12.08. – 14.08.2011 Hildesheim / Drispenstedt
u.a. mit Within Temptation, Hurts, ASP, VNV Nation, Apocalyptica, Project Pitchfork, Blutengel, Tanzwut, My Dying Bride, Patrick Wolf, End Of Green, Mono Inc., Atari Teenage Riot, Tiamat, Funker Vogt, Equilibrium, Mesh
www.meraluna.de
Photogalerie (s.u.) by Michi
Freitag
Jedes Jahr wieder denke ich darüber nach, wie lange man das noch mitmacht. Aber bisher kam mir noch nie in der 16-jährigen Festivalgeschichte auf dem Hildesheimer Flugplatz die Idee, nicht das M`ERA LUNA Festival zu besuchen. Zu viele schöne Stunden mit Freunden und guter Musik habe ich hier schon verbracht und von mir aus könnte das noch Ewigkeiten so weiter gehen! Da macht es auch eigentlich nichts, dass das LineUp lange nicht so attraktiv ausfällt wie die Jahre zuvor. Aber immerhin sehe ich mal wieder meine alten Freunde von PROJECT PITCHFORK und natürlich ist der erstmalige Auftritt von ATARI TEENAGE RIOT ein absolutes Muss für jeden Fan vom elektronischen Krach.
So sind es auch dieses Jahr wieder die üblichen Verdächtigen, die sich traditionell schon am Freitag auf dem Zeltplatz zusammenfinden. Der Weg bis dahin war mit Stau und Regen etwas unschön ausgefallen, aber spätestens beim Erblicken der Zeltburgen werden so viele Glückshormone ausgestoßen, so dass nur noch die Freude auf die kommenden Tage überwiegt. Leider müssen wir grade in der Zeltbauphase mit einem Wolkenbruch kämpfen, aber auch das wird gekonnt und routiniert gemeistert, genauso wie das traditionelle Konsumieren vom Bier, welches uns in die entsprechende Stimmung versetzt, um endlich mal wieder ordentlich im Hangar zu tanzen. Gesagt getan, anders als die Jahre zuvor ist richtig gute, abwechslungsreiche Musik zu hören und genauso positiv ist zu bemerken, dass Musik wie FRONT 242 oder SISTERS OF MERCY ungeeignet zu sein scheint für das dämliche Cyber Goth Volk. Nach einigen Stunden, vielen Bieren und deshalb auch großen Verlusten in den Geldbörsen geht’s zufrieden zurück zum Zelt, wo noch gemütlich abgehangen wird.
Samstag
Aufgewacht, Dreck vom Vortag abgeschüttelt und ordentlich gestärt mit dem wichtigen Frühstücksbierchen geht’s pünktlich vor der ersten Band WINTERSPRING auf das Festivalgelände. Die Band, die über den M´era Luna Newcomer Wettbewerb einen Platz auf der Bühne bekommen hat, macht einen routinierten Auftritt. Sauberer Gothic Rock mit ordentlich Synthiesound machen die Musik von Frontmann Rain Dusky zum durchaus gelungenen Auftakt des Tages.
Grund unseres frühen Erscheinens auf dem Gelände ist allerdings der Auftritt von BLITZMASCHINE, die das Festival auf der Hangar Bühne eröffnen. Die Band, die sich getrost als der EBM Newcomer der letzten Monate gezeichnet kann, legt sofort schlagkräftig los. Kalte, harte, stoische Beats lassen die schon recht zahlreiche Menschenansammlung vor der Bühne in Bewegung setzen. Songs wie „Useless Pain“, „Blondes Mädchen“ oder das geniale „Vorwärts“ sorgen für ausgelassene Stimmung mit jeder Menge D.A.F. Feeling. Das jeder mitgeht, ist ein Zeichen, das sich BLITZMASCHINE schon mit ihrem ersten Album ein hohes Standing bei den Fans erarbeitet haben. Insgesamt ein guter Auftritt, wenn auch mit 25 Minuten etwas zu kurz für meinen Geschmack.
