LIVEBERICHT

AUTUMN MOON FESTIVAL :: Musikalische Vollmond Interpretationen


Livebericht vom Autumn Moon Festival vom 14.-16.10.2016 in Hameln

u.a. mit Zombie Boy, Moonspell, Lacrimas Profundere, Crematory
Fotos by Beate und Dr. Rainer Kerber – facebook

 

Zum zweiten Mal wurde die Rattenfängerstadt Hameln Heimat des Autumn Moon Festivals. Nachdem schon das Debüt überzeugen konnte, sorgten die Veranstalter auch diesmal für ein sehr ausgewogenes Programm. Die Ausgewogenheit beschränkte nicht nur auf Musikgenres, sondern auch auf eine gelungene Mischung von altbekannten Künstlern und Newcomern. Eine Ausweitung des Festivalgeländes wurde mit der Hinzunahme des Papa Hemingways erreicht, womit man jetzt auf fünf Bühnen dem schwarzbunten Treiben beiwohnen konnte. Neben dem Frönen guter Musik, bietet das Festival weitere Attraktionen wie Workshops, Lesungen, Ausstellungen oder Kleinkunst. Hinzu kommt ein mittelalterlicher Markt (auch ohne Eintritt zu betreten) mit großen und kleinen Attraktionen für die Großen und Kleinen. Hier gibt es dann auch den ein oder anderen Gaumenschmaus.

 

Der erste Tag: Freitag
Vor dem audiovisuellen Genuss hieß es erst mal, den Geduldsfaden in den Griff zu kriegen. Die Schlange vor dem Halleneingang mit der Bändchenausgabe war doch enorm. Sicherlich hätten sich die Amboss-Redakteure vorbei schleichen können und direkt zur Pressekasse wandern können. Aber hey, aus Solidarität warteten wir brav in der Schlange. Hier könnte zukünftig mit zusätzlicher Bändchenausgabe Abhilfe geschaffen werden. Gleich nach Erhalt der Handgelenkseintrittskarte ging es in die Sumpfblume zu INVINCIBLE SPIRIT. Bevor ich hier weiter die Bands aufzähle, welche wir während unseres Aufenthaltes aufsuchten, geh ich ein wenig näher auf einzelne Bands ein.

 

INVINCIBLE SPIRIT

Pünktlich um 15.00 Uhr betraten Thomas Lütke und Keyboarderin Anja V. die Bühne der Sumpfblume. Es war ein 60minütiger Gang durch Klassiker und Songs des aktuellen Werkes „anyway“, welches 2015 erschienen ist und nahtlos an alte Zeiten anknüpft. Mit „a nation“ von diesem Album begann dann auch der Auftritt, begeistert aufgenommen wurden natürlich vor allem die Klassiker wie „Push“, „Devil Dance“ oder „Provoke you“. Neben dem traditionellen EBM Sounds verstand es Thomas auch mal atmosphärische Töne, wie in der gleichnamigen Joy Division Cover „Atmosphere“ zu zelebrieren. Auch das finale „anyway“ lieferte einen eher melancholischen Abschluss des Auftritts, allerdings war es zuvor auch schweißtreibend genug.

 

TÜSN

Das Berliner Trio spielte bereits im letzten Jahr beim Autumn Moon und wurde so etwas wie die Live-Entdeckung 2015. Auch heuer konnten die dunklen Hymnen der erst 2014 gegründeten Band überzeugen. Blick und Höhrpunkt ist natürlich der charismatische Sänger, der es versteht, mit allerhand Theatralik den deutschen Texten im wahrsten Sinne des Wortes die Krone aufzusetzen. Zu hören gab es Songs des Debüts „Schuldig“. Neben den treibenden Klassikern wie „Hannibal“ oder „Schwarzmarkt“ gab es mit dem, vom Piano unterlegtem Humboldt“ auch mal ruhigere Töne zu hören. Auch das tragische Liebeslied „ewig allein“ wusste zu überzeugen.

 

DAS ICH
Die Formation um Bruno Kramm und Sänger Stefan Ackermann lieferte einen sehr emotionalen Auftritt, welcher vor allem in den Ansprachen von Bruno Kramm manifestiert wurde. Bruno nahm nicht nur dezent zu politischen Sachlagen Stellung, er würdigte auch die Freundschaft mit Stefan mehrmals. Zudem ging er auf die schwere Krankheit von Stefan ein, der 2012 nach einer Operation und mehreren Hirnblutungen im Koma lag. Ein fulminanter Auftritt, der wie ein Hurrikan über das Auditorium hinwegfegte. Zunächst „Kannibale“ dann Kain und Abel“, so hatte man die Meute vor der Bühne schnell im Griff. Auch wenn rein musikalisch-technisch nicht alles perfekt saß, überzeugte natürlich die Bühnenshow des kleinen Männleins (O-Ton Kramm) Stefan. Seine Grimassen sind immer noch einzigartig. Der 75minutige Auftritt beherbergte natürlich auch die weiteren Hits der NDT-Urväter, wie „Destillat“, „die Propheten“ und „Gottes Tod“.

