LIVEBERICHT

GREENFIELD 2024 :: Ein schräger Kontrast aus vielen Bands

Bericht vom Greenfield Festival 2024 vom 13.-15.06.2024 in Interlaken, Flugplatz
https://greenfieldfestival.ch/de
(Text und Photos by Kira)

 

Das größte Rockfestival der Schweiz nimmt wieder Fahrt auf, 3 Tage, 2 Bühnen, 85.000 Besucher und Bands, wegen derer wir alle angereist sind.

Donnerstag, 13.06.2024
Das Wetter ist mies prognostiziert und schon jetzt sind einige Camp- und Parkflächen abgesoffen – deswegen liegt hier auch schon eine Menge Stroh rum. Aber erstmal scheint die Sonne und wie jedes Jahr eröffnen die Alphornbläser das Spektakel. Bring me the Horizon werfen als Headliner ihre Schatten bereits voraus, die Bühne ist so hoch aufgebaut, dass man erst ab Reihe vier erahnen kann, wer denn da gerade auf der Bühne steht. Auch das Equipment auf der Mainstage wird ruckzuck zur Stolperfalle und Alea von Saltatio Mortis legt sich erstmal lang. Das ganze Set der Karlsruher schafft es zwar die Die Hard Fans zufriedenzustellen, aber wirklich viel Stimmung kommt noch nicht auf. So ganz passt eine mittelalterlich geprägte Band aber auch nicht in das Line Up des Greenfield 2024. Wer sich danach sehnt, ist auf dem deutlich gewachsenen Mittelalter Markt gut aufgehoben. Auch dort spielt dreimal täglich eine Band und das Essensangebot und die Sitzmöglichkeiten sind einfach einladender als auf dem Festivalgelände. Kein Wunder, dass es bei Lidl permanent brummt, hier kostet das kalte Cola ganz regulär 1 CHF und es gibt alles was das Camper Herz begehrt, nur keinen Kaffee.

Auf unserem Weg zu Fjørt, schauen wir uns das große Angebot an Essen und Trinken genauer an und sind überrascht über deutlich gestiegene Preise (z.B. simple Pasta mit Speck 20 CHF, 0,5l Wasser 8 CHF) weniger auf dem Teller und schlechterer Qualität. Die Jahre davor gab es ein tolles Angebot regionaler Speisen – erklären kann uns diese Entwicklung aber niemand. Auf der Eiger Stage legen Fjørt aus Aachen ein absolut geniales Post-Hardcore-Brett hin. Es gibt nix schöneres als Bands, die lieben was sie tun und das auf der Bühne voll ausleben. Diese Ekstase erfasst die Fans, auch die mehr oder weniger zufällig vorbeigekommenen, und es wird ein Fest daraus. Mit einem herzlichen “Fick dich, Interlaken” geht die Luzie dann ab. Unfassbar wie dicht und intensiv der Sound ist. “Couleur” wird mit einem herzlichen grössten Mittelfinger aller Zeiten für alle scheiß Nazis in der Welt zelebriert. Der Pokal für die beste Performance des Tages lässt sich rückblickend an Fjørt verleihen.


Bei Babymetal auf der Mainstage ist das leider nicht so. Es ist alles so unglaublich perfekt getaktet, farbenfroh und durch und durch choreografiert. Auch Pyrotechnik wird großzügig eingesetzt. Das ist interessant sich anzuschauen und auch spannend zu hören, aber es ist auch schade für die Musiker im Hintergrund, dass sie leider nicht zu sehen sind und man nur mit dem Gesang der drei Japanerinnen konfrontiert ist. Immerhin spielten «RATATATA» (Electric Callboy waren nur auf der Leinwand als Einspieler zugegen) und das konnten nun wirklich alle vor der Bühne mitgröhlen. Aber so wirklich ist der Hype um den Kawaii Metal hier noch nicht angekommen.


Als nächstes geht es mit Sum 41 zurück in unsere Jugend. Vermutlich ein letztes Mal, denn mit ihrem neuen Album „Heaven :X: Hell“ kündigten sie eine Welttournee und dann die Auflösung der Band an. Viele sind genau deswegen auch nochmal nach Interlaken gekommen und es ist rappelvoll vorne an der Jungfrau Stage. Das Set zieht sich wunderbar durch alle Jahrzehnte der Bandgeschichte und zum ersten Mal in den drei Tagen Greenfield kocht der Moshpit richtig auf. «Makes No Difference» konnte jeder mitgröhlen, aber es gab auch die ganz neuen Tracks wie «Landmines» und «Dopamine».


Machine Head sind leider einer der wenigen klassischen Metalacts, aber dafür lassen sie sich so richtig feiern. Ein krachendes Set, perfekter Sound und die langsam einsetzende Dunkelheit sorgen für beste Stimmung.

