingt, den Hörer immer wieder aufs neue zu überraschen. Der Gesang ist kaum ausreichend zu würdigen. Mal erinnert er an Peter Murphy, mal an David Bowie zur Ziggy Stardust Zeit. In den getragen-wavigen Momenten tritt ein wenig Mark Burgess hervor (auch weil dann die Chameleons nicht all zu entfernt sind). Musikalisch arbeitet man mit betörenden, flächigen Synths, tiefen Saiten, Cure-Bass, Soundtrack, kristalinen Drums und mit reichlich Hall. Die Melange aus düster schwermütigen und melancholisch warmen Klangkosmen verführen den Hörer, der sich des öfteren in einer wirren Gefühlswelt wiederfindet. Eben noch tränenreich den Trübsinn huldigend, sitzt man kurze Zeit später bei Rotwein und Kerzenschein zu Zweit, während das Bett vorbereitet leuchtet. (andreas)

Die Band:
Massimo Ciampani Voice
Fabrizio Giampietro Lead Guitar/Synth/Programming
Desio Presutti Bass Guitar
Daniele Palombizio Drums/Synth