 

MOONSPELL

Die Portugiesen machten während ihrer Road to Extinction-Tour auch Halt in Hameln. Mit „Breathe (Until We Are No More)“ und „Extinct“ begann man den Set mit Songs des aktuellen Werkes von 2015. Im Gegensatz zum Samstag waren MOONSPELL ein wirklich würdiger Headliner. Wunderschön geschmückte (verzierte) Keys und Drums lieferten zusammen mit der Leinwand ein düster-kühles Ambiente, dessen Funke vor allem bei alten Klassikern wie „Vampiria“ oder „Opium“ herüber sprang.

 

Zwischenimpressionen

Neben den musikalischen Ergüssen gibt es auch ein Rahmenprogramm mit reichlich Möglichkeiten, den verschiedenen Genüssen, dem Narzißmus oder dem Schaustellertreiben zu frönen. Da der mystische Mittelaltermarkt zwar Bestandteil des Festivals ist, aber auch ohne Bändchen zu besuchen ist, findet die Hamelner Bewohnerschaft hier ein lohnendes Ausflugsziel. Neben Speis und Trank, gibt es reichlich Attraktionen wie Stelzenläufer, ein mit Muskelkraft betriebenes „Riesenrad“ oder Bogenschießen und Axtwerfen. Zudem gibt es hier die Außenbühne, auf der sich verschiedene MA-Bands dem Veitztanz hingeben.

 

Der zweite Tag: Samstag
Ein Tag der Katzensprünge zwischen Rattenfängerhalle und Sumpfblume. Auf Ganze 11 mal komm ich beim Nachzählen. Naja, die Wege dienten auch des Öfteren dazu, die kulinarischen Feinheiten des Geländes zu erproben oder auch mal Thor zu spielen und die Äxte zu schwingen. Die subjektiven, musikalischen Exzesse bewegten sich an diesem Tage zwischen Goth Rock, Gothic Metal, Wave und Elektronik. Zu dem groß angekündigten Auftritt von ZOMBIE JOE zum Abschluss des Festivals wurde bereits in verschieden Foren reichlich geschrieben. Der Engländer würde sagen: „Not the Yellow from the Egg“, ansonsten blieb uns nur die Flucht, welche kurzzeitig vom wirklich leckeren Kartoffelsnack unterbrochen wurde.

 

HEIMATAERDE
Der frühe Vogel fing den Wurm bereits um 13.30 Uhr. Diese Weisheit scheinen schon die Kreuzritter inhaliert zu haben. Die Band lief eher marginal durch mein Langzeitgedächtnis, was sich nach diesem Auftritt etwas geändert haben könnte. Ein gelungener Auftritt, der einen perfekten Auftakt des zweiten Tages offenbarte. Die in Templerkleidung gewandten Musiker formierten nutzten den Auftritt auch, um ihr aktuelles Werk „Aerdenbrand“ zu performen. „Hoch hinaus“ oder die „Erde verdreht sich“ gab es als gelungene Live Versionen. Und natürlich durfte „Dein Opfer“ nicht fehlen, inklusive einem kleinen „Gefecht“ auf der Bühne. Abgefeiert wurden zudem „Gib mir“, „Kaltwaerts“, „Wie ein Tier“ und „Pater Noster/Heimataerde“.

 

END OF GREEN

Sicherlich eins der diesjährigen Highlights, ein stimmungsvoller, dunkler Auftritt. Perfekte Vocals, schöne Setlist und ein musikalischer Hörgenuss. Hinzu kam ein ein Sänger, der anfangs sehr introvertiert wirkte, mit seinem Running Gag „wir haben keine Zeit“ dem Auditorium aber hernach auch zwischen den Songs ein Lächeln auf den Lippen zauberte. Ansonsten waren die melancholischen Tracks eher entgegengesetzt jeglicher Hetze.

 

CREMATORY

Bereits früh am Nachmittag (15.00 Uhr) lieferten eine der Urgesteine des Goth Metal ihre Show ab. Eine prägnante Stimme, zwischen Growl und dezenten Gekreisch. Druckvolle Musik mit überbordenden Schlagzeug, welches sich Live galante Duelle mit den Keys lieferte. Neben bekannten Songs, gab es zum Schluss noch ein Depeche Mode („Black Celebration“) Cover im typischen Crematory Gewand.

