(Text + Photos by Holger)
Wer kann sich nicht erinnern an die Lockdowns im Frühjahr 2020… Konzerte und Festivals wurden abgesagt und man hing zu Hause in der Bude rum und begnügte sich mit Dosenbier einer Tüte Chips und Youtube Videos. Wie gut, dass das alles endlich hinter uns liegt, aber dennoch finde ich es recht ungewohnt wieder auf Konzerten zu sein. So war das Open Air Konzert auf dem Küsters Hof in Wunstorf recht förderlich, sich wieder an Menschenmengen, Zigarettenrauch und Bierfahnen und vor allem an laut grölenden Menschen und laute Musik zu gewöhnen. Somit begann die erste Station meiner Rose Tattour 2022 am 08. Juli in Wunstorf.
Sehr zur Freude vernahm ich die News, als im März ein letztes Datum der „Once in a lifetime Tour“ hinzugefügt wurde. Gegenüber der geplanten, aber wegen Corona ausgefallenen Tour 2020 kamen einige Dates dazu und das Open Air Konzert in Wunstorf auf Küsters Hof sollte der Start der Tour sein. Nachdem man im Vorfeld mit der Lokation sich einen Bauernhof auf dem Lande vorgestellt hatte, war es tatsächlich ein kleiner Innenhof mitten in der Stadt, der ringsherum mit kleinen Kneipen und Geschäften beseelt war, bzw. ist. Eine sehr schöne kleine Lokation mit einer durchaus urigen Atmosphäre. Die kleine Bühne, zwar Open Air aber etwas in das Gebäude eingelassen, war wirklich ein gemütlicher Anblick. Leider ging das Konzert sehr überpünktlich los, so dass bereits um 20 Uhr Rose Tattoo schon mit dem ersten Song „Rock and Roll Outlaw“ begannen als wir gerade durch den Eingang gingen. Kaum Zeit zum warm werden. Das fand ich etwas schade, denn eine Vorband ist ja dazu da, um sich einzuheizen, doch von der haben wir leider nichts mitbekommen. Mit ca. 450 Leuten war der besagte Innenhof zur Hälfte gefüllt, so dass man überall gut durchkam und sich problemlos zwischendurch ein Bier holen konnte. Die Setlist unterschied sich bei den Konzerten nur dadurch, dass sie jeweilig immer nur einen Song weglassen haben. In Wunstorf haben sie „Out of this Place“ nicht gespielt. Gegenüber der Touren 2018 und 2019 haben sie anstelle von „Branded“, „Astra Valley“ und „Assault & Battery“ (2018) und „Who’s got the Cash“ „Tramp“ und „Stuck on you“ (2019) diesmal „it’s gonna work itself out“, „Juice on the lose“ und tatsächlich „Sidewalk Sally“ gespielt. Ob man diese Songs wohl auf dem Oktoberfest oder der lokalen Kirmes spielen dürfte, wäre fraglich. Als ich meinem Arbeitskollegen von dem letztgenannten Song erzählt habe, fragte er mich nur „ah okay, Layla in cool oder was?“ Diese Frage konnte ich mit einem aus dem Herzen grinsendem ‚Ja‘ beantworten. https://kuesters-hof.de/
Die zweite Station meiner Rose Tattour führte mich 2 Wochen später nach Hamburg in die Markthalle. Wirklich großartige Lokation, in der ich 2003 Satyricon gesehen habe und ich dachte mir. ‚wow‘ da mal Rose Tattoo sehen wäre bestimmt mega, und dem war auch so. Aber fangen wir am Anfang an. Wenn man einen alten Schrott Opel fährt, ist es immer sehr abenteuerlich so weite Strecker hinter sich zu bringen. In der Hoffnung überhaupt anzukommen, steht man bei Hitze im Stau vor Hamburg und hoffe zuletzt, dass die Karre nicht liegen bleibt. Nun denn, in Hamburg angekommen nimmt man in Kauf, erstmal 2 Mal um den Block zu fahren, um einen Parkplatz zu finden. In Hamburg 2 Mal um den Block fahren, kann gut und gerne 20 min. dauern, aber scheiß drauf, wenn man genügend Zeit hat. Wenn man dann einen Parkplatz gefunden hat, stellt man fest, dass 3€ Parkgebühr pro Stunde ja echt ein fairer Kurs ist. Mal rechnen, 18Uhr bis bestimmt 0.00Uhr = 18€ für Parken? Parkautomat sagt 10€ für den