INTERVIEW

R.I.P. Independent :: Kommerz und Kunst ins Gleichgewicht bringen

Meine kleine Reise durch die deutsche Independet Filmemacher Szene führt uns dieses Mal zu R.I.P. Independent Productions, eine Filmschmiede aus Lünen (östliches Ruhrgebiet) die seit 1996 bevorzugt im Super 8 Format Filme dreht. Nachdem ich einige Werke von Regisseur Ralf Möllenhoff gesehen habe und von der Kreativität sehr positiv angetan bin, mussten die Eindrücke und die entstandenen Fragen in Form eines Interviews verarbeitet werden, welches nun folgend zu lesen ist. Viel Spaß beim Lesen! (michi)

 

Hallo Sonja, Hallo Ralf, stellt euch bitte kurz unseren Lesern vor.

RALF: Hallo, Michael. „Stell dich doch kurz vor“ und „Worüber handelt der Film“ sind für mich die schwierigsten Fragen eines Interviews, deshalb stellt mich jetzt die Sonja Imping von der R.I.P. vor.
SONJA: Okay, Ralf Möllenhoff ist als Filmemacher der absolute Überzeugungstäter, der schon als Kind Fan des Phantastischen Films war. Er wuchs z.B. mit King Kong, Frankenstein und Mondbasis Alpha 1 auf und man kann spüren, dass er das, was er tut, aus tiefster Leidenschaft und totaler Faszination macht.

RIP Independent hat schon eine längere Geschichte, kannst du dein Label ebenfalls kurz vorstellen?

RALF: Die R.I.P. entstand 1996 nach Fertigstellung des ersten Films R.I.P. – BIS ZUM MORGENGRAUEN aus der Notwendigkeit heraus, dem Baby zwecks Gewerbeanmeldung und Vertrieb einen Namen geben zu müssen. Ich bin immer noch großer Fan der Band ALIEN SEX FIEND, die hatten einen Song, der hieß R.I.P. und…that’s it! Die R.I.P. ist stark durch Post Punk und vom daraus resultierenden Independent-Spirit geprägt, rein bürokratisch besteht sie aus mir und meiner Lebens- und Filmpartnerin Sonja Imping, dahinter steht ein unverzichtbares, festes Team aus langjährigen Wegbegleitern. Wir produzieren Filme frei von Trends und Erwartungen.

Deine Filme sind nach dem optischen Muster der alten Horrorfilme gedreht. Etwas verwischt und grobkörnig. Was reizt dich an diesem Format wo doch inzwischen ohne weiteres auch in HD gefilmt werden kann?

RALF:  Guy Maddin filmt z.B. auch auf 16mm und Super 8, das sieht spitze aus. Sein letzter Film KEYHOLE jedoch war ein Digitalprodukt in schwarz-weiß, allein wegen des digitalen Looks lang nicht so bizarr wie die vorangegangenen analogen Schmalfilm-Produktionen. Gibt es gegenwärtig eigentlich noch andere Filmemacher, die sogenannte „abendfüllende“ Spielfilme auf Super 8 drehen? Mittlerweile ist das ja schon ein Alleinstellungsmerkmal. Gerade Independent-Filme der insbesondere 70er und 80er-Jahre hatten ja einen unglaublich stimmungsvollen, analogen Filmlook, ohne dessen sie um ein vielfaches an atmosphärischer Wirkung verloren hätten. Man stelle sich mal vor, die REITENDEN LEICHEN, MESSIAH OF EVIL oder BASKET CASE wären mit irgendeinem Videoformat gedreht worden, das wäre doch degradierend! Film allgemein wird heutzutage zu sehr auf bloße Auflösung reduziert, paradoxerweise ist man bei Digital-Produktionen gleichzeitig bestrebt, den typisch analogen Filmlook nachzuahmen. Viele Independent-Filmer wollen nach Mainstream und Hochglanz aussehen – diesem Anspruch wird man aber trotz des ganzen technischen Schnick Schnacks nicht gerecht, die Reduzierung auf das wesentliche fehlt. Da will ich überhaupt nicht nach Mainstream aussehen – das, was ich mache, soll nach Independent-Film aussehen und mit Super 8 tut es das von ganz allein.

Auch in Punkto Gore und Splatter setzt du auf die guten alten handgemachten FX Effekte. Wie wichtig ist es deiner Meinung nach für eine guten Horror Film auf diese Art Gewalt darzustellen?

