INTERVIEW, TOP THEMA

REBENTISCH :: Lyrische Abrechnung

Was damals, 1999 auf Sylt begann hat Sven Rebentisch in den vergangenen 15 Jahren immer weiter ausgebaut. Allerdings, wie man im Interview lesen wird, war der Weg auch immer ein steiniger. Sven nimmt auch heuer kein Blatt vor dem Mund, wenn er sich äußert. Es ist dann auch die direkte Sprache, die Sven’s Interviews so interessant machen. Als Musiker haben Sven und sein Begleiter Jens Blohm jedenfalls mit „Charisma“ ein hervorragendes Album raus gebracht. Neben der typischen Melange aus Tanzbarkeit und Melancholie, besitzt das aktuelle Werk auch eine gehobene lyrische Komponente, die sich geschickt zwischen später Renaissance („Kindertotenlieder“) und modernen Expressionismus („Crescenr/Dennis“) bewegt. Auch der umfangreichste Kreis schließt sich irgendwann, hier ist es das Anne Clark Cover „Zeit des Tötens“, welches auch auf Sven’s erster Veröffentlichung zu finden ist. (andreas)

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Das letzte Interview ist lange her (fast 10 Jahre). Kannst du unseren Lesern einen kleinen Einblick in die kürzere Vergangenheit geben?

Sven: Das letzte Interview für das Amboss-Magazin ist in der Tat schon lange her, ansonsten habe ich Interview-mäßig mehr als genug zu tun und langsam aber sicher spüre ich, dass es leider einfach nicht ausbleibt sich nach und nach immer und immer wieder zu wiederholen. Zumindest bei den Fragen, die das Grundgerüst meines bisherigen Lebens betreffen. Ich bin keiner von diesen Geschichten-Erzählern, denn ich kann es nicht leiden wenn man Geschehnisse aufbauscht oder ständig verändert nur um sich künstlich wichtig zu machen. Zurück zur Frage… sie überfordert mich ein wenig, da sich in meinem Leben ständig etwas tut, ich mich ausprobiere und jeden Tag sammle ich neue Erfahrungen an denen ich wachse und ich verändere und entwickle mich Tag für Tag weiter…

Musikalisch arbeite ich unter anderem seit Jahren mit af-music, Gruftie-Ton, Altone Distribution und InfraRot zusammen, habe mehrere verschiedene Musiker an meiner Seite gehabt, aber nur einer begleitet mich treu bis heute und das ist Jens Bohm, mein wunderbarer Bassgitarren-Part. Ich habe in der Zwischenzeit unserer Interview-Pause 4 REBENTISCH-Alben weltweit offiziell veröffentlicht und nebenher habe ich in einigen Nebenprojekten mitgewirkt… Kurz um, REBENTISCH haben 10 Jahre erfolgreich gekämpft und sind bis heute Bestandteil der Musikszene. Jens und ich freuen uns auf alles was da noch kommt.

 

 

Wo früher die Ratten waren, hat sich mittlerweile ein anderes Wesen eingenistet, Ganesha. Kannst du ein wenig über deinen Weg zu Ganesha erzählen und was für dich die Faszination von Ganesha ausmacht?

