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FILM „Töte Django“ (Blu-Ray) (Italo-Western)

Originaltitel: Se sei vivo spara

Produktion: Italien / Spanien 1967

Blu-Ray-Veröffentlichung: 29.08.2014

Wertung: Empfehlung

Regie: Giulio Questi

FSK: k.A.

Darsteller: Tomas Milian, Ray Lovelock, Piero Lulli, Milo Quesada

Genre: Italo-Western

Studio: filmArt

Inhalt:
Oaks und seine Männer erbeuten mit Hilfe von Django und ein paar Mexikanern bei einem Überfall auf Soldaten einen Haufen Gold. Aus Habgier lässt Oaks seine Komplizen brutal niederschießen. Django überlebt und wird von zwei Indianern gesund gepflegt. Wieder bei Kräften und getrieben von Rache verfolgt er die Spur von Oaks und seinen Männern. Seine Reise führt ihn in ein Dorf, in dem das Chaos herrscht: Meuchelmord, Folter, Tierschändung, Homosexualität und unmenschlich Brutalitäten. Die Grausamkeit der Menschen scheint unvorstellbar. Das Gold ist in der Stadt und jeder wird töten, um es zu bekommen!

Liebe Leute, manchmal muss man sich in Geduld üben… in diesem Fall ziemlich genau auf den Tag 14 Monate… am 28.06.2013 erschien einer der grandiosesten Western aller Zeiten bei filmArt auf DVD. Bereits damals war eine Blu-Ray angekündigt und endlich ist sie da. Auf den Film gehe ich heute nicht noch einmal gesondert ein, dafür könnt ihr mein Review von damals lesen (siehe unten), aber auch so gibt es genug zu erzählen.

Das Bild war bereits auf der DVD eine Augenweide und entweder bilde ich es mir ein, aber in einigen Einstellungen legt die Blu-Ray noch eine kleine Schippe drauf. Ich denke, es war auch nicht die Hauptmotivation, durch die Blu-Ray einem alten vergriesgnaddelten Film neues Leben einzuhauchen, sondern das unglaubliche Ausgangsmaterial auf dem heutigen Stand der Technik umzusetzen. Der Sound ist wie gehabt spitze und die Specials sind identisch mit der DVD-Veröffentlichung. Identisch ist auch das Essay zum Film von Pelle Felsch, allerdings ist es diesmal aufgepeppt mit vielen raren Aushangfotos und Filmplakaten. Dazu hat man der Blu-Ray ein wunderbares MediaBook gegönnt, was dem Film mehr als gerecht wird.

Wie damals kann ich nur eine Kaufempfehlung oder vielmehr einen Kaufbefehl erteilen! Leute, von diesem Kleinod existieren nur 1000 DVDs und 1000 Blu-Rays… besorgt euch einen der besten Filme in einer erstklassigen Aufmachung und belohnt filmArt und euch selbst damit.

Das Review zum Film / DVD-Veröffentlichung:
Wer einen „normalen“ Italo-Western erwartet, wird einen bekommen. Wer aber die hunderte Metaphern sieht und deutet, kommt zu einem anderen Ergebnis. Dieser Film ist ein Peitschenhieb ins Gesicht. Die volle Entladung eines Revolvers in die Seele der Gesellschaft.

Dank des erstklassigen Booklets mit einem ausführlichen Text von Pelle Felsch kommt man dem hierzulande eher unbekannten Regisseur Giulio Questi etwas näher. Questi „mochte Italo-Western nie“. Dafür hat er allerdings einen Meilenstein auf Zelluloid gebannt. Es war eine Auftragsarbeit, aber da der linke Filmemacher eher von anderen Themen getrieben war, hat er seine Botschaft halt in das Gewand des Italo-Westerns gepackt. Habgier, menschliche Abgründe, Sozialkritik, Symbolismus machen den Film neben seiner oberflächlichen Western-Eigenschaft zu einem fantastischen Werk. Keine Frage, der Film funktioniert als Western einwandfrei, aber wie jede gute Kunst (sei es Musik, Film, Literatur oder Malerei) eröffnet sich dem willigen Zuschauer eine tiefere Bedeutung.

Normaler Weise versuche ich Spoiler bei Filmen oder Hörspielen zu vermeiden, aber hier platzt mein Hirn beinahe vor dem Drang, einige Szenen zu nutzen und zu beschreiben.
Wer sich also den Spaß an dem Film nicht versauen möchte, hört jetzt auf zu lesen, kauft einfach die DVD oder später erscheinende Blu-Ray und genießt. Alle anderen, die den Film vielleicht schon haben, dürfen gerne weiterlesen.

Die visuelle Arbeit ist mitunter grandios. Es gibt einige Kameraeinstellungen, die sich Dario Argento und Quentin Tarantino bestimmt mehrmals angeschaut haben, sei es eine Szene, bei der ein Kampf durch ein Wagenrad hindurch gefilmt wird oder bei der Erschießung der Mexikaner, bei der der Gewehrlauf links, der Mexikaner rechts im Bild zu sehen ist und dazwischen nichts als Weite. Neben, dank der erstklassigen Bildaufbereitung, grandiosen Nahaufnahmen entzückt immer wieder die psychedelische Arbeit. So ist der Alptraum oder besser die Erinnerung Djangos an die Erschießung oder eine mächtige Explosion so psychedelisch, als würden PINK FLOYD mit den DOORS um die Wette visualisieren, wenn mir diese Metapher erlaubt ist.