RALF: Handgemachtes hat einen organischen Look und wie einfach der Effekt auch sein mag, er ist echt. Digitale Effekte können noch so gut gemacht sein, doch sobald man spürt, dass das, was man sieht, nicht real ist, und das spürt man unterschwellig beinahe immer, ist es vorbei mit der Wirkung. Im Animations- und SciFi-Bereich mag digitaler Look und -Effekte die Handlung unterstreichen, doch auch in Actionfilmen, wenn CGI’s beispielsweise diverse Stunts ersetzen, dann ist es vorbei bei mir, als sähe ich mir mit dieser typischen Distanz zum Animierten ein PC-Game oder Cartoon an. Wenn, dann gehören digitale Effekte reduziert eingesetzt und in guter Balance zu den analogen, wie z.B. in JURASSIC PARK oder TRANSCENDENCE.

Woher beziehst du deine Inspiration wenn ein neues Filmprojekt ansteht?

RALF: Es ist ein ziemlich großer Topf zeitlebens gewonnener Eindrücke unterschiedlichster Horror-Facetten, der mich nachhaltig beeindruckte, wobei es mir völlig egal ist, ob ein Film Effekte, Farbe und/oder Ton hat oder nicht. KING KONG und FRANKENSTEIN sind ganz frühe filmische Kindheitserinnerungen, ebenso die ganzen Hammer- und viele großartige Stummfilme. Als wesentlich prägenden Eindruck muss ich John Carpenter und George Romero nennen. Gerade der typische Carpenter-Story-Aufbau und Romeros seinerzeit rasante Schnitt-Technik habe ich sehr früh versucht filmisch zu begreifen. Horror hat für mich in erster Linie erst einmal gar nichts mit Gewalt zu tun, vielmehr mit extremen, unangenehmen, bizarren Situationen, wie man sie u.a. exemplarisch in Dreyers VAMPYR zu sehen oder in Poes Geschichten zu lesen bekommt. Dieser ganze phantastische Stuff hat meine Synapsen geformt und daraus entstehen meine Ideen.

Wenn ich die beiden Filme „Nerves“ und „Noir – Art Bizarre“ nehme, gibt es einen inhaltlichen Bezug der Filme zueinander. Wie kamst du auf die Idee beide Filme mit einer überschneidenden Handlung zu versehen?

RALF: Die Geschichte zu NERVES entstand größtenteils während des Schreibens – alles musste mehr oder minder zügig vonstatten gehen, da wir bzgl. der Haupt-Location ein stringentes Zeitfenster einzuhalten hatten. Die Geschichte zu NOIR entwickelte sich aus einer älteren Idee heraus, dem Maler, der durch Schwarz sich nicht nur bedroht fühlt, sondern zusätzlich die Kontrolle über sich selbst zu verlieren scheint. Die Schwarz-Paranoia ist eine sehr alte Idee von mir. Irgendwann dachte ich, es sei ein guter Background zu den vorangegangenen Geschehnissen in NERVES.

In beiden Filmen haben anscheinend ägyptisch inspirierte Rituale und Symbole Anwendung gefunden. Wie bist du auf diese Idee gekommen dies mitten in Deutschland spielenden Geschichten anzuwenden.

RALF: Als Sonja und ich mal in Ägypten waren, entwickelte sich in meinem Kopf eine Geschichte und noch vor Ort fing ich an, ein Drehbuch zu schreiben und einzelne Szenen mit einheimischen Statisten vor Pyramiden zu drehen. Doch, das war’s dann auch. Fragmente der Story sind bereits in NERVES und NOIR verarbeitet. Ich denke, irgendwann werde ich das Projekt produzieren, weil mir die tragische Geschichte gefällt und weil sie ein ganz anderes Licht auf Mumien wirft.

Bei „Dead Eyes Open“ interviewst du im typischen Zombie Nachrichtenblock niemanden geringeres als George A Romero. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

RALF: Offensichtlich hatte der großartige George Romero Gefallen an Super 8 – auch er filmte seine ersten Versuche auf diesem Format.

– Wie war sein Fazit zu diesem Film?

RALF: Das kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich erkannte  Romero meine Leidenschaft zum Film und er ahnte, wie sehr ich von seinen Werken fasziniert bin – es ging ihm anscheinend mehr um ein  Zeichen als umein Resultat. Ich habe gelesen, dass jemand Romero in diesem Streifen besser aufgehoben findet, als in irgendeinem Mainstreamer.

Es gibt eine Schrei Szene bei einem Zombie Biss bei dem man ziemlich auffällig lange Einstellungen der Zunge, der Augen sieht, was hat dich zu dieser auffälligen Szene getrieben und inspiriert? Giallo?

