Livebericht vom 26.03.2023 im SO36 in Berlin
(Text und Photos by Yves)
Ein Vierergespann der technischen Extraklasse. So würde ich kurz und grob beschreiben, was diese Tour mit sich bringt. Das kann man sich nicht entgehen lassen. Also nichts wie ab ins SO36!
Den Start machen ENTHEOS aus Californien. Um das Kernduo der Band, welches aus Sängerin Chaney Crabb und Multiinstrumentalist Navene Koperweis (Ex-ANIMALS AS LEADERS) besteht, wurden für die Live-Aktivitäten Robert Brown (Ex-SLAUGHTER TO PREVAIL) und Brian James (Ex-FALLUJAH) gescharrt, um die Gitarren zu bedienen. (Anm. der Redaktion: Ich habe im Zusammenhang mit weiblichen Frontpersonen und dem damit verbundenen Begriff „Female Fronted Metal“ so ein wenig meine Probleme, da der Begriff keinen Aufschluss über das musikalische Genre bietet. Es ist schön und wichtig darauf hinzuweisen, dass im Metal für jeden Platz ist, egal welchen Geschlechts oder Ausrichtung und die Begrifflichkeit macht sicher auch Menschen Mut diesen Weg selbst zu gehen oder lässt zu, dass Menschen sich besser gesehen fühlen und sich dadurch damit identifizieren können. Jedoch bringt es bei einer Review keine Aussage über das, was einen erwartet. Ich werde hier also das, was ENTHOS tun beleuchten und mich damit begnügen zu erwähnen, dass hier weiblicher Gesang zu finden ist.) Es wird eine moderne Art des Death Metals mit viel Djent und Progressive verbunden. Ein technisch großartiges Konstrukt, welches sich live energievoll entlädt. Der Wechsel von genannten Genres zwischen den Parts findet genauso statt, wie die Verpaarung der Genres an sich in einzelnen Parts. Die Vocal-Performance von Chaney ist atemberaubend. Die Tiefe und Aggressivität ihrer Growls ist beeindruckend und ihr Kreischgesang schält einem die Haut von den Knochen. Gleichermaßen ist gut platzierter Cleangesang mit von der Partie. Ich persönlich finde es gerade hier jedoch schade, dass live kein separater Bassist am Start ist. Für die Studiotätigkeiten steht Evan Brewer (Ex-THE FACELESS) zur Verfügung und zaubert im aktuellen Album „Time Will Take Us All“ eine großartige Performance auf`s Griffbrett, welche sich live nicht mit Oktaver ersetzen lässt, da seine Spuren oft entkoppelt der Gitarren fungieren. Dennoch, die Songs und die Set List sind spannend und abwechslungsreich und die Personen, die während des Auftritts der Band schon vor Ort sind, fühlen, was auf der Bühne passiert. Sehr ärgerlich sowohl für die Band selbst als auch sicherlich für viele Besucher war, dass der Beginn der Veranstaltung auf der Internetseite des SO36 auf 20 Uhr angesetzt war aber ENTHEOS bereits um 19:30 Uhr auf die Bühne geschickt wurden, was unweigerlich dazu führte, dass viele noch nicht da waren, die ENTHEOS sicher gerne gesehen hätten. Denn eine Band wie diese muss man einfach sehen, wenn sie schon mal in der Stadt ist.
Als Nächstes stehen BENIGHTED auf der Bühne. Hier wird einem Deathgrind, Brutal Death und teils Deathcore um die Ohren geschleudert. Treibende Blast Beats und schnelle Riffs feuern aus allen Rohren und die Vocals sind kraftvoll und variantenreich. Grindvocals bis Screams und Pig Squeals, alles dabei. Die Akkus der Band sind aufgeladen und versprühen Spaß, Motivation und Lust am Spielen. Das Publikum haben sie schnell am Haken und von Song zu Song entsteht mehr Bewegung im nun vollen Saal. Mir persönlich wurde es zum Schluss hin dann irgendwie zu monoton und bei den letzten Songs haben sie mich kurzzeitig verloren. Das wussten sie aber schnell mit dem Brechersong „Let The Blood Spill Between My Broken Teeth“ zu beheben.
