TAUBEN
„bis ans Ende der Schäbigkeit“
(Genre)
Wertung: Sehr gut
VÖ: 22.11.2024
Label: Major Label und Misitunes/Hanseplatte
Webseite: Homepage
TAUBEN kommen aus Hamburg und spielen eine explosive Mischung aus Post Punk, NDW, Deutsch Punk usw. Das Ganze schmeißen sie wie Perlen vor die Säue der geneigten Hörerschaft, die sich tagsüber in besetzten Häusern rumtreibt und des Nächtens mit der attraktiven Sekretärin im eigenen Loft Champagner säuft.
Mit dem harmlosen Titel „Kaffee“ beginnt das Album gewohnt schräg und kratzig. Der erste Satz („wir sinken auf hohes Niveau“) setzt die Latte (Achtung Wortwitz) hoch. Es ist berechtigt, denn diese Band ist so was wie ein legitimer Inbegriff eines alten Begriffs – Der Hamburger Schule. Und heuer wären sie sicherlich die Lieblinge der Spex-Redaktion. „Bike“ beginnt mit einem besonderen Schlagzeug und einer wilden ungestimmte Saite. Der in sich aggressive Unterton in der Stimme, welcher durchaus wütend die Szenerie in einem Fahrradladen beschreiben könnte, aber auch die fahrt im U-Boot beschreibt, welches als Escape Room für Perückenträger dienen könnte. Ein verschmähtes, latent böses Lächeln am Ende… danach lugt die Romantik aus der „Asphaltrose“. Ein in sich genialer Song, der den Hörer auf eine Hamburger Kreuzung führt und mit dem prägnanten Satz „Je mehr ich trinke, desto nüchterner werde ich“ konfrontiert. Welche Euphemismen hier mit wundervollen gradlinigen Lebensschrägen der durchdringenden Wankelmut geschenkt werden, bewundernswert.
Ebenso genial ist die wunderschöne Beschreibung des „fliegens“ durch die Großstadt. Inspiriert von manchen Kamerafahrten durch die Szenerie und mit Blick auf den „roten Minirock“ der Ärzte, vollzieht man hier kunstvoll die imaginäre Liebe zu einer Frau im Zeitungsladen.
Mit einem faszinierenden Exegese-Alptraum für Textliebhaber beginnt die B-Seite. Wer ist dieser Burkhardt, zwischen den Zeilen hören ist ebenso faszinierend wie diesem Melodie-konträren Widerhall zu horchen. SCHWARZ-Schwarz. Ein wenig Cure-Wald trifft auf 60iger Lakonie und lässt den Handwerker grübeln. Danach gibt es den „Frühjahrsputz im Schweinestall“ – ein grandioser Ohrwurm, bei dem im Kopf nicht das Tanzbein schwingt, sondern der Dreck wild nach Romantik schreit.
Auch die aktuelle Singleauskopplung ist ein schräges Textwerk, welches mit wilder Unromantik und in irrealer Unruhe in die Menschheit gepeitscht wird. Der Text um dieses „Kiosk“, der Name vieler Menschen (?!).
Das Schlussepos und gleichzeitig Titelsong ist ein Kleinod voller kleiner Anspielungen, die im Vorfeld schon mal dezent das Ohr berührten.
Fazit: Das ganze Werk macht einfach nur Spaß. Jede kleine Textzeile ein frappierender Blick in eine (wahrscheinlich) bekannte Situation des grauen Alltags, welche dann beschrieben wird wie ein Gemälde von Casper David, der sich im Miniaturwunderland versteckt. Geschickt werden Alltags-Eventualitäten auf eine euphemistische Reise geschickt. Der Gesang etwas punkig aggressiv, dennoch latent verträumt und in sich gekehrt. Die Musik faszinierend verwegen, allerdings gespickt mit einem homogenen, leicht dunklen Melodiemoloch, der sich geschickt in die punkige Tanzbarkeit integriert, dennoch verlassen der Romantik frönt. Das Debütalbum der Hamburger Postpunk-Band TAUBEN wurde von Moses Schneider und Jens Rachut produziert und erscheint als Vinyl-LP mit bedrucktem Inlay und Downloadcode auf Misitunes (Hanseplatte) und Major Label. (andreas)