Sven: Die Ratte selbst hat mich zu Ganesha geführt. Der hinduistische Zerstörer aller Hindernisse, Blockaden und gleichzeitige Gott des Glücks fiel mir durch die Ratte, Ganesha’s ständigen Wegbegleiter, auf Portraits von ihm auf! In einer persönlichen Krisenzeit gab es immer und immer wieder Situationen, die ich im Nachhinein so interpretiere, dass Ganesha den Weg zu mir suchte… Ich wusste zuerst gar nicht, was das denn solle und habe ihn einst auch aus meiner Wohnung verbannt, da die mir sofort spürbar einsetzenden Veränderungen in meinem Leben, gleich nachdem ich Ganesha zum ersten Mal in meinem Leben Einlass gewährte, zu große Angst machten… Aber Ganesha ließ nicht locker, er inszinierte wiederum weitere Situationen, in denen er mir begegnete und irgendwann sagte ich mir:“Okay, ist doch eh alles scheiße… Warum nicht einen neuen Weg ausprobieren ?“ Kurz darauf, gab es etliche Gelegenheiten, in denen Ganesha zum Beispiel in Form eines Fan-Geschenkes aus Belgien in mein Haus gesandt kam. Was mich überzeugt und fasziniert ? Ganz einfach und nicht wegzureden, alle erfüllten bisherigen Wünsche durch Ganesha, alle Schmerzen die nachgelassen haben… Alle sichtbaren Veränderungen… Ganesha ist das beste, was mir in meinem bisherigen Leben begegnet ist! Ich habe ihn voll und ganz in mein Leben integriert. Soviel erstmal ganz kurz und knapp angeschnitten zu Deiner Frage. Die Ratten sind und bleiben nach wie vor meine treuen Wächter…

 

 

Dein aktuelles Werk ist „Charisma“ betitelt. Ich denke, dass mehr hinter diesem Titel steckt, als es auf den ersten Blick scheint. Kannst du uns ein wenig darüber erzählen, wie du „Charisma“ definierst?

Sven: Charisma ist das, was mich an Menschen überhaupt anzieht. Die gesamte Erscheinung eines Menschen, wenn ich ihm begegne und wahrnehme wie der Mensch spricht, wie er mich / Dich anblickt, wie er sich verhält, was er sagt… Menschen ohne Charisma langweilen mich bereits nach kurzer Zeit mit ihrem Gesülze und ihrem hohlen Arbeitstrott oder ihrer gähnenden Faulheit, mit ihrer Unscheinbarkeit und ihrem „Verstreichen lassen“ aller Chancen und Gelegenheiten, ihr Leben glücklich zu gestalten und mit dem Blick nach vorn vollkommen zu nutzen. Charisma ist der individuelle, magische, verheißungsvolle Zauber den der eine Mensch mehr und der andere weniger beherrscht und der in der Lage ist, mich voll und ganz in den Bann zu ziehen.

 

 

Passend zum neuen Album gibt es auch eine neue Homepage. Wie wichtig ist dir die Gestaltung und kannst du uns ein wenig über Stephan White erzählen, der für die Fotos verantwortlich ist.

Sven: Ich bin auch ein visueller Mensch und mir ist eine gepflegte aktuelle Homepage sehr wichtig! Ich hege und pflege sie so gut wie täglich und mit der aktuellen neuen Seite sind wir sehr zufrieden. Stephan White hat mich einst angeschrieben, dass er Lust hätte, Fotos mit mir zu machen und seine ganz eigene Art der Fotokunst hat mich so fasziniert, um kurz darauf seine Studio-Türen einzurennen. Sein Fotostudio liegt sozusagen gleich hier um die Ecke bei mir. Er kommt ursprünglich aus New York und jedem, der sich etwas mehr mit ihm beschäftigen möchte empfehle ich seine Homepage: http://artboydancing.com

Zudem ist er auch auf Facebook zu finden mit einer Artboydancing-Seite und eigenem Profil. Uns verbindet mittlerweile eine Freundschaft. Stephan White hat in meinem Leben weitere Türen geöffnet und ich schätze ihn sehr und bin ihm unheimlich dankbar, da ich an ihm und seinem Wissen wachse.

 

Denen du etwas bedeutest“ eröffnet das Album und ist gleichzeitig die aktuelle Single. Die prägnante Zeile im Refrain lautet „richte dein Blick nur auf Menschen, denen du was bedeutest, krieche niemanden hinterher“. Gelingt es dir selbst, dieses zu beherzigen und wie viele Enttäuschungen sind nötig, um in Sachen „Menschenkenntnis“ voran zu kommen?

Sven: Lach!!!