Wieder an der frischen Luft angekommen, haben OSTFRONT die Mainstage geentert. Die Band um Chris L. (Agonoize) und Patrick Lange (Ex-Tanzwut, Corvus Corax, Schelmish) ist der Kategorie „Neue Deutsche Härte“ zuzuordnen und weiß sowohl optisch als auch verbal zu provozieren. Gemäß Bandnamen hat man sich mächtig martialisch zurechtgemacht. Knallige Gitarrenwände und kernige Parolen sind die Markenzeichen der Berliner Combo. „Fleisch“ oder „Heimat Erde“ heißen die Stücke, sind hart und prollig und somit ist das bald erscheinende Album „Ave Maria“ ein Tipp für alle Rammstein Fans. Mir reicht es aber nach zwei bis drei Stücken und es wird erst mal ein bisschen durch die, schon wieder mal kleiner gewordene, Shoppingmeile getingelt.
Bands wie QNTAL oder die selbst beim Weghören nervigen LEAVES EYES verkneife ich mir mal lieber und das nächste erwähnenswerte ist der Auftritt von JULIAN-K. Amir Derakh, ein ehemaliges Mitglied von ORGY, legt einen richtig coolen Start auf der Hangarbühne hin. Extrem lässig, tolle schrammelige wavige Gitarren und ein gegenüber der CD überraschend starker Elektrosound sorgen dafür, dass die Anwesenden in der leider nur zögerlich gefüllten Halle absolut geil mit NIN ähnlicher Musik beschallt werden. Amir selber wirkt fast arrogant auf der Bühne, erzeugt dadurch aber diese typische Rockstarausstrahlung die richtig überzeugend die gute musikalische Leistung unterstreicht.
Draußen ist inzwischen die aus Bristol stammende Synthie Rock Band MESH zugange, die in gewohnter Manier ihren schon viel zu oft gehörten Sound abspielt. Wirkt auf mich wiedermal ziemlich langweilig und ich habe immer das Gefühl, das die Akteure dieser Band selber von der eigenen Musik nicht sonderlich geflashed ist. Ein paar bekannte Lieder aus den mittleren 90ern sind gut bieten aber auch bestenfalls eine nette Shoppingbegleitmusik.
Nun wird’s richtig prollig. So soll es sein, wenn die „Imperial Austrian Industrial“ Band NACHTMAHR auf die Bühne tritt. Da scheinbar L’AME IMMORTELLE den Sänger Thomas Rainer schon lange langweilt, musste dieses Projekt her, um richtig harte elektronische Klänge zu erschaffen, die die Tanzflächen erobern. Gesagt getan, vom ersten Stück an ist der jetzt bis zum Anschlag gefüllte Hangar in Wallung. Leider hat sich auch das bunte Cyber-Zappelvolk versammelt, welches mit ihren skurilen Tanzriten für einen echten Nervfaktor sorgt und nicht mal bemerkt, wenn man sie verarscht und sich drüber lustig macht. Die harsche Musik wird durch passende Videoillustrationen unterstützt und durch die Mädchen in Uniform in Szene gesetzt, inzwischen ein Muss im Konzept der Band. „Tanzflächendiktator“, „Verräter an Gott“ und das starke „Weil ich es kann“ sorgen für jede Menge musikalisches Testosteron.
Bisher konnte ich ja Herrn Pohl immer verzeihen, was er da inzwischen aus BLUTENGEL gemacht hat. Letztendlich sind immer schöne elektronische Lieder entstanden, wenn auch von Album zu Album immer schnulziger. Nun gut. Heute hat er die Mainstage geentert und hat neben seinen neuen Sängerinnen noch einen riesigen Harem an Tanzdohlen mitgebracht. Gleich beim Opener der Show hampeln ein riesen Haufen Mädels hinter Chris rum, Feuerwerk kracht und die Musik verkümmert zum Minimum. Wo ist all die Leidenschaft, die eigentlich mal in der Musik steckte?? BLUTENGEL 2011 sind nicht mehr für mich, als der potentielle Supportersatz für UNHEILIG, nachdem AND ONE zum Glück geflüchtet sind, um die eigene Ehre zu retten. Es werden Lieder getrallert, die da „Über dem Horizont“, „Engelsblut“ oder „Das andere ich“ heißen. Bei jedem Stück machen die Bühnensklavinen anderes blödes Zeugs und man kann nur noch wegschauen. Absolut peinlicher Auftritt und als Chris die Bühne verlässt, hatte ich das Gefühl, dass er selber keine Lust auf diesen Scheiß hat und sich lieber wieder ins TERMINAL CHOICE Team zurückwünscht… mach es bitte!!