RALF: Mag sein, dass der Giallo diese Aufnahmen mit geprägt hat, ich denke jedoch, eher durch eine ähnliche Sequenz in NIGHT OF THE LIVING DEAD, als das untote Mädchen seine Mutter mit einer Gartenschaufel tötet: Der lange, markante Schrei mit starkem Delay, die statischen Bilder der Getöteten. Solche Parallelen geschehen unbeabsichtigt und mir fällt erst im Nachhinein auf, wie sehr man seine Favorites verarbeitet. In all meinen Filmen entdecke ich solche Momente.

Generell arbeitest du mit einer doch recht auffälligen Art von Perspektiven, Farbfiltern und anderen optischen Raffinessen. Wie arbeitest du diese aus? Wie lange dauert es, bis du mit einer Szene optisch zufrieden bist?

RALF: Ich schätze, am längsten brauche ich für das Licht, das ist sehr wichtig.
SONJA: Ja, das hängt meist mit einer Reihe äußerer Einflüsse zusammen. Die Perspektiven und anderen optischen Raffinessen, so wie du sie nennst, stehen natürlich alle im Drehbuch und müssten theoretisch nur noch umgesetzt werden. Lichtverhältnisse und Filter sind natürlich auch auf jede Szene abgestimmt. Nur, dann passiert natürlich das, was jeden Filmemacher schier zur Verzweiflung bringen kann, wenn bei Szenen im Freien z.B. der Schatten eines Baumes (den man zuvor noch nie gesehen hatte) auf einmal zu viel Schatten produziert, es zu regnen oder gar zu schneien anfängt, oder man hat eine tolle Szene mit einer Nebelmaschine und ein Sturm zieht auf. All diese Dinge tragen natürlich dazu bei, dass eine Einstellung, die normalerweise wenige Minuten bedarf, auch mal gut und gerne zwei Stunden dauern kann. Aufnahmen in Innenkulissen haben natürlich auch so ihre Tücken. Es ist ungeheuer wichtig, dass das Licht stimmt, damitdie Atmosphäre richtig rüber kommt. Also wird die  Beleuchtung so lange eingestellt, bis sie wirklich zu einhundert Prozent zufriedenstellend ist. Und das kann dauern.

Bis auf wenige Ausnahmen ist der deutsche Horrorfilm international wenig bekannt und nicht wirklich konkurrenzfähig. Was sollte passieren, um hier wieder an die Zeiten der Schwarz Weiß Film Zeiten anzuknöpfen?

RALF: Der heimischen Horrorlandschaft mangelt es an Eigenständigkeit, man sollte den Fokus auf inhaltliche und filmische Aspekte konzentrieren und weniger darauf, Tabus brechen zu wollen oder Effekt- Orgien abzuliefern. Wir brauchen nicht noch mehr Splatter- und Pseudo-Trash-Filmer. Auch in den 1920er Jahren, in denen ein unglaublicher Film-Output produziert wurde, war sicherlich eine Unmenge an filmisch- qualitativem Schrott dabei, aber es entstand auch  bedeutende Filmkunst. Deutschland hatte eine hoch-angesehene Filmkultur und es entstanden gerade im Phantastischen Bereich stilprägende Werke, welche bis heute zurecht hohes Ansehen genießen. Viele dieser bedeutenden filmschaffenden Künstler haben durch den II. Weltkrieg das Land verlassen, ebenso sollte bedacht werden, dass Hollywood den Unterhaltungsfilm in Sachen Massenkompatibilität perfektionierte, gerade zu Beginn des Tonfilms. Heute wie damals benötigt es Künstler mit ganz präzisen, eigenen Vorstellungen, um eine eigene Filmsprache entwickeln zu können – siehe beispielsweise französische oder spanische Horrorfilme. Wir müssten uns etwas der  hollywood’schen
Mainstream-Einheitskost entwöhnen, denn eine gesunde Mischung an Bild- und Erzähl-Vielfalt wäre wünschenswert. Das muss ja nicht mit der Brechstange geschehen, aber solange wir Kommerz und Kunst nicht ins Gleichgewicht bringen, können wir auch nicht an die guten alten Zeiten anknüpfen.

Einige Filme von RIP Independent werden in den USA über Troma Entertainment vertrieben. Gibt es sonst noch Kontakte und Zusammenarbeiten mit Llyod Kaufmann und seiner Trash Film Schmiede?

