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FILM „Milano Kaliber 9“ (Polizieschi)

Originaltitel: Milano Calibro 9

Produktion: Italien, 1971

BluRay-Veröffentlichung: 25.01.2017

Wertung: großartig

Regie: Fernando di Leo

FSK: 16

Darsteller: u.a. Mario Adorf, Gastone Moschin, Barbara Bouchet, Lionel Stander…

Genre: Polizieschi

Studio: filmArt

Inhalt:
Nach drei harten Jahren verlässt Ugo Piazza (Gastone Moschin) endlich den Knast. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer. Seine Vergangenheit schlägt kaltblütig zu! Neben der Polizei sitzt ihm Rocco Musco (Mario Adorf), der sadistische und unberechenbare Handlanger des „Amerikaners“, im Nacken. Er will Piazza zum Reden bringen. Und das um jeden Preis. Piazza soll dem Amerikaner, vor seiner Verhaftung, 300.000 Dollar gestohlen haben. Seine Erklärungsversuche finden beim Syndikat wenig Anklang. Selbst seine damalige Freundin, Nelly (Barbara Bouchet), ist sich nicht im Klaren darüber, was vor ihren Augen gespielt wird. Nur Piazzas Freund Chino (Philippe Leroy) steht ihm zur Seite. Die Schlinge zieht sich unaufhaltsam zu. Am Ende dreht sich für Piazza alles um die entscheidende Frage: Hat er das Geld wirklich gestohlen?

ACHTUNG: DAS REVIEW KANN SPUREN VON SPOILERN ENTHALTEN!

Mit „Milano Kaliber 9“ veröffentlicht filmArt einen echten Knaller des italienischen Genrefilmes.

Wenn ich bedenke, was für einen Scheißfilm Fernando di Leo mit „Das Schloss der blauen Vögel“ im selben Jahr auf die Menschheit losgelassen hat, habe ich das Gefühl, dass es sich um einen wahrlichen Quantensprung in Sachen Qualität handelt. Er hat den Film so modern inszeniert, dass er für Einsteiger in das Genrekino der 70er Jahre perfekt geeignet ist. An diesem Film ist alles rund: die Charaktere sind durchweg erstklassig gespielt, die Geschichte wird spannend mit Schlenkern und Überraschungen inszeniert, die Musik ist großartig und zu keiner Sekunde kommt Langeweile auf, was bei diesen alten Schinken nicht immer selbstverständlich ist. Interessanter Weise spielen alle Personen eine wichtige Rolle und so überrascht es auch nicht, dass Quentin Tarantino diesen Film schätzt, denn seine Arbeitsweise ist ähnlich.
Bis zum bitteren Ende weiß der Zuschauer nicht, wer die 300.000 Dollar des Amerikaners gestohlen und aus diesem Unwissen heraus entwickelt die Geschichte ihre Kraft. Wird Ugo Piazza zu Unrecht vom Amerikaner und seiner Gang verfolgt? Als dem Amerikaner dann auch noch eine große Summe Geld entwendet wird, spitzt sich die Lage immer mehr zu.

Ugo Piazza, grandios gespielt von Gastone Moschin (u.a. „Gewalt – Die fünfte Macht im Staat“ und „Der Pate – Teil 2“), bleibt zu jeder Sekunde undurchsichtig und dennoch gehören die Sympathien des Zuschauers zweifellos ihm; Ich denke, dass ein Jason Statham sich den Film 4.359 Mal angeschaut haben wird und sich jedes Mal dachte: Wenn ich mal Schauspieler werde, möchte ich so sein wie Gastone Moschin als Ugo. Die Rolle und auch der Schauspieler ähneln Statham so sehr, dass es beinahe gruselig ist. Ugo spricht nicht viel, aber wenn er etwas sagt, hat es Hand und Fuß; zum Beispiel, als er vom Amerikaner nach dem Geldraub verhört wird. Da zeigt sich auch die Qualität der Geschichte, wenn ihr mich fragt.

Als kompletter Gegenentwurf zu Ugo agiert Mario Adorf (u.a. „Malastrana“, „Der Tod trägt schwarzes Leder“) als Rocco Musco: gestenreich, temperamentvoll und leidenschaftlich übt er seinen Job als Handlager des Amerikaners aus. Bereits im Vorspann ist es Rocco, der zeigt, warum „Milano Kaliber 9“ ein harter Polizieschi ist, auch wenn die Gewaltdarstellung aus heutiger Sicht natürlich antiquiert wirkt; aber bereits nach wenigen Minuten drei Verdächtige des Raubes der 300.000 Dollar mit Dynamit in die Luft zu sprengen, hat auf jeden Fall Stil. Je öfter die beiden Hauptcharaktere zusammentreffen, umso offensichtlicher wird, dass Rocco viel Respekt gegenüber Ugo hegt; spätestens in der dramatischen Schlussszene war ich beinahe von seinem emotionalen Ausbruch gerührt.

Es sind aber nicht nur diese beiden Charaktere, die begeistern, denn ich habe ich bis in die kleinste Nebenrolle keinen Ausfall bemerkt. Der Amerikaner, gespielt von Lionel Stander (ihr wisst schon: der Butler Max aus „Hart aber herzlich“) gibt den Paten mit einer ordentlichen Portion Selbstüberschätzung („Ich mache niemals Fehler.“) und der Freund Ugos, Chino (gespielt von Philippe Leroy, u.a. „The frightened Woman“), lebt nach seinen eigenen Prinzipien und Regeln und der Charakter wirkt dabei niemals aufgesetzt. Nelly (Barbara Bouchet, u.a. „Der schwarze Leib der Tarantel“, „Don’t torture a duckling“), seine Freundin, ist nicht nur hübsch, sondern auch ein wahrhaft durchtriebenes Luder.

Die Polizei bleibt zwar etwas blass bei der ganzen Geschichte und Fernando di Leo wollte es sich nicht nehmen lassen, Kritik an der Gesellschaft mit einzubauen und das ist der einzige Strang der Handlung, auf den man gut und gerne aus heutiger Sicht verzichten könnte; damals war es sicherlich eine Notwendigkeit. Aber der Idealist trifft hier auf den Realisten und das „Wegloben“ von Querulanten, die den seit Jahren eingefahrenen Arbeitsablauf mit frischen Ideen verändern wollen, hat es auch schon Anfang der 1970er Jahre gegeben.

Rund ist auch die Ausstattung, die uns filmArt bei dieser Blu-Ray-Premiere spendiert.
Neben der Originalversion findet man auf der Blu-Ray die Deutsche Kinofassung in HD, eine ausführliche Einleitung von Dr. Marcus Stiglegger, zwei Dokumentationen („Caliber 9“ und „Fernando Di Leo: Genesis of the Genre“), ein Musikvideo von Salem’s Pop („Steel“) und Trailer. Das Booklet enthält diesmal keinen ausführlichen Text, aber den kompletten, deutschen Kinoaushang.

Das Bildformat liegt in 1,85:1 (anamorph, 1080p Full HD) vor und ist hervorragend geraten; den Ton könnt ihr im DTS-HD Master Audio (deutsch und italienisch) genießen.

Alles in Allem eine absolute Kaufempfehlung. Wenn man einen solchen Film sieht, muss man den Hut ziehen. (chris)

Bitte beachtet, dass der Trailer nicht von der filmArt-Veröffentlichung stammt und keine Rückschlüsse auf die Bildqualität zulässt!

https://youtu.be/RVx3BotuID4