ganzen Tag, auch gut. Zu blöd gewesen, an ein zweites T-Shirt zu denken, mache ich mich durchgeschwitzt nass im Schritt und unter den Armen auf zur Markthalle. Ich liebe es einfach, in einer anderen Stadt zu sein, da meine Heimatstadt Bielefeld der Inbegriff der Langeweile geworden ist. An der Markhalle angekommen und den ersten Gesprächen mit der örtlichen Rock’n’Roll Szene, die aus Wolfsburg kam :-), erfuhr ich, dass Uwe Seeler, das Hamburger Fußball Urgestein gestorben war, was zu einigen trüben Gesichtern geführt hat. So hatte man gleich wieder ein Heimisches Gefühl 🙂 . So kam es zumindest, dass ich die Vorgruppe „The Poor“ sehen konnte. Arm sahen sie auf jeden Fall nicht aus und ob sie nach der Tour mit den Taschen voll Geld nach Hause fahren, kann man auch nicht wissen. Aber was man nach dem Konzert weiß ist, dass sie schon einige Jahre auf dem Buckel haben und eine Mischung aus Hard Rock und Hair Metal machen. Die Band ist irgendwie schwer einzuordnen und außer die üblichen Verdächtigen Bands, kenne ich mich auch in dem Genre nicht so aus, jedoch war es für mich nichts Besonderes. Dennoch eine coole Show und der Sänger und Gitarrist ist definitiv eine coole Frontsau.
Rose Tattoo pünktlich wie die Maurer, um 21.10Uhr ging es dann los mit „Bring mich weg von hier“ als Opener eher ein ironischer Beginn, aber sehr gut zum Auflockern. Wer die Markthalle nicht kennt, dem lass gesagt sein, dass der ca. 1000 Mann fassende Raum oben liegt wie eine Art kleines Amphitheater. Die Bühne ist unten und rings rum sind breite Abstufungen, so dass man nur ganz unten vor der Bühne steht, auf der ersten Stufe steht man auf Höhe der Bühne usw. Man sieht von überall gut und auch der Blick für die Band muss hammermäßig sein, denn von der Bühne lässt sich fast jedem einzelnen Fan ins Geschichte schauen, was dem Ganzen eine besondere Atmosphäre verleiht. Schade finde ich, dass die Reihenfolge der Songs auf dieser Tour jedes Mal gleich war. Nicht dass als Kenner der Setlist die Überraschung fehlt, sondern eher dass ein mega tanzbarer Song wie „Rock and Roll is King“ definitiv in der Mitte oder am Ende des Sets liegen sollte, wenn die Leute schon richtig in Stimmung sind. Des Weiteren finde ich die Songs vom letzten Album wie „Man about Town“, „Black Eyed Bruiser“, „1854“ und „Once in a lifetime“ immer besser, je öfter man sie hört. Alle Leute, die sich noch auf die alten Songs beziehen, sollten durchaus mal ein Ohr riskieren. Nach 80 min. ging die Band von der Bühne, aber jeder wusste, dass sie nochmal wieder kommen würden, aber was dann passierte, war die beste Zugabe, die ich je in meinem Leben erlebt habe. „The Butcher and the fast Eddie“, eine schöne Geschichte über zwei rivalisierende Personen, und zu guter Letzt „Nice Boys“. Diese beiden Songs wurden für die Zugabe auf 20. Min gestreckt, mit Spiel und Spaß die Zuschauer eingebunden und mit einer kleinen angespielten Elvis Coverversion, die die ganze Sache aufgelockert hat, waren es die 20 min. Encore Partystimmung pur, die ich je erlebt habe. Die Leute haben so herzhaft gefeiert, dass selbst Angry Anderson sich noch bevor der letzte Ton erklang, beim großen finalen Tusch auf das Schlagzeugpodest setzte, und sich kopfschüttelnd mit einer Hand vor die Augen haltend eine Träne wegwischte. Ein so herzhaftes und inniges Verhältnis zwischen einem Musiker und dem Publikum habe ich vorher noch nie erlebt und ich habe Rose Tattoo bis dato schon 9 Mal gesehen. Grandios wäre noch untertrieben und in Gedanken war ich schon einen Tag später in Osnabrück mit einer Erwartungshaltung, die ich hätte bleiben lassen sollen.
