LIVEBERICHT

(DOLCH) + THE RUINS OF BEVERAST + KING DUDE :: Introvertiert, intensiv und zickig


Live im Turock in Essen am 20.10.2017
Fotos & Text © by chris

Nach dem Ende des ACHERONTIC ARTS in der Art, wie wir es drei Mal besuchen durften, kommen die Fans guter Musik ziemlich schnell wieder auf ihre Kosten. KING DUDE verriet auf dem zweiten ACHERONTIC ARTS, dass Sven das Label mit eiserner Faust führt und so hat Sven nun (DOLCH), KING DUDE und THE RUINS OF BEVERAST entführt und wird sie erst wieder ins Studio entlassen, wenn sie eine ausgedehnte Tour gespielt haben, die sie durch Deutschland, die Niederlande, England, Frankreich, Tschechien, Polen, Österreich, Slowenien und Italien führen wird. Es ist die erste Tour dieser Art, die mehrere Bands von Ván Records durchziehen und wenn das der neue Weg sein soll, dürfen die Fans des Labels und guter Musik auf jeden Fall in die Hände klatschen.

Musikgeschmack ist äußerst subjektiv, aber ich denke, dass das Billing zu einem der stärksten des Jahres gehören dürfte und insoweit freut es mich, dass ich mit meiner Meinung nicht allein dastehe und die Fans dieses Angebot dankend annehmen, denn Jena war blitzschnell ausverkauft und auch für den Gig in Essen hatte man bereits einen Tag zuvor alle Karten an den Mann gebracht.

Das Turock in Essen ist eine tolle Location und die Crew, das Licht, die Getränke… hier ist alles im grünen Bereich. Lediglich der „Raucherraum“, der eher ein Raucheraußengehege ist, ist überfüllt und wir können von Glück reden, dass es nicht regnet. Neben dem Konzertraum in Erdgeschoss hat das Turock oben noch eine Art Balkon und eine Lounge zu bieten, in der man schön sitzen kann und durch die Bar bestens mit feinen Getränken versorgt werden kann. Dank des langen Tages und einer fünfstündigen Fahrt in den Pott habe ich Lust mich auf der Balustrade aufzuhalten und auch wenn der Gig heute ausverkauft ist, sieht man von hier oben ganz gut, dass er nicht überfüllt ist, was ich persönlich sehr löblich finde. Das Turock wird mir also in feiner Erinnerung bleiben.

Der Weg von (DOLCH) ist wirklich beeindruckend… auf dem ersten ACHERONTIC ARTS spielten sie recht früh, auf dem zweiten ACHERONTIC ARTS waren sie für mich der heimliche Headliner des ersten Tages und nun sind sie Teil einer großartig besetzten Tour. Mit der fünften Veröffentlichung („III – Songs of Happiness, Words of Praise“) im Rücken steht einer Fortsetzung des Triumphzuges wohl nichts mehr im Wege.

Ein (DOLCH)-Gig ist immer besonders… in meinen Augen wachsen sie von Gig zu Gig und es ist eine Freude, die Band heute auf der Bühne zu erleben. Ansagen oder ähnliches störendes Beiwerk sucht man hier vergebens, vielmehr ist der Auftritt als Einheit zu sehen, die Songs ergänzen sich, ob es die Highlights der ersten Demos sind, „Riding with the King“, „An den Mond“ oder auch neue Songs des demnächst erscheinenden „III – Songs of Happiness, Words of Praise“-Albums wie „100000 Days“.

Die introvertierte Attitüde der Band, mehr oder minder verhüllt auf die Bühne zu treten, viel Nebel, kein direktes Licht, keine Interaktion gibt dem Ganzen eine besondere Aura. Als Zuschauer und Fan habe ich immer den Eindruck, als würde ich des Nachts vor einer mysteriösen Villa flanieren und wie ein Voyeur ein fremdes Ritual heimlich durch ein Fenster beobachten. Die Band im Inneren weiß, dass ich da bin, lächelt in sich hinein, übt ihr Ritual unbeeindruckt aus, während mich dieses Ritual immer mehr in seinen Bann zieht, bis ich schlussendlich von der ausgeübten Spiritualität vollends ergriffen werde.

So ist es auch heute… der Sound, die Songs… alles ist eins. Alles fließt und wärmt. (DOLCH) ist wahrlich eine der spannendsten Bands, die ich in den letzten Jahren neu für mich entdecken durfte und der Gig heute im Turock beweist, dass ich dieses Gefühl nicht exklusiv habe (und auch gar nicht möchte), denn wenn ich mich nicht täusche, sind bereits bei den ersten Klängen alle Fans vor der Bühne versammelt und von meinem Platz auf dem Balkon sehe ich die Köpfe im Takt nicken.
[Veröffentlichungen bei Ván Records: „I & II“, 2015, Ván 152 † „Split w/ KING DUDE“, 2016, Ván 178 † „An den Mond“, 2017, Ván 211 † „III – Songs of Happiness, Words of Praise, 2017, Ván 226]

Bei THE RUINS OF BEVERAST habe ich eine gänzlich andere Assoziation, als bei (DOLCH)… weniger Voyeurismus im Giallo-Style, sondern als würde mich Vergil höchstpersönlich abholen und eine Sightseeingtour durch die neun Höllenkreise anbieten und dabei ist ein ein Angebot, welches man nicht ablehnen kann.