 

SHE PAST AWAY
Die türkische Dark Wave Formation konnte sich mit reichlich Auftritten bereits eine kleine Fangemeinde erspielen. Das besondere an der Band sind nicht nur die türkischen Texte, sondern auch deren Interpretation in tiefstmöglicher Tonlage. Wobei der sehr eigenständige Gesang die Silben mal abgehackt glucksend ins Mikro gelangt. Trotz ihrer, eher minimalistischen Soundkreationen ist die Band auf eine funktionierende Technik angewiesen, wobei ein paar Kleinigkeiten schief liefen, was allerdings auch dazu führte, dass die Protagonisten ein wenig aus sich raus kamen und dem ansonsten eher sehr introvertierten und hochkonzentrierten Auftritt auflockerte.
Setlist: 01. Içe Kapanis II (Intro) / 02. Belirdi Gece – Musallat / 03. Sanri / 04. Soluk / 05. KatarsisNarin / 06. Yalnizlik / 07. Ritüe / 08. Asimilasyo / 09. Ruh / 10. Kasvetli Kutlama / 11. Monoton / 12. Insanlar

 

WHISPERS IN THE SHADOW

Eingebettet zwischen den Dark Wave Hipstern SHE PAST AWAY und der Legende CHRISTIAN DEATH lieferten die Jungs um Sänger Ashley Dayour einen gelungen Auftritt, der galant zwischen traditionellen und modernem Goth Rock balancierte, ab. Die Band ist inspiriert von H.P Lovecraft, was man den mystischen Texten auch deutlich anmerkt. Aber auch audio-visuell verbreitete der Auftritt in der Sumpfblume eine mystische Atmosphäre. Zudem überzeugt die sehr rockige Prägung der Band. Mittlerweile kommt die Wiener Formation auf 8 veröffentlichte Alben, woraus ein Querschnitt mit Schwerpunkt auf das aktuelle Werk gespielt wurde.

 

CHRISTIAN DEATH

Mit Christian Death aus Los Angeles betrat eine Legende des Goth Rocks/Batcave die Bühne der Sumpfblume. Die aktuelle Besetzung, bestehend aus Valor Kand, Maitri und Schlagzeuger Jason Frantz hat mit der ursprünglichen Band um Gründer Rozz Williams eher wenig zu tun, so konnten auch eingestreute Klassiker wie „This is heresy“ oder „church of no return“ nicht wirklich überzeugen. Ansonsten gab es hauptsächlich Songs des 2015er Album „The Root Of All Evilution“, die zwar gewohnt düster interpretiert wurden, aber irgendwie schien der Funke nicht rüber zu springen. Die dem Auftritt innewohnende Theatralik erschien ein wenig erzwungen und ließ trotz reichlich Nebelschwaden nie so richtig eine Atmosphäre aufkommen. Evtl. hatte ich mir auch zuviel versprochen und auch das Intro mit Videoinstallation und verspielten Keys ließ mehr erwarten.

 

L’AME IMMORTELLE
Über 12 Jahre hatte ich die Band nicht mehr gesehen, rein musikalisch und stimmlich war es ein gelungener Auftritt der Österreicher und auch die Setlist ließ keine Wünsche auf. Wie früher hatte ich auch heuer Probleme mit Animateur Thomas Rainer, Hände in die Höhe, Geklatsche und dann ein Song wie „Bitterkeit“, das will einfach nicht zusammenpassen (O.K. das ist meine rein subjekte Meinung). Konträr dazu und passend zu traurigen Texten die weiche Stimme von Sonja Kraushofer.
Setlist: 01. Life will never be the same / 02. Phönix / 03. Stumme Schreie / 04. Bitterkeit / 05. Aus den Ruinen / 06. Fallen Angel / 07. Ich fang dich auf / 08. Judgement / 09. Love is lost / 10. Eye of the Storm / 11. Es tut mir leid / 12. 5 Jahre / 13. Requiem

 

Fazit:
Für uns ein rundum gelungenes Festivalwochenende. Was zu kritisieren wäre, haben wir eher nebenbei aufgegriffen, bzw. kurz vor („Schlange stehen“) und am Schluss („Headliner ZOMBIE JOE) selbst erlebt. Hauptkritikpunkt vieler Besucher war die viel zu kleine, neue Location (Papa Hemingway), so mussten viele Besucher den Rückzug ohne Einblicke in die Innereien samt Bands wie NO MORE, NAMNAMBULU oder SPIELBANN antreten. Auf der anderen Seite ermöglichte der zusätzliche Auftrittsort auch kleineren Bands Auftrittszeiten von 60 Minuten. By the Way, auch das Schiff ist als Konzerthalle ausbaufähig?… Wenn man sich das Gesamtkonstrukt ansieht, sind es eher Kleinigkeiten, die zudem unter dem Punkt „abwägen“ auftauchen dürften. Jedenfalls steht dem dritten Besuch des Festivals im Herbst 2017 nichts im Wege. Wir halten euch auf dem Laufenden. (andreas)