Livebericht aus dem Movie in Bielefeld vom 01.12.2023
(Bericht: Andreas, Fotos: Marco Bouwman)
Und schon wieder eine Legende in Bielefeld. PINK TURNS BLUE gehören seit mittlerweile über 35 Jahren zur Speerspitze der deutschen Dark Wave Szene. Das ehrwürdige Movie lieferte die perfekte Spielstätte für die ausgedehnte Freitag/Samstag-Tour der Band um Mic Jogwer (Gitarre, Gesang), Paul Richter (Schlagzeug) und Luca Sammuri (Bass), die hier zum vorletzten Mal im Jahr 2023 einen Haltepunkt einrichtete. Und gerade bei Veranstaltungen der Popsecret Agenten lohnt es sich, der Vorband seine Aufmerksamkeit zu leihen. Denn durch ISLA OLA hatte der Abend im eiskalten Ostwestfalen einen perfekten Einstieg in einen gefühlvollen, dunklen und atmosphärischen Abend.
ISLA OLA
Der Auftritt des Dortmunder Duos glich einem nebulösen Schattenspiel, waren doch während des Auftritts die beiden Protagonisten nur schemenhaft erkennbar. Dezent beleuchtet von jeweils vier Strahlern hinter Stefan und Jesmari, welche die Bühne in ein weiches blau tauchten, entstand so ein stimmungsvolles Bühnenbild. Geboten bekamen die Fans eine geballte Ladung Cold Wave mit deutschen Texten. Gestartet wurde mit „gelaufen“, welches perfekt die Melange der Band aus Getragenheit, Energie und durchdringendem weiblichen Gesang mit tiefdunkler Stimmfarbe verbindet. Das kühle, dezent instrumentierte „Why don’t you come around“ oder das vom Drumcomputer beherrschte und hypnotisch dargebotene „Augen Körper Herz“ konnten überzeugen und versetzten das Publikum in eine melancholische Stimmung. Wobei das Gesamtkonstrukt neben aller kühlen Eleganz auch recht tanzbar daherkommt, wie es dann auch ein paar Gestalten vor der Bühne deutlich zeigten. Neben weiteren bekannten Songs wie „nebelmond“, „versinken“ und „wo bist du hin?“ gab es auch ganz neue Songs, die erstmals live präsentiert wurden. Nach dem Auftritt hatte ich irgendwie „kaltes klares Wasser“ im Kopf, was nicht unbedingt an dem zu mir genommenen Kaltgetränk lag.
PINK TURNS BLUE
1987 erschien das Debüt der Kölner Formation und dieses Werk fand mit ganzen 7 Stücken Einzug in die Setlist des heutigen Abends. Nach kurzer Feinabstimmung an den Saiten zwischen Mic und Luca begann die melancholische Reise, die mit dem neuen Album („Tainted“) und den Zeilen „So happy to kill ourselves / So happy to rob ourselves / So happy to use excuses / That is us“ begann. Mit „There Must Be so Much More“, für mich das beste Stück des neuen Werkes, ging es weiter und lieferte im Mittelteil ein wenig The Cure Feeling („Col“d). Das folgende „Not Gonna Take It“ wurde gerade von der Gitarre her etwas härter angeschlagen und ging in den Alternativ-Rock Bereich. Nach dem fast kämpferisch-positiven „I’ll Never Give Up“ folgte mit dem traurig fragenden „So Why Not Save the World“ ein weiterer Song, der die Band deutlich politischer als früher zeigt, reflektiert „Tainted“ doch unter anderem den Klimaveränderung und die damit verbundenen globalen Auswirkungen, die Spaltung der Gesellschaft, Isolation, Gesundheitsrisiken und finanzielle Unsicherheit. Auch wenn heuer viele Songs geradezu danach lechzen, dass Mic seine Aggressivität mal auslebt, ist es doch diese Gedrücktheit und ja, auch die innewohnende Verzweiflung, der man gerne sein Ohr leiht.
Dann ging es mit „Walking on Both Sides“ erstmals weit zurück in die Vergangenheit und es zauberte ein zufriedenes Lächeln in die mitgealterten Gesichter der Fans. Auch die Körper des Auditoriums bewegten sich erstmals etwas stärker zum dunkel-explosiven Takt der Musik. Die Atmosphäre aufsaugend und zusammen mit den Fans der Nostalgie frönend, folgten „I Coldly Stare Out“ und „After all“, beide ebenfalls vom Erstling. Mit „Touch the Sky“ folgte im Vergleich zur letzten Tour ein Neuling, der die betörende Stimmung der „Meta“ am besten aufzugreifen vermag. Bevor man dann mit „You Still Mean Too Much to Me“ in den abschließenden Höhepunkt des Hauptprogramms schritt, konnte man beim punkig und exzessiv dargebotenen „Missing you“ noch kurz seine Aggressionen abbauen. Vor dem ersten Rückzug in die Katakomben des Movie hatte man mit „Your master is calling“ einen alten Klassiker in Petto, welcher ausladend und mit dem typischen verschnörkelten Intro dargeboten wurde. Die Zugabe-Rufe des hier schon voll begeisterten Publikums ließen nicht lange auf sich warten und auch die Band enterte schnellstmöglich wieder die Bühne.
Zurück kam das Trio mit „Can’t Be Love“ dem zweitem (neben „Walk away“) Track vom 2007er Album „Ghost“, es folgten „When It Rains“ und „Something Deep Inside“ (von Aerdt-Untold Stories), um den ersten Zugabenblock mit dem PTB Szene-Clubhit schlechthin („Michelle“) zu beenden. Nach einer kurzen Atempause kamen PTB zum zweiten Mal zurück. Nach „never give up“ vom aktuellen Album ging es wieder weit zurück („State of Mind“). Mit dem gefühlvoll-berührenden „If two worlds kiss“ gab es zum Ende nochmals einen ganz besonderen Gänsehaut-Moment. Seit einigen Jahren liefert der geniale Titelsong des Debüts den mehr als würdigen Abschluss eines jeden PTB-Konzertes. Für den meist tief versunken in Text und Musik introvertierten Mic war die Danksagung mit erhobenen Armen ein wahrer Gefühlsausbruch, welches die Fans, ebenfalls versunken in Erinnerungen dankbar mit reichlich Applaus erwiderten. Es ist diese ganz besondere, PTB eigene Art, die Musik eher detailliert als opulent auszustaffieren und trotzdem mit betörenden, dunklen Melodien zu glänzen, die sich wahlweise tief ins Herz, den Kopf oder in den Körper bohren.
In einer besseren Welt wären PINK TURNS BLUE einen Tag früher nach Bielefeld gereist und hätten bei der 1Live Krone kräftig abgesahnt.
Setlist PTB:
Not Even Trying
There Must Be so Much More
Not Gonna Take It
I’ll Never Give Up
So Why Not Save the World
It Fades Away
Walking on Both Sides
I Coldly Stare Out
After All
Touch the Skies
Walk Away
We Still Could Make It
Missing You
You Still Mean Too Much to Me
Your Master Is Calling
Can’t Be Love
When It Rains
Something Deep Inside
Michelle
Never Give Up
State of Mind
If Two Worlds Kiss