Was ich für menschliche Schandtaten am eigenem Leib und eigener Seele sowie Psyche erfahren musste und immer wieder als Aufgabe an mich gestellt bekomme, ist bis zu diesem Moment, indem ich Dein Interview beantworte, für mich einfach unbegreifbar… Am schlimmsten ist der Verrat!!! Ich habe mit Verrätern teilweise auf der Bühne gestanden… Neidzerfressene Feiglinge, die sich ihre stinkenden Mäuler über mich mit Lügen vollstopfen… Nichts an dem, was sie behaupteten, ist wahr oder kommt meinem Wesen in irgendeiner Form gleich. Bemitleidenswerte Verlierer haben meine Wege gekreuzt, die neidvoll Hass-Seiten im Internet aufbauten… Deren Unzulänglichkeit ist ein übelriechendes Gift und ich wünsche mir aus tiefsten Herzen, dass diese hinterlistigen, verlogenen Verräter eines widerlichen grauenvollen Verreckens erliegen. Es gab lange Zeiten, da suchte ich den Fehler bei mir und besonders gab ich meiner Gutgläubigkeit oft die meiste Schuld an meinen unerträglichen Erlebnissen mit „Menschen“. Die bittere Erkenntnis, der ich mittlerweile ins Auge blicke ist, dass mein größter Fehler mein freundschaftliches, tiefes Vertrauen war, dass ich denen entgegengebracht hatte… Mittlerweile verlasse ich das Haus niemals unbewaffnet, die kranken Hirne sind zu allem fähig… ich allerdings auch, he he he

 

 

Wie entstand die Zusammenarbeit mit Alexander Krupp und wird es in Zukunft da mehr geben, evtl. gemeinsame Konzerte? Wie war es in Weißrussland?

Sven: Alexander Krupp von der Band „KALTHERZIG“ habe ich durch Facebook kennengelernt. Er fragte mich einst, ob ich Lust hätte, ihm mit meiner Stimme in dem Song „Islander“ vom aktuellen KALTHERZIG-Album „SONGS MADE OF SOLITUDE AND PAIN“ zu unterstützen. Fast zeitgleich in dessen Schaffensphase arbeiteten Jens und ich am neuen REBENTISCH-Album „CHARISMA“ und urplötzlich hatte ich die Chance, einen langersehnten musikalischen Wunsch umzusetzen. Denn ich liebe Fremdsprachen und besonders alles was aus dem salopp gesagt „russischen Raum“ stammt. Der besondere Reiz an der Zusammenarbeit mit Alexander lag darin, dass Alexander „Belarus“ (Weißrussisch) beherrscht und diese Sprache eine zeitlang dort wo er lebt, verboten war. Das beste also, was mir für den Song „Junkie“ auf unserem neuen Album passieren konnte. Gerade in dieser aktuellen Zeit, wo Lebensweisen, die nicht orthodox sind, in diesen Ländern geächtet werden. Der gemeinsame Song „Junkie“ ist dadurch vielleicht auch ein emotionales Experiment, also wir haben einen extrem persönlichen Text von mir, meine Gefühlswelt von Alexander aus Weißrussland übersetzen lassen und ihm meine Gefühlswelt durchleben zu lassen… Der Song ist durch die wunderbare Arbeit von Alexander eines der ganz besonderen Meisterwerke geworden, auf die ich einfach nur stolz bin. KALTHERZIG und REBENTISCH würden, wenn es so einfach ginge, selbstverständlich auch gemeinsame Konzerte geben, aber bisher ist das eben nicht möglich gewesen. In Weißrussland war ich bisher nie, aber ich hoffe durch unsere Fans dort möglichst bald die Gelegenheit zu bekommen, dort mit REBENTISCH Konzerte zu spielen.

 

 

Es gibt ja reichlich Überraschungen auf „Charisma“. Fangen wir hinten an. Wie entstand die Idee, einen Song von Anne Clark zu covern und war von vornherein klar, dass der Text ins deutsche übersetzt wird? Rein pragmatisch, wie lief es mit der Rechtevergabe?