Karnivool aus Australien headlinen heute die kleine Bühne. Leider gibt es immer noch kein neues Material der Band. Die Dunkelheit schafft aber die perfekte Atmosphäre für den progressiven Metal, der gut zu Machine Head passt und wer Bock hat weiter zu headbangen, ist auch jetzt genau hier und überlässt den seit Stunden unablässig wartenden Damen den Platz vor der Main Stage.


Bevor Bring Me The Horizon auf die Bühne kommen können, wird der Backstage Bereich geräumt – auch ein Machine Head Sänger muss warten, bis er an Essen und Trinken kommt. Sinn machen diese Allüren natürlich keinesfalls, sie sind einfach nur peinlich und gehören einfach nicht zu einem respektvollen Umgang untereinander. Wie gewohnt dramatisch kommt Oliver Sykes auf die Bühne, die Performance ist absolut perfekt, das Bühnenbild gigantisch. Es erinnert an eine Kathedrale und soll die Dramatik des Auftritts noch verstärken. „Church of Genxsis Youtopia 2024“ heißt auch das neueste Werk, welches das NeX Gen Konzept fortsetzt. Seit 2014 sind die Briten regelmäßige Gäste des Greenfield Festival, aber dieses Jahr kommt nicht so richtig Fahrt auf. Die Show bietet einen guten Sound, Pyro, Feuerwerk bis an die Decke und was noch alles, aber für ein Festival ist es zu atmosphärisch gewollt, zu wenig losgelöst. Viele hofften ja auf ein Duett mit Babymetal, doch die Japaner waren bereits wieder abgereist und so musste „Kingslayer“ leider ohne sie performt werden, trotzdem (oder gerade deswegen?) war es einer der stärksten Songs im Line Up. Mit den drei Zugaben «Doomed», «Lost» und «Throne» und einer großartigen Lightshow verabschieden sich die Briten von ihren glücklichen Fans. Was ein toller erster Festivaltag.

 

Freitag, 14.06.2024
Krass, das Wetter hat sich komplett konträr zur Vorhersage entwickelt und es ist ein lauschiger, trockener Tag angesagt.


Und eröffnen dürfen diese die absolut sympathischen Schweden der Baboon Show. Diese Band hat sich wahnsinnig entwickelt. Ihre Spielfreude, ihr Witz und die Songs sind so gut, dass sich die bombastische Stimmung schnell auf das feierwütige Publikum projiziert und aus dem verhaltenen Wippen schnell ein amtlicher Moshpit wird. Hits wie “Me, Myself And I”, “Queen Of The Dagger” und “Radio Rebelde” werden lauthals mitgesungen. Vor zwei Jahren haben wir die Band auf dem Greenfield für uns entdeckt und jedes Jahr stellen wir fest, dass es in der Schweiz IMMER etwas Neues für uns zu entdecken gibt. Liest sich das Line Up noch so seltsam, irgendwie passt es dann doch. 2024 waren es Hanabie, aber dazu später mehr.

Palaye Royale waren definitiv zu früh gesetzt. Die Brüder aus Las Vegas holen aber alles aus ihrer zu kurzen Spielzeit raus. Mit dem Gummiboot ging es zu “Mr Doctor Man” über die Menge, der Boxenturm wurde Schwindel erregend erklommen um dann noch aus ordentlicher Höhe wieder zurück auf die Bühne zu jumpen und die 12 Track lange Setlist – traumhaft. Die Stimmung wird heute wirklich von Anfang an so dermassen gepusht! Hoffentlich dürfen wir Palaye Royale einmal wieder hier sehen.


Bei den Guano Apes fängt es dann an zu regnen. Leider gehen gerade einige Kindheitserinnerungen in unschönem Gesang unter. Es lässt sich leider nicht viel gutes sagen, musikalisch war’s in Ordnung, aber stimmlich und textsicher? Leider lagen oft die Töne daneben, das Tempo konnte Sandra Nasic oft nicht mithalten und so wurde es leider zum schwächsten Auftritt des Festivals. Pünktlich zum Ende ihres Sets hört es dann aber auch wieder auf zu regnen.

Eluveitie profitieren von Beginn weg von einem gut abgemischten Sound, wodurch ihre vielschichtigen Arrangements gut zur Geltung kommen. Die vielen Zuschauenden lauschen und schauen gebannt, was abgeht, bleiben in ihrer Reaktion aber noch verhalten. Einige Bandmitglieder stehen während der Show von den Dropkick Murphys direkt im Anschluss fleissig für Fotos und kleine Schwätzchen bereit, was Fans von jung bis alt sichtlich erfreut.


Silverstein aus Kanada animieren derzeit auf der Eiger Stage zum Mitsingen. Die kleine, aber laute Fanbase gibt dabei ordentlich Gas.