Der Hangar ist bei einem ganz starken Auftritt von Claus Larsens Nebenprojekt KLUTAE leider total verweist. Nur die wenigen EBMler die sich dieses Jahr aufs Festival getraut haben, feiern einen der größten Helden der Elektroszene ab, so wie er es verdient hat, mit absoluter Hingabe für diese hammergeilen EBM Sounds in ihrer besten Form. Schade Leute, da habt ihr alle was verpasst,.
Die Besuchermasse widmet sich lieber dem finnischen Dauergast von APOCALYPTICA. In gewohnter Qualität spielen die Jungs an ihren Cellos beeindruckende Stücke und es lassen natürlich auch die Covers von METALLICA nicht lange auf sich warten. Jedes Mal ein tolles Bild wie die Instrumente beherrscht werden, aber wie jedes Mal sinkt mein Interesse nach einer Handvoll Stücken, außerdem ist’s Zeit, sich für eines der Highlights im Hangar zu platzieren.
Denn nun ist es Zeit für die geilste und krasseste Elektropunk Band die es gibt. ATARI TEENAGE RIOT sind wieder da. Alec Empire, Nic Endo und MC CX Kidtronik haben sich zusammengefunden, um uns mit ihren linksradikalen und systemverachtenden Parolen in musikalischer Form zu konfrontieren. Und Konfrontation ist das Stichwort. In dem Moment, wo der Nebel die Bühne überströmt und Alec die Bühne stürmt, geht’s vorn ab wie selten erlebt. Die Menschenmasse rastet raus, wie es die Musik verlangt, digitale Hardcoreklänge erzeugen einen fleischgewordenen Pogoblock, der geiler nicht hätte sein können. „Activate“ oder „Shadow Identity“ vom neuen Album lassen noch Luft für eine Aggressionsteigerung. Trotzdem geil die neuen Stücke. Egal, ob Alec oder Nic shoutet, die Masse bebt und ist elektrisiert. Aber spätestens als mit „Into The Death“ ein Intermezzo an den alten Songs beginnt, dreht die Masse durch. Im Hangar habe ich noch nie Circle Pits oder Wall Of Death gesehen. Aber hier eine Permanentsituation!! „Sick To Death“, „Too Dead For Me“ oder „Atari Teenage Riot“ erzeugen fast lebensbedrohliche Stimmungen. Zum Glück gibt mit „Is This Hyperreal“ eine kurze Verschnaufpause, aber das hält dank „Codebreaker“, „Speed“ und „Start The Riot“ nicht lange an und „Revolution Action“ ist das beste Finale, das man sich nur wünschen konnte. So ein geiler und krasser Auftritt im bisher so lahmen LineUp ist wie eine Wiedergeburt! Geil, Danke und Aua!!
Klitschnass und voller körperlicher Leiden geht’s raus, wo grade ASP auf der Bühne stehen. Sorry, aber ich bin so platt, dass ich nicht viel mitbekomme. Bier muss herhalten, um den Energielevel wieder aus dem roten Bereich zu bekommen. Aber ASP und seine Band machen wirklich eine tolle und gewohnt energische Show. Das SISTSERS Cover „Temple Of Love“ kommt richtig gut und die Menschenmasse geht gut mit. Bei „Ich bin ein wahrer Satan“ und zum Abschluss bei „Ich will brennen“ sind riesige Meere an klatschenden Händen zu sehen. Tolles Bild für einen tollen Künstler.