Sven: Ich lausche den Interviews von Bands, mit denen ich irgendwie etwas anfangen kann zum Beispiel im Radio immer ganz gerne und hole mir Tipps. Die Band „2Raumwohnung“ verkündeten einst:“Macht als Musiker soviel wie möglich selber!“ Das gesagte unterstreiche und unterschreibe ich sofort. Durch unser eigenes Label „GRUFTIE-TON“ liegen die meisten Aufgaben zum neuen Album bei uns. Somit habe ich eben selber Jeff Aug, den Manager von Anne Clark angeschrieben (ich kenne ihn flüchtig), er wiederum hat Anne Clark gefragt, diese ließ mir ausrichten, sie hätte damit kein Problem, ich solle mich aber selber um die Rechte kümmern. Was für eine Freude, he he… Dann habe ich anschließend bei BMG RIGHTS MANAGEMENT GmbH Berlin angerufen und einfach gesagt, dass ich den Song covern will und von Frau Clark und ihrem Manager bereits das „Okay“ dafür habe. BMG Berlin wiederum wurde dann für mich in England tätig und eine Woche später hatte ich die Rechte in der Tasche. Gecovert habe ich den Song, weil es mir erstens, auf den Geist ging, dass ihren wunderbaren Texten in meinem Umfeld eher weniger Beachtung geschenkt wurde, als viel mehr den „Beats and Vibes“ ihrer Musik. Zweitens lagen mir ihre deutschen Übersetzungen in Form ihres wunderbaren, informativen Buches „NOTES TAKEN, TRACES LEFT“ vor. Na ja… und weil ich den Song eh‘ schon auf meinen Tasteninstrumenten spielen konnte, entwickelte sich das dann eben so. Sicherlich auch dadurch, weil die Thematik „Verrat“ des Songs mir bis heute vertraut ist.

 

 

Mit „Kindertotenlied“ vertonst du ein Gedicht von Friedrich Rückert. Er gild auch als Mitbegründer der deutschen Orientalistik. Gibt es neben dem Kindertotenlied mehr, was dich an den deutschen Dichter fasziniert?

Sven: Ich genieße es immer, wenn Menschen sich ausdrücken können und dabei ihren Fantasien freien Lauf lassen. Es ist mir ehrlich gesagt fast oder vielleicht sogar vollkommen egal, welchen Namen der Mensch trägt! Mich fasziniert dann in dem Augenblick nur der jeweilige Mensch, so, wie er gerade in dem Moment, wo er seinen ideenreichen Botschaften Ausdruck verleiht, ist. Vor allem aber, was er zu sagen hat, wenn er denn etwas zu sagen hat. Friedrich Rückert ist mir vollkommen zufällig unter gekommen und ich glaube sogar, dass meine Unwissenheit über alles weitere zu seiner Person, mich zu dieser besonderen oder speziellen Art meiner Interpretation des Kindertotenliedes verholfen hat.

 

 

Wie entstand der Kontakt zum Lyriker Calvin Kleemann und wie lief die Zusammenarbeit? Wie würdest du seine Lyrik kategorisieren?

Sven: Calvin Kleemann, dessen Lyrik er selbst als „intimer Realismus / Expressionismus“ bezeichnet, wurde mir sozusagen empfohlen, falls ich mal wieder Lust hätte auf eine Zusammenarbeit mit anderen Künstlern. Calvin und ich haben dann über Facebook Kontakt zueinander aufgenommen und auch paar Mal mit viel Spaß zusammen telefoniert. Da es nicht immer einfach mal so schnell nebenher geht mit Zusammenarbeiten, wenn man selber gerade in Arbeitsprozessen steckt, hat es eine Weile gebraucht, bis der perfekte Moment kam, um seine Kunst mit meiner zusammenzufügen. Die Zusammenarbeit verlief mit den heute möglichen technischen Hilfsmitteln ganz ohne Probleme, auch wenn uns die Entfernung zueinander bis zum heutigen Tag leider kein persönliches Miteinander bescherte. Das allerdings steht auf unser beider „To Do“-Liste.

