Konzertbericht vom 29.11.24 im Movie, Bielefeld
Ein feines Dreierpaket haben uns die Popsecret Agenten für den Spätherbst zusammengeschnürt. Die alten Cyperpunks von THE CASSANDRA COMPLEX machten während ihrer CX 40 Tour Halt im Bielefelder Movie. Hinzu kamen Gäste aus den USA und mit SJÖBLOM hatte man dann noch Nordeuropäer verpflichtet.
Text by Andreas / Videos by youtube.com/@Cyberpagan
VISION VIDEO
Den Abend eröffneten im diesmal übersichtlich gefüllten Movie das amerikanische Trio VISION VIDEO, die eine galante Art der dunklen Musik spielen, die sich tief verfangen in den 80ern dem Wave einen modernen Anstrich gegeben hat. Das Ganze wird live ein wenig druckvoller und energetischer als auf dem aktuellen Album (Review ) dargeboten. Besonders das durchdringend und mit langer Ansage eingeleitete „Stay“ konnte überzeugen.
Neben weiteren Stücken des aktuellen Albums „Modern Horror“ kamen zwei gelungene Cover Versionen hinzu: Zunächst beschäftigte man sich mit dem Cure Song „just like heaven“, der schräg inszeniert das Auditorium erstmals richtig zum Tanzen anregte, währenddas Joy Division Cover „Transmission“ zum Träumen einlud. Es folgte der Endsong mit dem verwegenen „in my Side“. Nach dezenten Zugabe-Rufen kam man kurz zurück und beendete das Konzert mit „I love Cats“. Insgesamt ein gelungener Auftritt, der geschickt zwischen Ernsthaftigkeit, Spaß und politischer Aggressivität pendelte.
Setlist:
Dead Gods
Normalized
Balaclava
Kandahar
Stay
Just like heaven
sirens
Inked in Red
Transmission
In my side
I love Cats
SJÖBLOM
Sjöblom ist ein schwedisches Indie-/Postpunk-Projekt, das 2016 in Stockholm gegründet wurde. Mitglieder sind Johan Sjöblom Eliot, auch Mitglied der schwedischen Postpunk Band The Exploding Boy, und Robert Eklind, früheres Mitglied der schwedischen Gothic Rock-Band Malaise. Ihr knapp 45 minutiges Set bestand hauptsächlich aus dem aktuellen Album und beherbergte mit „Fly away with me“ natürlich ihr großes Intermezzo mit tiefgängigen Blick richtig Britpop der 90er oder mit „Dead for Years“ eine eindringlich schöne Hymne, die sich mit den Themen Liebe und Verlust auseinandersetzt. Das ganze mit ätherischen Synths und teilweise mit Gitarre, die sich Johann ab und an zu Hand nahm, dargeboten. Bittersüße Elegie verbreitete das ruhige „It‘ a lie“
THE CASSANDRA COMPLEX
Passend zum Anlass kam Rodney heute etwas feiner daher (Anzug, Hemd und Krawatte) und bot eine gelungene Reise durch sämtliche Stationen von CC. So durfte als letzter Song auch das allererste Stück der Formation nicht fehlen. Das dreckige Cyperpunk-Stück „March“. Davor und als Zugabe danach gab es fast nur Klassiker. So eröffnete man das Set mit dem durchdringenden „Nightfall (Over EC)“
Nach dem Telefonat mit Elvis the Pelvis („Hotline to Elvis“) folgte ein Einblick ins kürzlich wiederveröffentlichte 1993er Album „Sex and Death“ mit „Mouth of Heaven“. Danach wurde es politisch und bei „we defend ourselves“, welches visuell von zerbombten Städten begleitet wurde. Die ruhige Fassade des Songs wurde langsam zum tragischen Mahnmal und irgendwo her kamen Backings. Und schon dröhnten die Bässe des Klassikers ‚Valis‘ durch den Club. Danach folgte das schleppende „In the Dead of Light“, welches für eine Atempause sorgte, gleichwohl ein ganz besonderer Song ist, mit seiner eleganten, leicht betörenden, fast romantischen Struktur und seiner unterschwelligen Härte. Der Song stammt vom 2022er Album „The Pleague“. Dann erzählte Rodney ein wenig über die befreundete Band Borghesia und spielte hernach ihren Song „N.U.D.“, welcher im Kontext der heutigen Songs den EBM am meisten würdigte. Im Frühjahr oft gewünscht und teilweise kurz angespielt, gab es hier das betörend-verspielte „Second shot“ in kompletter Version.
In die gleiche Kerbe stieß das wunderschöne „(In Search of) Penny Century“, welches aus den Spätachtzigern stammt.
Mit „Nazi Goths, Fuck Off“ (welches von der Symbolik her, etwas an Dead Kennedys erinnerte, die damals die Nazi Punks vertreiben wollten) gab es ein weiteres Cover. Diesmal von der amerikanischen Künstlerin Suzi Sabotage. Treibende Elektroklänge wurden mit Trump’schen Nachrichten versehen, die auch auf der Videoleinwand visuell erschienen. Die Leinwand lieferte fortan das Symbol des durchgestrichenen Hakenkreuzes. Dann folgte mit „March“ der Abschluss des Hauptprogramms. Hier wurde deutlich, dass CC zwar in die Jahre gekommen sind, aber immer noch dieses ganz besondere, ganz eigene ihrer Musik nach 4 Jahrzehnten perfekt auf die Bühne bringen können. Auch wenn mir manchmal die Saiten früherer Konzerte etwas gefehlt haben. Die versprühende Energie ist geblieben und so durfte natürlich auch das punkige „Moscow Idaho“ nicht fehlen, welches für reichlich Bewegung vor und auf der Bühne sorgte.
Nach kurzem Atem holen kam Rodney noch für drei Songs zurück und begann mit einem Klassiker vom „Theomania“ Album, dem sphärischen „One Millionth Happy Customer“. Nach „The War Against Sleep“ gab es mit dem 89er „Beyond Belief“ einen letzten Klassiker, womit man die Fans ins spätherbstlich erleuchtete Bielefeld entließ. Insgesamt ein gelungener Abend, der sich zwischen Neuentdeckungen und dem ganz besonderen Gefühl, wieder mal alten, schwarzen Gassenhauern gelauscht zu haben, bewegte.
Setlist:
Nightfall (Over EC)
Hotline to Elvis
Mouth of Heaven
We Defend Ourselves
VALIS
In the Dead of Night
N.U.D.
Old Boys Network
(In Search of) Penny Century
Realm of the Senseless
Second Shot
Satisfy Me
Moscow Idaho
Nazi Goths, Fuck Off
March
One Millionth Happy Customer
The War Against Sleep
Beyond Belief