FILM+HÖRSPIEL

FILM „Nerves“ (Horror / Splatter)

Originaltitel: Nerves

Herstellungsland: Deutschland 2008

DVD VÖ: 2010

Wertung: Gut

Regie: Ralf Möllenhoff

Darsteller: Michael Möllenhoff, Oliver Peick, Roland Riemer

FSK: ab 18

Studio: R.I.P. independent production

Genre:  Horror / Splatter

 

Inhaltsangabe:

Drei Stadtplaner erkunden zur Weihachtszeit einen unheimlichen, verlassen wirkenden Ort, den es gar nicht zu geben scheint. Kaum angekommen, sammeln sich Scharen weihnachtlich kostümierter Irrer in den verkommenen Straßen. Plötzlich schlagen sie zu und die Situation eskaliert – für die Eindringlinge beginnt ein unberechenbarer, blutiger Alptraum, der sie an den Rand des Wahnsinns treibt.

Meinung / Fazit:

Ich kenne es noch aus den späten 80ern oder frühen 90gern als man sich die Splatter und Horrorfilme als zigte Kopie besorgt hatte. Entsprechend schlecht war oft die Bildqualität, doch irgendwie gehörte gerade das zu diesen verruchten und irgendwie ja auch größtenteils zu der Zeit noch mehr oder weniger verbotenen Filmen. Heutzutage kommen selbst die B-oder C-Movies mit einer aalglatten  Bildqualität daher, eine HD Camera kostest nicht mehr viel. Aber genau damit geht solchen Filmen auch die entsprechende Stimmung und Atmosphäre verloren, die meines Erachtens ein ganz wichtiges Element für die Wirkungsweise dieser Filme hatte.  Umso erfreulicher ist es, das es immer noch Independent Filmemacher gibt, die ihre Filme bewusst grobkörnig und unscharf halten und gerade auch deshalb das Super 8 Format wählen.

Einige Filme dieser Art kann man bei R.I.P. Independent Production finden, einem kleinen Filmlabel für Underground Horrorfilme aus Deutschland. Der Film „Nerves“, welcher seinen Namen inspiriert von einem Song der Band Bauhaus bekommen hat, ist schon etwas älter und wurde uraufgeführt auf dem 19. KINOFEST LÜNEN 2008 im UCI-Programm MIDNIGHT MOVIES. 2010 folgte das DVD-Release für den Deutschland Markt.

Der Film  lässt uns teilhaben an einer Inspektion dreier Stadtangestellter, die ein Grundstück besichtigen. Doch hierbei kommt es schon zu der ersten verhängnisvollen Begegnung bei der einer der Stadtplaner durch einen Typen mit einer Heckenschere schwer verletzt wird. Bei der Flucht wird dieser dann auch noch von einem Auto mehrfach überfahren. Für die verbliebenen Inspektoren bleibt nur die Flucht vor einer Horde wahnsinniger Weihnachtsmänner in das nahe gelegene Haus. Doch dies stellt sich schnell als ausweglose Falle heraus, denn auch innerhalb dieses Anwesens geht Grauenhaftes vor sich…

Skurrile Gestalten mit grauenerregenden Masken, eine unwirklich erscheinende Weihnachtskulisse in dem Haus und immer wieder diese fiesen leicht übertriebenen Sounds in dem Film erzeugen eine sehr gute dichte Atmosphäre. Alles wirkt surreal und zugleich absolut bedrohlich. Was Regisseur Ralf Möllenhoff hier erschaffen hat ist ein sehr intensiver Terror Horror Film, welcher stellenweise sehr gute handgemachte Splattereinlagen vorzuweisen hat. Es werden Gliedmaßen mit Blutfontainen vom Körper entfernt, Schädel werden mit einem Hammer eingeschlagen und bereits abgetrennte Körperteile entwickeln ein mystisches Eigenleben. All das ist natürlich ohne digitale Hilfsmittel entstanden und gerade das macht den Film auch so authentisch für jeden der diese VHS Film Zeit noch miterlebt hat. Das Bild ist unscharf und dadurch sind die radikalen und intensiven Splatterszenen etwas im Verborgenen gehalten. Die filmerische Situation des im Haus gefangenen Menschen, der immer wieder von fies maskierten Weihnachtsmännern beobachtet wird, erinnert schon sehr an den aktuell gern verwendeten Home Invasion Trend im Horror Genre. Diese klaustrophobische Ausweglosigkeit gepaart mit einen fiesen Experiment, welches „Re-Animator“-mäßig eigentlich totes Material wieder aktiv werden lässt, passt wunderbar zusammen in diesem Film.

Zum Ansatz der Geschichte sagt Regisseur Ralf Möllenhoff:

EIN LEERES HAUS UND EIN BETONKLOTZ. EDGAR ALLAN POE UND WEIHNACHTEN. Die Ausgangssituation war verlockend und herausfordernd zugleich: Für zwei Monate stand ein Haus filmisch zur Verfügung, welches – wie im Film dargestellt – gegenüber einem ominösen Betonkoloss steht. Von der Location beeindruckt verfasste ich innerhalb eines Monats ein Drehbuch: Die Realität sollte zur bösartigen Scheinwelt verzerren – frei nach Poe’s DAS SYTEM DES DOKTORS PECH UND DES PROFESSORS FEDER. Es geht um ursprünglichen Horror, ohne den Zusatz allgegenwärtiger digitaler Spielereien. Es geht um destruktive Atmosphäre und dreckigen Splatter. Der Zuschauer bleibt stets in Ungewissheit darüber, inwieweit gefährliche Paranoia den Verstand des Protagonisten befallen – oder ihn gar bereits demontiert hat.

Letztlich ist dieser Film für Fans des Independent Horrors ein herrlicher Retro Film, der wie schon angedeutet an die gute alte Zeit des VHS erinnert, an Lucio Fulci oder auch an die frühen Werke de Jörg Buttgereit. Gerade weil alles optisch nicht so perfekt ist bekommt man beim Zusehen so ein ungutes und bedrohliches Gefühl. Obendrauf ist die Kameraführung sehr spannend. Teils sehen wir hektische Schnitte, immer wieder werden Perspektiven in Sekundenabständen gewechselt, dann aber wieder werden die bedrohlichen Szenen durch fast unerträglich langes Draufhalten intensiviert. Diese optischen Merkmale machen es wahrlich nervenaufreibend immer wieder um unseren „Filmhelden“ zu bangen, weil sich dieser wieder der obskuren Weihnachtsmänner erwehren muss. Spannung ist somit garantiert.

Der deutsche Film lebt, wenn auch im Independent Bereich. Aber vielleicht ist genau diese Basis im Untergrund der Nährboden um irgendwann den leidigen seelenlosen deutschen TV Produktionen Konkurrenz zu machen. Genau so hat sich auch die inzwischen sehr gute spanische und französische Horrorfilmszene entwickelt und ist heute aus dem renommierten Horrorfilmsegment nicht mehr wegzudenken. Weiter so!! (michi)