Dann folgen auf der Hauptbühne die Dropkick Murphys. Nach dem Intro, einem Tribute an Shinnead O’Connor mit ihrer Version von «Foggy Dew», legen die Herren mit ‚The Boys Are Back’ los. Der erste Teil des Sets gestaltet sich gemächlich – die Musiker scheinen noch etwas in die Gänge kommen zu müssen. Gegen Auftrittsmitte liegen dann auch etwas schnellere Songs drin, wobei die Setlist alte Hits in ihrer ursprünglichen Form vermissen lässt. Dem Publikum ists egal – die feiern ihre Dropkick Murphys von Anfang bis Ende voll ab.


Zu Kvelertak setzt dann der Regen wieder ein. Die Band zieht die Anwesenden aber derart in den Bann, dass eine grosse Mehrheit des Publikums ausharrt und sich von den ausladenden Bewegungungen und dem grandiosen Zusammenspiel der Musiker mitreissen lässt. Ein gelungener Abschluss des zweiten Festivaltages, den man falls gewünscht in einem der Partyzelte noch etwas verlängern kann.

 

Samstag, 15.06.2024
Nach einer regenreichen Nacht und erneut mieser Wetterprognose für den letzten Festivaltag, haben sich viele Leute mit Gummistiefeln und Regenjacke bewaffnet. Zur allgemeinen Freude ist zumindest Letztere bisher völlig unnötig.

Feuerschwanz ohne Feuer geht natürlich nicht und so wird dem Publikum bereits früh nachmittags ordentlich eingeheizt. Der Stimmungsbarometer geht steil nach oben und den Aufrufen zu „Du bist der Bastard“-Chören, reckenden Fäusten und klatschenden Händen wird brav Folge geleistet. Auch ein bunter Circle-Pit dreht spontan seine Runden.

Die ausgelassene Stimmung wird von Thy Art Is Murder im Anschluss direkt weggeblasen. Einmal die Getriebe angeschmissen, hält sie nichts mehr auf. Geliefert wird während einer Stunde die volle Breitseite. Wer diese Tracht Prügel nicht mag, kann sich derweil auf dem Mittelaltermarkt das frohe und bunte Treiben zu Gemüte führen.

Deutlich braver geht das Programm auf der Hauptbühne danach mit den gute Laune-Punkrockern The Interrupters weiter. Die Ska-Beats lassen das Publikum tanzen. Der Keyboarder bringt mit seinem vielseitigen Einsatz, unter anderem auch an der Posaune, Abwechslung in den eher simplen Songs. Die Band nutzt die Bühne bis zu den äussersten Winkeln und sorgen damit für eine überraschend intime Atmosphäre.


Der Platz vor der kleineren Eiger Stage ist bei Hanabie richtig gut gefüllt. Als die Sängerin mit einer Schweizerfahne auf Bühne gelaufen kommt, kreischt das Publikum. Der Auftritt ist spannend anzusehen und die Mädels beherrschen ihre Instrumente, leider funktioniert der Klargesang aber überhaupt nicht. Den meisten Leuten ists egal. Hanabie hätten den Platz vor der Hauptbühne wohl auch besser gefüllt als Crosses, die am frühen Abend auf der grossen Bühne leider ziemlich deplatziert wirken. Die Songs treffen nicht den Nerv des Greenfield-Publikums, wie sich am sehr dünn bevölkerten Platz vor der Bühne zeigt. Schade für die Herren. Sänger Chino Moreno improvisiert kurzerhand und begibt sich direkt in die Mitte der kleinen Fangemeinde, um die positiven Vibes dort aufzusaugen.


Gegen Ende des Auftritts strömen die Massen wieder aufs Infield, denn nun stehen Kraftklub auf dem Programm. Und die liefern quasi bereits eine erste Headlinershow ab. Der gesamte Auftritt ist aufwändig inszeniert, aufgebaut in 3 Akten. Im ersten Akt gibt’s einen lockeren Einstieg zum Hüpfen und Tanzen. Dann folgt ein Intermezzo mitten in den Fans, währendem die Bühne hinter dem Vorhang umgebaut wird. Nach einem Lichterspektakel folgt der letzte Akt mit vielen Hits zum Mitsingen. Das Publikum ist in Feierlaune und dreht zum Abschluss des Festivals nochmals so richtig auf.


Für die gut aufgewärmte und dicht stehende Menschenmenge folgt zum krönenden Abschluss noch Greenday. Mit viel Spielfreude liefern die US-Punkrocker ein über zweistündiges Set ab, das abgesehen von einigen Knallern und Funken, sowie dem Kurzeinsatz eines über dem Publikum schwebenden Flugzeugs mit wenig Schnickschnack auskommt – Greenday könnens! (kira)