Der Hauptact dieses Abends sind wiedermal WITHIN TEMPTATION, und da fällt es mir wirklich nicht schwer, meine müden und lädierten Knochen zum Zelt zu schleppen und lieber noch etwas mit den Kumpels abzuhängen. Hab mir erzählen lassen (von einem Fan der Holländer), dass der Auftritt ganz toll war…(jaja). Einzig die Stimme schien nicht so gut ausgeregelt, aber ich hab grade diese Stimme am Zelt vernommen. Keine Ahnung, was die Menschheit an dieser Musikart gefressen hat, ich will’s nicht sehen und nicht hören. Macht ihr doch was ihr wollt… ich geh schlafen und beende damit den ersten Tag, der nicht unbedingt mit vielen Höhepunkten bestechen konnte, aber die wenigen waren dafür umso besser.
Sonntag
Der Tag beginnt so, wie es sich kein Festivalbesucher wünscht. In der Nacht hat es schon geregnet und vormittags setzt dann leider nochmal für 3-4 Stunden Dauerregen ein, der das sonntägliche Frühstücken und Zeltabbauritual zur Qual macht. Klatschnasse Leiber schleppen ihr Hab und Gut zu den Autos… grausam. So schaffe ich es leider nicht, mir die ersten Bands anzuschauen, aber PAKT, THE BEAUTY OF GEMNIA, COMA DIVINE oder COPPELIUS reizen mich eh nicht so sehr, sodass es zu verschmerzen ist.
Pünktlich zu MONO INC. sind wir aber wieder auf dem Gelände und können bei nun immer weniger werdenden Regen die Show der Band um Sänger Martin Engler begutachten. Das MONO INC. eine gute Liveband ist, kann man sofort merken, denn die dunkle Energie, die man mit tollen rhythmischen Songs verbreitet, ist allgegenwertig und so ist es nicht verwunderlich, dass jede Menge Freunde der Band vor der Bühne ihre Lieblinge feiern. Auffällig ist die akustische Version von IGGY POPs „The Passenger“, die allerdings die Geister spaltet. Trotzdem ein guter Auftritt!
Die erste Combo, von der ich heute aus dem Hangar berichten kann, sind TYSKE LUDDER, die mit „Disporer“ aktuell ein starkes EBM Album am Start haben, das neben aller militärischer Härte auch mit jeder Menge politkritischer Themen auftrumpfen kann. So wird zum Beginn des Akts von Sänger Albert-X die Israelitische Flagge geschwungen, um die Brisanz darzustellen, die in diesem Land herrscht. Mit dem typischen grollenden Gesang werden mächtige Parolen ins Mikro gekotzt und die Leinwand hinter den Akteuren wird mit jeder Menge Kriegs- und satirischer Visualisierungen bestrahlt. „Der Untergang“ ist ein Stück, das die für diese Uhrzeit recht zahlreichen Besucher mit seiner ungebändigten Härte begeistert und zum Tanzen animiert. Die Krönung des Auftrittes ist die extrem gelungene Coverversion von TILTs „The Merciless“ die dem Auftritt ein fulminantes Finale verschafft.
Draußen haben es sich währenddessen END OF GREEN auf der Bühne bequem gemacht, die mit ihrem gradlinigen, aber auch austauschbaren Gothic Rock, eine ordentliche Menschenmenge vor der Bühne versammelt haben. Der Sound ist wirklich gut, dafür ist das Bild auf der Bühne recht langweilig und so reicht es der Musik beim Bummeln und Essenfassen zu lauschen. Erinnert alles sehr an Bands wie 69 EYES oder an die anderen vielen Bands dieses Genres.
Später geht’s wieder in den Hangar, wo TYING TIFFANY ihr Debüt auf dem M’era Luna Festival gibt. Das italienische Multitalent, das auch noch als Model und Schauspielerin fungiert, entert charmant die Bühne im „kleinen Schwarzen“ und shoutet bemerkenswert griffig und verzerrt zum Electroclash Sound ihre Songs unter die leider wenigen Zuschauer im Hangar. Dabei sind Stücke wie „3 Circle“, „Lost Way“ oder „Borderline“ echt geil, tanzbar und voller musikalischem Sexappeal. Die Musik ist was für Postpunker, Waver oder allen Liebhaber alternativer Rockmusik. Ihre Präsenz auf der Bühne ist absolut bemerkenswert und diejenigen, die sich die Show von TYING TIFFANY angeschaut haben, können sich glücklich schätzen. Mir hat es ausgesprochen gut gefallen!