Man soll ja keine Erwartungen haben, um nicht enttäuscht zu werden, heißt es im Allgemeinen. Im Zen sagt man, man soll in der Gegenwart und im Jetzt leben, die Vergangenheit ist vorbei und die Zukunft eine Illusion. Nachdem ich um 2.30 Uhr aus Hamburg zurück war und bis 11 Uhr geschlafen habe, denn etwas muss man ja von seinem Urlaub haben, plätscherte der Tag so vor sich hin. Kaum Zeit gehabt zu realisieren, was den Abend zuvor stattgefunden hat, stand schon das nächste Konzert an, was mich irgendwie mit einer inneren Unruhe beschattete. Die Erwartungshaltung war nach Hamburg klar ins „lahme“ Osnabrück zu fahren :-). Und so wartete ich vor dem Hyde Park Parkplatz auf einen Kollegen, für den ich extra noch eine Karte bei Ebay erstanden habe, der sich aber wegen Rückenschmerzen mit Medikamenten vollgepumpt hatte und eingeschlafen und nicht zu erreichen war. Na toll. Karte vertickt, Pech gehabt Mann! Auffallend war, dass von allen Tatts Konzerten, die ich bisher gesehen habe, in Osnabrück die meisten Metal Heads rumliefen. Dennoch meine eher pessimistische Einstellung gegenüber dem Hyde Park, der für Rose Tattoo eigentlich viel zu groß ist, verflog nicht. Und immer noch verärgert über den nicht aufgetauchten Kollegen, spielten „The Poor“ unverändert das, was sie den Abend vorher gemacht haben, eine coole Glamshow mit ordentlich Power. Ein paar Leute, mit denen ich gerechnet habe, waren leider auch nicht da, aber dafür habe ich auch Leute getroffen, mit denen ich gar nicht gerechte hatte, was natürlich auch schön war, jedoch hatte ich mich echt drauf gefreut, mit bekannten Gesichtern zu feiern. Selbst Schuld, wenn man sich so ein geile und legendäre Band durch die Lappen gehen lässt. So war es die innere Nervosität und der Abend zuvor, der meine Anspannung bis ins Unermessliche steigen ließ. Ich konnte kaum einen Satz zu Ende bringen, ohne auch nur ansatzweise den Leuten erzählen zu können, was sich einen Tag zuvor in Hamburg abgespielt hatte. Irgendwann habe ich es aufgegeben, da ich mich wie ein 15-Jähriger angehört habe, der zum ersten Mal kurz davor ist, seinen Lümmel einzulochen.
So habe ich mir mein erstes Bier gegönnt und Rose Tattoo starteten wieder mit „Out of this Place“ gefolgt von „Scarred for live“ und wieder „Rock and Roll is King“ viel zu früh als drittes und meine Anspannung ließ langsam nach. Mich wundert es immer wieder, wie eine Lokation Auswirkung auf das zu erlebende Konzert hat. In der Markhalle haben die Leute vor der Bühne es eher locker angehen lassen, während aber die ganze Halle bis oben zur letzten Reihe am Feiern war, es war ein einziges feierndes Kollektiv und jeder schien den anderen anzustecken. Freudvolle Gesichter um einem herum und die Band auf der Bühne ließen einen auf einer stetigen Endorphinwelle surfen. In Osnabrück hingegen sprangen die Leute vor der Bühne im Dreieck, ein Mob aus pogenden und headbangenden Rock und Metalheads feierten sich die Seele aus dem Leib, während hinten die Leute teils gelangweilt oder gemütlich, aber eher teilnahmslos an der Theke standen. Die Band weiß einfach, sich die Meute zu packen und zu fesseln. Angry Anderson mit 74 ist einfach eine coole Sau, er ist der härteste und liebste Frontmann zugleich und solange er lebt und auf Tour ist, werde ich mir das geben. Leider stand er nicht für ein Interview zur Verfügung, was ich sehr sehr schade fand, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Im nachher doch gut gefülltem Hyde Park haben sie auf „The Butcher and the fast Eddie“ verzichtet. Ansonsten „We can’t be beaten“, „Sweet Love“, „Creeper“, „Nothing to lose“ und die oben genannten Songs. Und so stellt man wieder fest, dass man Erwartungen gänzlich aufgeben sollte, egal ob sie positiver oder wie in meinem Fall eher negativ gehalten sind, denn bekanntlich kommt es immer anders als man denkt. (Holger) www.carlos-konzerte.de