 

 

Eher ungewöhnlich ist die detaillierte Beschreibung des Geschehens auf einem Bahnhof im gleichnamigen Song. Wie entstand die Idee dieses Stückes und wie kam es dazu, auf musikalische Untermalung zu verzichten?

Sven: Den Text hatte ich noch in meiner Textsammlung. Immer wenn ich den zur Hand nahm musste ich an jemanden denken, der diesen Text so sehr liebt und ich dachte mir, das er veröffentlicht gehörte, besonders wenn er andere Menschen so begeistert. Es war ganz einfach ein Arbeitsauftrag in einer Arbeitsgruppe namens „Wörterwerkstatt“ in meinem Studium. Wir sollten uns in einer kleinen Gruppe oder alleine einen Platz aussuchen und aufschreiben, was wir wahrnehmen. Ich habe mich damals eben für den Bahnhof Zoo in Berlin entschieden. Da es einfach ein Text ist, haben wir uns im Studio dazu entschlossen, ihn auch so zu belassen.

 

Ich lieb’ dich so wie du bist“ ist ein eher ungewöhnliches Liebeslied. Du beschreibst hier die pure Geilheit. Wie würdest du deine Gefühlswelt beim Schreiben des Textes beschreiben und hast du evtl. Befürchtungen, dass deine direkte Sprache, manche Leute erschrecken könnte?

Sven: Wenn der ein oder andere schon davon ausgehen möchte, dass ich die pure Geilheit beschreibe, dann aber bitte mit dem unvermeidbaren Verweis darauf, dass es um die besessene Leidenschaft auf nur den einen Menschen geht. Den Menschen, den man liebt und begehrt, den man vor Geilheit auffressen könnte oder zumindest in den siebten Himmel

lecken würde! Ich finde den Text eher harmlos für das, was ich sonst so für sexuelle Fantasien in mir berge… Dennoch habe ich ihn in der Tat nach einer angeilenden Knutscherei auf meiner Couch und den langen Flur zur Haustür entlang, nach dem Abschied von einem Kerl verfasst, der mir in dem Moment, also gleich nach dem Abschied von ihm, zu diesem Wörtererguss verhalf. Das hinterletzte wäre jawohl für mich, wenn ich mir Gedanken darüber machen würde, was Leute über meine Texte denken könnten… Soweit kommt es noch, dass Texter, Dichter, Lyriker usw. darüber nachdenken, wie ihre freie Wortwahl wohl auf andere wirken könnte… Ich sag Dir eines, mich langweilt politische Korrektheit und ich habe gelernt, dass es mir besonders viel Freude macht, gerade das auszusprechen was wir nicht dürfen!

 

 

Du hast dich immer öffentlich zu deiner Homosexualität bekannt und prangerst des Öfteren Missstände diesbezüglich in der Gesellschaft an. Wie würdest du die aktuelle Stimmung/ Diskussion beschreiben?

Sven: Ich habe Mitleid mit der wachsenden dummen homophoben Masse. Ich wünsche mir, dass die männerliebenden Männer und frauenliebenden Frauen dem nächsten Mob, der sie beschimpft oder versucht zu quälen, mal so richtig heftig und lange die stinkenden Fressen polieren würden! Es ist doch offensichtlich, dass dieser homophobe Abfall der Gesellschaft nur diese Sprache zu verstehen scheint. Überhaupt haben Schwule, Lesben, Transgender usw. nichts in der Opferrolle zu suchen! Wir sollten uns alle zusammenrotten und die Dummheit bekämpfen!

 

 

Mal ganz provokant gefragt, waren wir in den 80ern nicht schon weiter, jedenfalls erkenne ich einige Rückschritte (nicht nur in Deutschland, sondern neben den osteuropäischen Ländern, der Karibik, drängen sich hier vor allem unsere französischen Nachbarn auf)?