TANZWUT spielen grade auf der Hauptbühne, allerdings interessieren mich die ollen Dudelsäcke um Sänger Teufel überhaupt nicht. So wird noch ein bisschen Geld auf den Kopf gehauen und sich schon mal platziert für den folgenden Auftritt von PROJECT PITCHFORK, der einige Überraschungen parat halten sollte. So betreten Dirk und Peter die Bühne, Dirk schaut aus wie ein zotteliger Yeti, weil nun auch noch mit Vollbart und Peter tritt dafür im genialen PROJECT PITCHFORK klassischen Outfit auf und erinnert an die frühen Zeiten der Band. Die Songauswahl lässt zu Beginn erst einmal wenig Wünsche offen. „Timekiller“ ist eines der ersten Stücke, bei dem Steve Naghavi von AND ONE einen Gastauftritt hat, der musikalisch wie auch optisch eine sehr gelungene Überraschung ist! Der wird von Peter auch noch prompt mit einem trockenen „Na, endlich wieder Gothic?“ verabschiedet, als ob der arme Kerl nicht schon genug unter der missglückten UNHEILIG Tour zu leiden hatte.
Danach folgen mit „Souls“, „Steelrose“ und „Conjure“ absolute Hits der Hamburger Band, allerdings schaffen sie es nicht, die tolle Energie, die man auf der Bühne bietet, ins Publikum zu transportieren. So mache ich mit Holgi einen 2-Mann Pogo vor der Bühne und wir müssen Angst haben, gelyncht zu werden, weil tanzen heute wohl nicht mehr zum Livekonzert dazugehört. Hallo, sind wir auf ’nem Rockkonzert? Unglaublich peinliches Publikum, welches den Auftritt der Band nach vielen Jahren Abstinenz auf diesem Festival nicht wirklich zu würdigen weiß. Mit „Endless Infinity“, „Fire & Ice“ und „Lament“ endet für mich dieses Konzert mit gemischten Gefühlen. Eigentlich ein toller Auftritt, der aber durch ein extrem passives Publikum nicht richtig zu Geltung kam.
So wandere ich missmutig in den Hangar zurück, der sehr gut besucht den Auftritt von TIAMAT beherbergt. Die Band um Johan Edlund zeigt einen gewohnt stimmungsvollen Auftritt voller dunkler Atmosphäre. Es läuft grade das Stück „Whatever That Hurts“ und wer das Stück kennt, der weiß, wie sehr gerade der Refrain sitzt und auch heute die Massen begeistert. Wunderschöne Keyboardflächen untermalen die traurigen und schleppenden Gitarren und Johan’s Gesang ist wie immer perfekt. Kommt besser als letztes Mal auf der Mainstage, manche Bands machen sich einfach besser auf der kleineren Bühne. Bei „Vote Of Love“, bei dem der ganze Hangar mit klatscht, verlasse ich wieder die Halle, um zusammen mit meinen Freunden den nächsten für mich wichtigeren Auftritt zu genießen.