RALF: DEAD EYES OPEN wurde für den US-Sektor von TROMA übernommen, obwohl DEO nicht als wirklicher Trash produziert wurde. Echter Trash kann eigentlich auch nur unfreiwillig entstehen, bewusst stilisiert ist es, nimmt man es genau, Pseudo-Trash. TROMA ist eine recht agile, anarchistische Truppe. Mir gefällt deren Antihaltung zum Mainstream.

– Ihr arbeitet gerade an einem neuen Projekt namens „Allen Grey“, wovon handelt dieses neue Projekt?

RALF: ALLAN GREY ist wahrscheinlich mein bislang abgefahrenstes Filmprojekt, ein lang ersehntes Wunschprojekt, wie ein gefilmter Alptraum. Ich will jetzt noch gar nicht viel verraten, Interessierte finden auf der R.I.P.-Homepage weitere Details und können dort den Produktions-Status verfolgen.

Und auf was müssen wir uns bei „R.I.P. King Kong“ vorbereiten?

RALF: Auf ein unglaubliches Bewegtbild-Spektakel mit aufwändigen, mechanischen und elektronischen Prosthetics, vielen Statisten und einem coolen Soundtrack. Der Streifen ist eigentlich schon fertig und wartet noch auf ein geeignetes Event zwecks Premiere.

Wie wählt ihr eigentlich eure Darsteller aus? Sind dies alles Freunde und Bekannte oder gibt es auch richtige Darsteller Castings?

RALF: Meiner einstigen beruflichen Tätigkeit in der Werbung entstammen z.B. Detlef Klewer, Rocco Finamore oder Bodo Hertzer. Roland Riemer und Oli Peick kenne ich seit meiner Zivildienst-Zeit, Lothar Baltrusch lud mich vor fast 20 Jahren zu meinem ersten Radio-Interview ein. Wir pflegen allesamt wirklich gute Freundschaften. Von Produktion zu Produktion habe ich dann gelernt, wie gerade Laien zu führen sind, damit sie sich darstellerisch weiter entwickeln und Over-Acting vermeiden – das fällt mir heute im Vergleich zu frühen Produktion natürlich auf. Ich hatte mal versucht, überwiegend mit professionellen Schauspielern was zu machen – das hätte ich mir gar nicht leisten können! Selbst, wenn ich so viel wie möglich selbst realisiere, kostet eine Produktion acht- bis zehntausend Euro. Ohne meine tollen Darsteller könnte ich die Filme wahrscheinlich gar nicht drehen, sie sind die wahren Helden der R.I.P.

Wer steckt hinter Headhunter FX, die für die Gore Effekte in euren Filmen zuständig sind?

RALF: HEADHUNTER FX ist ein Kollektiv unterschiedlichster, freier Künstler, die einfach am Start sind, sobald dieses und jenes effektiv erstellt werden muss. Sie agieren namenlos im Hintergrund… Seltsam? Aber so steht es geschrieben.

Wie schaut es eigentlich mit euren Filmen und der FSK aus? Gab es da schon größere Hürden zu nehmen?

RALF: Da gab es bisher keine Probleme. Ich denke, auch dort erkennt man, dass in den Filmen lediglich das reinkommt, was auch rein gehört. Meine Effekte unterliegen der Geschichte. Ich setze mich nicht hin und überlege, was für tolle Splattereffekte ich rein packen könnte. Sobald die Story einen eigenen Run entwickelt, schreibe ich bloß noch auf – ohne Formel und Kompromisse.

Was würde passieren, wenn du das Angebot bekämst einen High End Blockbuster zu drehen und den Pfaden des Sam Raimi oder Peter Jackson zu folgen, die ja auch einmal mit ähnlichen Filmen wie du begonnen haben?

RALF: Das Wort „Blockbuster“ irritiert mich jetzt, aber es gäbe sogar zwei, drei Projekte, die ich mit benötigten finanziellen Mitteln realisieren würde, solange man mit meinem Stil zurechtkäme. Im Grunde setzt dies voraus, was ich bereits vorher zu Deiner Frage bzgl. des deutschen Horrorfilms und seiner Konkurrenzfähigkeit geschildert hatte.

Final möchte ich noch wissen, was du uns Filmjunkies mit auf dem Weg geben möchtest und warum unsere Leser gerade mal einen deiner Filme anschauen sollten, bevor sie Geld für das nächste uninspirierte Sequel oder Prequel ausgeben….

RALF: Es gibt keine Regeln, wie Film auszusehen hat. Er kann so unglaublich viele Gesichter haben, dass es ein Jammer wäre, lege man sich nur auf kommerzielle Produktionen fest. Film gilt es zu entdecken, das gilt auch für die Filme der R.I.P. – Old School is now!