Sven: Schwule, Lesben, Transgender usw., die sich mutig ihre Freiheit nehmen und ihr Leben so leben, wie sie wollen, nämlich freibestimmt und glücklich, sind allen Verlieren ein Dorn im Auge. Selbstbewusste freie Menschen die Mut und Stärke besitzen sind eben ideale Angriffsflächen für nichtige Zielverfehler! Na und dort, wo die Bildung eh‘ eher Mangelware ist, oder die Liebe zum Land wichtigere Bedeutung hat, wie das Glück des jeweiligen individuellen Menschen oder der jeweiligen Gesellschaft, da kann man, denke ich, nichts erwarten.

 

 

Ich kann mich ja irren, aber irgendwie fehlt mir in der heutigen Schwulen-und Lesbenszene ein wenig der feministisch-emanzipatorische Ansatz, hinzu kommt eine fehlende (allgemeine) Gesellschaftskritik und zudem scheinen rein konservative Ansichten Einzug zu halten. Wie siehst du das?

Sven: Mir fehlt so einiges in der Schwulen-und Lesbenszene! Das was Dir zum Beispiel negativ auffällt, ist in Teilen der „Szene“ tatsächlich vorhanden. In anderen Teilen der „Szene“ wiederum wird genau dem inhaltlich nachgegangen, was auch Dir wichtig ist. Es ist eben in dieser Szene genau wie in allen anderen Szenen auch. Es gibt coole, geniale Ecken, da fühlt man sich so richtig wohl und aufgenommen, und es gibt die Orte, an denen man sich schämt, wenn man damit in Verbindung gebracht wird. Oder glaubst Du etwa, dass es auch nur einen schwulen Film (außer Pornos) gibt, in denen ich mich wiedererkenne ?

 

 

Hast du vielleicht noch ein kleines Statement für unsere Leser, etwas, dass du schon immer los werden wolltest?

Sven: Hört auf zu lügen und habt den Mut ehrlich zu sein!

 

 

Wo liegen eigentlich die Gründe für deine eher seltenen und meist auf Berlin beschränkten Live Auftritte?

Sven: Ach, da gibt es so viele blöde Gründe für. Wir wollen ins Ausland, oder in die ländlichen Gegenden… Bisher war es so, dass die Fairness entweder zu Wünschen übrig ließ, wir selber andere Dinge vorzogen, also lieber Songs schrieben und veröffentlichten, oder um es mal klar auf den Punkt zu bringen: Aus Mangel an Geld, um eine richtige Tour organisieren und umsetzen zu können! Besonders witzig waren die Luftblasen einiger selbsternannter „Manager“… Wo wir derer nach schon alles spielen sollten und am Ende war nichts von alldem wahr. Ich kann hier für viele mir bekannten und befreundeten Musiker sprechen, immer und immer wieder war es besonders in den Anfangsjahren so, dass immer alles am liebsten umsonst, also auf unsere Kosten stattzufinden hatte. Konzerte: Ja, Gage: Nö!!! Besonders im Musikgeschäft wird die Methode: Entweder tanzt Du nach der Pfeife des Veranstalters oder Du bist weg vom Fenster, unheimlich gerne erpressermäßig angewandt. Es geht meistens nur ums Geld. Nicht um Emotionen, Erlebnisse, Kunst… Es geht einzig und alleine immer nur darum, die Massen anzusprechen. Ich mache einfach nicht, was mir nicht passt. Das ist ganz einfach und tut nicht weh. Im Gegenteil, es befreit! Dort wo wir bisher gespielt haben, hat es eben geklappt. Nun haben wir jemanden Neues, der sich um das Booking kümmert und wir werden sehen, wie sich die Lage verändert.

 

 

Wo liegen deine Pläne für die nächste Zukunft und was wünscht du dir für die ferne Zukunft?

Sven: Ich lebe im Hier und Jetzt! Mein Plan ist unter vielen anderen, jeden neuen Tag meines Lebens zu nutzen, Spaß zu haben, Gutes zu tun, Menschen erfreuen, Tieren ein Freund sein, Partys feiern, Ungerechtigkeiten mit allen Mitteln bekämpfen, Ganesha vertrauen, Liebe geben und vor allem lernen auch anzunehmen und meinen Blick nur nach Menschen zu richten, denen ich etwas bedeute.