Denn nun kommen VNV NATION, bisher immer eine Bank für tolle, stimmungsvolle Konzerte voller elektronischer Wucht und emotionaler Momente. Auch heute lässt sich Ronan Harris, der in der Nacht zuvor schon als Hangar DJ tätig war, wie gewohnt von seinen drei menschlichen Klanggebern im erhobenen Hintergrund der Bühne unterstützen. Ronan selber ist der gewohnte Unterhalter, der ständig zwischen und auch während der Songs die Zuschauer unterhält und pusht. Dies führt nun auch dazu, dass die Menschen vor der Bühne etwas mehr auftauen und ein Händemeer zu Songs wie „Tomorrow Never Comes“, „Farthest Star“ oder „Standing“ in Bewegung ist. Nach dieser Aneinanderreihung von tanzbaren Hits, ist auch Zeit für ein paar Balladen, die kaum jemand so atmosphärisch und harmonisch erschaffen kann wie VNV NATION. „Illusion“ ist eine dieser Stücke, bei dem so ziemlich jeder mit seinen Emotionen zu kämpfen hat. Auch zwei Stücke aus dem in Kürze erscheinenden neuen Album werden mit in die Show integriert und steigern die Vorfreude auf das neue Werk das den Namen „Automatic“ tragen wird. „Epicentre“ und einige andere schnelle Stücke aus dem schier unendlichen Songpool beenden einen gewohnt tollen Auftritt, bei dem Ronan Harris wieder einmal seine Ausnahmestellung als Entertainer auf der Bühne unter Beweis gestellt hat.
Unterdessen haben im Hangar MY DYING BRIDE die Bühne betreten. Die Engländer haben bereits mehrere Male auf dem M’era Luna gespielt, ich hatte bisher aber nie die Zeit gefunden, mich der Band zu widmen, dessen frühe Alben mich zu seiner Zeit sehr geprägt hatten. Auch heute schafft es der charismatische Aaron Stainthorpe mit seiner Band, mich sofort in den Bann zu ziehen. Schwere schleppende Gitarrenriffs von traurigen Violinenklängen untermalt und dazu der tiefschwarze, oft bösartige Gesang von Aaron bieten eine Stimmungslage, die kaum zu greifen ist. Ich bin nicht der Experte für die neueren Sachen, aber „Bring Me A Victory“ und „Gods Of The Sun“ werden gespielt und kommen richtig genial, was die Zuschauer auch entsprechend huldigen.
Nun zum letzten Akt des diesjährigen Festivals. Dafür hat sich Scorpio die aus Manchester stammende Band HURTS eingeladen, die für ihr Debütalbum „Happiness“ mit jeder Menge Lob und Preisen überschüttet wurden und Top Platzierungen in den Charts erzielen konnten. Sie sind keine Synthiepop Band im klassischen Sinne, allerdings ist die Songstruktur durchaus mit dieser Beschreibung zu vergleichen. Was HURTS als Liveband ausmacht, ist die sehr opulente Liveshow, bei der ein Orchester zur Stimmungsbildung optisch wie akustisch beiträgt. Sänger Theo Hutchcraft kann mit seinem wirklich guten Gesang die überwiegend ruhigen Stücke toll vortragen und wird sehr stimmungsgeladen von Adam Anderson am Piano unterstützt. Ich kenne die CD nicht, allerdings erkenne ich sofort „Wonderful Life“, eines der schnelleren Stücke, mit dem HURTS auch in den Charts gelandet sind. Es sind eigentlich auch diese Stücke, die mich bei dem Auftritt wach halten, denn diese zugegeben schönen, aber halt sehr ruhigen Lieder in Kombination mit dem hinter uns liegenden langen Festivalwochenende fördern nicht gerade meine Energiereserven.
Zu den letzten Klängen von HURTS verlassen wir dann auch das Gelände. Was gibt es abschließend zu sagen… es war wieder einmal sehr schön, aber hauptsächlich aus traditionellen Gründen. Das Zusammensein mit Freunden stand absolut im Vordergrund. Dieses Jahr war die Bandzusammenstellung nicht sonderlich stark besetzt. Wo in der Vergangenheit THE CURE, MARILYN MANSON oder THE PRODIGY als Headliner voll eingeschlagen hatten, herrschte dieses Jahr eigentlich pure Langeweile, die sich gefühlt auch auf die dieses Jahr nur gut 20.000 Besucher übertragen hat. Selten empfand ich dieses Festival so emotionslos, seitens der Bands und vor allem seitens der Besucher. Um langfristig mit der Qualität eines Amphi Festivals mithalten zu können, muss man sich zukünftig also was überlegen. Aber so bin ich gespannt und freue mich schon heute auf die ersten Bandzusagen für 2012. (michi)