Zu Beginn der Show werden THE RUINS OF BEVERAST von der (DOLCH)-Frontfrau verstärkt und gemeinsam beginnt man nach dem Schamanenintro mit „Exuvia“. Besonders der Beginn des Auftritts haut mich aus den Socken, denn der Sound ist großartig und die Band steigt perkussiv-entspannt und doomig ein. Es ist immer beeindruckend, wenn die Band nicht Vollgas gibt, sondern sich langsamen oder auch filigranen Parts hingibt, denn nicht jedes Soundsystem ist der Urgewalt gewachsen, die die Band regelmäßig entfacht; der Sound ist heute allerdings immer klasse. Von Vollgas und Atmosphäre bekommen die Fans auch jede Menge und vielleicht ist es die Euphorie, dass ich die Band mal abseits großer Festivalbühnen erleben darf, aber für mich ist es mein Lieblingsauftritt von THE RUINS OF BEVERAST, womit ich der Band nicht die Fähigkeit absprechen kann oder will, dass man die großen Bühnen fachgerecht zerlegen kann… das haben sie schon so oft bewiesen, aber für mich ist die heutige Katharsis halt etwas Besonders. „Sutur Barbaar Maritime“ und „Maere“ vom aktuellen Album „Exuvia“ werden u.a. ergänzt von „Malefica“, und „Between Bronze Walls“ und auch wenn wir nicht alle neun Höllenkreise besuchen, ist es eine Reise, die läutert und reinigt.
[Veröffentlichungen bei Ván Records: „Unlock the Shrine“, 2004, Ván 001 † „Rain upon the impure“, 2006, Ván 009 † „The foulest semen of a sheltered elite“, 2009, Ván 030 † „Enchanted by Gravemould“, 2011, Ván 059 † „Blood Vaults“, 2013, Ván 090 † „Takitum Tootem! (Wardance)“ † 2016, Ván 198 † „Exuvia“, 2017, Ván 212]

Ich liebe KING DUDE, das dürfte bekannt sein. Auf dem zweiten ACHERONTIC ARTS stand er ganz allein auf der Bühne und hat eine Mischung aus Stand up-Comedy und traurigen Balladen zum Besten gegeben, aber heute kommt er in voller Bandbesetzung: die Demon Brothers unterstützen ihn elektronisch und ich fiebere den Umsetzungen der Songs wirklich entgegen.

KING DUDE (AND HIS DEMON BROTHERS) ist also der heutige Headliner. Er und seine dreiköpfige Band legen logischer Weise das Hauptaugenmerk auf die rockigeren Songs der letzten Alben und das funktioniert prinzipiell ganz gut. Allerdings habe ich heute das Gefühl, dass die Band nicht ihren besten Tag erwischt hat, denn anfangs sind sie mit dem Sound nicht ganz zufrieden und im späteren Verlauf sorgt die inflationäre Nutzung der Nebelmaschine dafür, dass gerade mein Lieblingssong „Silver Crucifix“ abgebrochen wird und der Dude etwas rummault. Als sich dann noch jemand aus dem Publikum despektierlich äußert, ruft er dazu auf, dass wir uns unseren Abend nicht von einem Störenfried verderben lassen sollen und durch die Blume sagt er dem Unhold, dass es auch ein paar auf die Fresse geben könnte; allerdings weitaus schöner in Worte gekleidet. Aber auch sonst habe ich den Eindruck, dass die Band an sich etwas steif daherkommt. Vom Charisma des Kings, wie beim ACHERONTIC ARTS FESTIVAL, ist heute leider nicht die volle Portion zu erleben. Bei manchen Songs auf den Alben singt er mit einer dreckigen Stimme und die kommt heute auch zum Einsatz, was ich als Gegensatz zu seiner großartigen Singstimme als sehr gut wirkt und in diesem Bandszenario auch absolut Sinn macht. Trotz aller Widrigkeiten ist der Auftritt dennoch nicht schlecht, denn die Songauswahl kann mich begeistern: „Holy Christos“, „I wanna die at 69“, „Death won’t take me“, „Deal with the Devil“, „Fear is all you know“, „Jesus in the Courtyard“ (inklusive Mitsingteil), „Silver Crucifix“, „Sex Dungeon U.S.A.“, „Swedish Boys“, „Heavy Curtain“, „Rosemary“, „Black Butterfly“ und „Miss September“ wird schließlich als letzter Song angekündigt. Und tatsächlich: danach ist nach noch nicht einmal einer Stunde Feierabend und auch die lauten „Zugabe“-Rufe werden gepflegt ignoriert.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Regel sein sollte, dass der Headliner kürzer als die anderen Bands spielt, aber vielleicht ist dem Dude eine Laus über die Leber gelaufen. Wenn das der reguläre Set als Headliner war, will ich nichts gesagt haben, aber wenn es den Befindlichkeiten des Kings und seiner Dämonen geschuldet sein sollte, wäre es professioneller gewesen, die Fans noch ordentlich zu bedienen, anstatt sie viel zu früh in die Nacht zu entlassen. So sehr ich die Musik liebe… ich kann nicht verheimlichen, dass ich dezent enttäuscht bin.
[Veröffentlichungen bei Ván Records: „My beloved Ghost“, 2012, Ván 079 † „Love“, 2012, Ván 080 † „Burning Daylight“, 2012, Ván 085 „Holy Trinity“, 2013, Ván 087 † „Split w/ URFAUST“, 2013, Ván 099 † „Fear“, 2014, Ván 111 † „Deal with the Devil“, 2015, Ván 151 „Songs of Flesh & Blood In the Key of Light“, 2015, Ván 155 † „Split w/ (DOLCH)“, 2016, Ván 178 † „Sex“, 2016, Ván 189]

Die erste ausgiebige Tour eines Ván Records-Packages ist also erstklassig besetzt und absolut professionell organisiert, den Eindruck habe ich zumindest als Gast und ich hoffe, dass es in allen Belangen ein Erfolg wird, damit wir noch möglichst oft in den Genuss einer solchen Tour kommen werden. Phantastische Bands gibt es im Stall von Ván Records ja bekanntlich zuhauf. (chris)