Die menschlichen Abgründe werden explizit gezeichnet, auch wenn man heutzutage durch diverse „Wrong turn“ oder „The hills have eyes“-Verfilmungen ein anderes Ekel- und Kotzniveau erreicht haben dürfte. Aber bedenkt, dass der Film 1967 in die Kinos kam. Flower Power, freie Liebe, bewusstseinserweiternde Drogen und Hippies. Und dann kommt „Töte Django“ ins Kino und zeigt, was keiner sehen will. Die Szene, als die Oaks-Bande in die Stadt reitet ist so genial, wie einfach. Gewalt, Sadismus (dem bereits die Kinder verfallen sind) und moralische Abgründe par excellance. Diese gipfeln darin, dass der Saloon-Besitzer Tembler überlegt, ob er seinen entführten Sohn aus den Händen des skrupellosen Sorrow (oder heißt er Zorro? Ich versteh′ immer Zorro.) mit dem geraubten Gold freikaufen soll oder nicht. Leider wartet er eine Kleinigkeit zu lange und die homosexuelle Bande des Sorrow (alle in schicken Outfits und halbgeöffneten Hemden, tollen Verzierungen auf dem Geschirr der Pferde) vergnügt sich mit dem gutaussehenden Jungen, woraufhin er nur einen Ausweg sieht. Achtung: nicht falsch verstehen: ob homosexuell oder nicht, ist mir persönlich unglaublich egal. Jeder Mensch kann tun und lassen, was er will, aber es geht um den Mut des Regisseurs, die „bösen Buben“ eines Western als offen homosexuell darzustellen, hat John Wayne und die ganzen harten Kerle des US-Westerns, die lediglich Blei verspritzen und nur scharf auf die Tochter des Großgrundbesitzers sind, garantiert Knochen kotzen lassen. Und dafür: Complimenti, Signor Questi!

Die Gier der Menschen kennt keine Grenzen. Das Gold ist die Wurzel des Strebens und des Bösen, gleichzeitig ist es das Gold, was tötet. Django killt seine Gegner mit aus Gold gegossenen Kugeln, die seine indianischen Freunde für ihn hergestellt haben. Sehr spaßig dabei ist, dass der eine Indianer wohl der italienischste Indianer aller Zeiten sein dürfte. Aber die Gier nach Gold lässt die Menschen im Leib eines verwundeten herumwühlen und auch die Gräber sind nicht sicher, auf der Suche danach.

Religiöse Metaphern kommen überall vor und haben ihren Höhepunkt in der Kreuzigungsszene (die eigentlich brüllend komisch ist, wenn Django von Leguanen, Flughunden und Gürteltier gepeinigt wird).

Tierschützer sollten sich allerdings lieber was anderes angucken, denn es wird schon mal ein Hund getreten, Pferde geschlitzt und ein Papagei geärgert.

So ganz nebenbei streift Questi auch das Genre des Psychothrillers, wenn der Junge die Kleider seiner Stiefmutter zerschneidet oder die eingesperrte Frau durchs Haus schleicht. Großartig.

Einige Szenen oder Besonderheiten habe ich nun benutzt, um meiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen, aber seid sicher: es gibt noch viel mehr zu sehen! Zum Beispiel dass die Leute damals Zauberrevolver hatten: obwohl der Revolver nur sechs Kugel fasst, ballern die Burschen durch die Gegend, als gäbe es kein Morgen mehr. Gibt es für die meisten ja auch nicht. Nachladen ist was für John Wayne!

filmArt hat eine hervorragende Version des Filmes auf den Markt gebracht: das Bild wurde unter Aufsicht von Giulio Questi HD-remastered und lässt dich bereits auf DVD mit der Zunge schnalzen! Wunderbare Schärfe, starke Farben…ich kann es kaum erwartet, bis irgendwann in absehbarer Zukunft die Blu-Ray-Variante nachgereicht wird! Ausgehend von dieser vorliegenden superben Bildqualität muss das ein Knüller werden! Der Sound ist hervorragend (deutsch und italienisch) und die Specials angemessen: erstklassiges Booklet, die Featurette „Ray Lovelock in Conversation“, eine Bildergalerie sowie der deutsche und internationale Kinotrailer. Das Cover enthält auf der Rückseite das italienische Kinoposter und natürlich ist die DVD limitiert (1000 Stück). Irgendwie hat filmArt es geschafft, die DVD durch die FSK wenigstens mit „keine Jugendfreigabe“bewerten zu lassen und somit kommen wir in den Genuss der ungeschnittenen Originalfassung.

Wer es bisher noch nicht gemerkt hat: dieser Film ist eine absolute Kaufempfehlung! Sonst werden euch die fancy pants von Zorro heimsuchen. (chris)