Als drittes kamen PSYCROPTIC aus Tasmanien auf die Bühne. Hier erwartet einem technischer Death Metal mit einem extrem hohen Wiedererkennungswert. PSYCROPTIC kopieren sich nicht und klingen immer frisch, jedoch erkennt man sofort, wenn ein Song von ihnen irgendwo läuft. Das liegt an bandtypischen Gitarrenläufen, die in den Songs in stetiger Varianz wiederkehren. Ebenfalls bandtypisch sind die gewählten Gitarreneffekte, welche die schnellen Notenwechsel gut präsentieren. Präzise Drums und wütende Vocals, oft im eher screamigen Sektor, der teils etwas an Thrash Metal erinnert, runden das Ganze passend ab. Sänger Jason nutzt die breite der Bühne aus, wie ein unruhiger Tiger in einem Käfig, kurz vor Fütterungszeit und steht in ständiger Interaktion mit dem Publikum. Das kommt gut an. Es dauert daher auch nicht lange und die ersten Personen beginnen während des Sets mit Crowd Surfing und nachdem Jason die Ansage bringt, dass ihre Bühne ebenfalls dem Publikum gehöre, startete das Stage Diving und die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt bis dato. Das Set bestand zu großem Teil aus Songs des aktuellen Albums „Divine Council“, was sehr gut funktionierte, da dieses Album einfach gut gelungen ist und großartige Songs parat hält. Wer es noch nicht kennt, unbedingt reinhören.
Den Abschluss bildeten an diesem Abend ARCHSPIRE aus Vancouver. Technischer Death Metal der Extraklasse, wenn man mich fragt. Was bei ARCHSPIRE auf Platte eingespielt wird, wird bei ARCHSPIRE auch live genauso wiedergegeben. Sauberes Spiel auf den Punkt umgesetzt. Die Riffs und Songstrukturen sind extrem schnell, rhythmisch eine absolute Herausforderung und bergen dann noch progressive Einspieler und das Ganze so sauber, dass man die Augen schließen könnte und denkt, man steht zu Hause vor seiner Anlage und hört die Songs aus seinen eigenen Boxen. Unfassbar! Das Schlagzeug ist in all seiner hohen Geschwindigkeit abwechslungs- und einfallsreich, die Gitarren hauen melodiöse Hochgeschwindigkeitsgriffbrettakrobatik in die Menge, der Bass untermalt mit zusätzlicher Abweichung zu den Gitarren und Tapping sowie Solountermalung und teilweise eigenen Soloparts. Die Vocals sind extrem aggressiv und schnell. Sänger Oliver Rae Aleron ist großer Rap Fan und das merkt man in vielen seiner Phrasierungen. Er ballert die Lyrics wie ein Maschinengewehr ins Publikum und ist dabei stehts on point und seine Growls sind dennoch stehts kraftvoll und energiegeladen. Generell hat die Band eine energetische Bühnenpräsenz ohne Ende und Oliver weiß genau, wie er das Publikum außerhalb der Songs weiter anheizen kann. So wird zum Beispiel plötzlich mitten in der Menge Platz gemacht, um eine schnelle Runde Twister zu spielen oder er zieht Karten auf denen steht, was als nächstes passieren wird, was zu mehreren Walls Of Death führt oder Circle Pits entstehen lässt. Die Leute sind völlig außer Rand und Band. Die ersten Crowd Surfer versuchen an die von der Decke hängende Diskokugel zu gelangen und das wird so lange versucht, bis endlich jemand festen Stand auf den Schultern eines anderen erlangt, von weiteren Personen gestützt wird und sich die Kugel schnappt, um ihr einen Kuss zu geben. So haben ARCHSPIRE es nach PSYCROPTIC also nochmals geschafft, die Stimmung weiter anzutreiben und haben ohne Zweifel erbarmungslos abgeliefert. Es war nicht das erste Mal, dass ich ARCHSPIRE live gesehen habe und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, denn ARCHSPIRE sind immer ein Garand für großartige Gigs mit viel Professionalität und Freude an der Sache selbst. Ein zusätzliches Highlight des Abends war das Treffen von Eliran Kantor im Publikum. Eliran hat für drei der am Abend auftretenden Bands die aktuellen Coverartworks erstellt und sein Stil ist unfassbar mitreißend. Die Szenerien sind zumeist bedrückend düster aber mit leuchtenden Farben umgesetzt. Dieser Kontrast macht es faszinierend. Ein herausragender Künstler und sehr sympathischer Mensch, wie ich nun feststellen durfte. Es war ein gelungener Abend und das Team des SO36 hat wieder Mal einen hervorragenden Job gemacht, war freundlich und professionell. Der Sound war gut und bis auf das Ärgernis des verfrühten Starts war der Abend durchweg großartig. Vielen Dank (yves)
Archspire
https://archspire.bandcamp.com/music
„Drone Corpse Aviator“
Psycroptic
https://www.psycroptic.com/
„Enslavement“
Benighted
https://www.benighted.fr/
„Let The Blood Spill Between My Broken Teeth“
Entheos
https://linktr.ee/entheosofficial
„I Am The Void“