Live auf der MS Treue in Bremen am 24.03.2012
(Fotos by Chris)
Ich habe MR. IRISH BASTARD schon in allen denkbaren Zuständen sehen dürfen, die ein Konzertgänger aufzubieten hat:
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ich war total überrascht (2008 in Hannover),
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völlig sturzbetrunken (Kassel 2009),
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ausnahmsweise mal ohne nennenswerte emotionale Ausschläge der besonderen Art (Hannover 2010),
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absolut empört, weil sie vor der anderen Band auf die Bühne mussten (Hannover 2011),
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und völlig außer Rand und Band mitten im Pogo-Mob (Göttingen 2011).
Heute, am 24.03.2012 kommt der unangenehmste Zustand dazu: als alter Sack. Das Wochenende hat bis zum Beginn des Gigs auf dem Schiff seine Spuren hinterlassen, aber wir haben bis dahin auch nichts ausgelassen. Das Spiel des SV Werder gegen Augsburg war eine gefühlte Niederlage und der Pfannkuchen mit Salami, Kochschinken, Zwiebeln, Tomaten und Käse (!!!) auf dem „Pannekoekschipp“ auf der Weser (absolut zu empfehlen) war nun auch nicht der leichte Snack, nachdem man es ordentlich krachen lässt (außer vielleicht auf dem Schiffsklo). Aber bevor ich jetzt in Themenbereiche wie falsche Ernährung und mangelhafte Krafteinteilung auf einem Wochenendtrip abdrifte, komme ich lieber auf das Schiff zurück.
Die MS Treue liegt auf der Weser am Schlachte-Anleger 5 und ist Heimat der guten Musik im Schlachte-Viertel. Die Crew ist bremerisch herzlich, die Bar wohlsortiert und der Konzertraum ein warmer Ort mit Kronleuchtern und einer kleinen Bühne. Als besonderes Schmankerl wird der Schiffsbauch seinen hervorragenden Klang offenbaren, der den beiden Bands des Abends sicherlich sehr gelegen kommt. Kurzum: die MS Treue ist immer einen Besuch wert und für Musikfans jeglichen Genres ein Muss, denn Genregrenzen gibt es nicht. (Webseite: www.treue-bremen.de)
Die Vorband geben uns THE BOOZE BROTHERS, fünf junge Männer, die uns schön punkigen Rockabilly präsentieren, ohne aber zu Psycho zu werden. Besonders stark finde ich den Einsatz des Pianos von Max, was den Sound richtig locker-flockig macht und einen Touch Honkey Tonk beimengt. Nebenbei erinnert mich der Gesang von Dave irgendwie an die Alan Barr von den DROPKICK MURPHYS und so schließt sich der Kreis zur Hauptband. Aber bis dahin sollen gute 45 Minuten vergehen und die BOOZE BROTHERS lassen nichts anbrennen und hauen uns etliche Titel um die Ohren, die durchaus ins Ohr gehen und mich animieren, die aktuelle 7′′ namens „Outta sight, outta mind“ mitzunehmen. Die Bühnenaction ist der Größe der Bühne angemessen, was bedeuten soll, dass eher Luftsprünge, als Spagat möglich ist, aber die Energie, die von der Band ausgeht, ist deutlich zu spüren. Die Musik der BOOZE BROTHERS, versehen mit dem einen oder anderen Rock′n′Roll-Standard oder der Coverversion „Return to Sender“ ist wie für einen feinen Abend im Schiff gemacht. Müsst definitiv anchecken, wenn sie bei euch spielen. (Webseite: www.boozebrothersband.de)
Oft angecheckt und immer für gut befunden wurde MR. IRISH BASTARD von uns. Unser reduzierter Allgemeinzustand bessert sich im Nu, als das Intro ertönt und man mit „Bodies“ den bunten Reigen wunderbarer Melodien eröffnet. Doch halt! Wo ist Lady Lily? Wo ist Itchy Quetchy? Wo steckt Boeuff Strongenuff? Boeuff musste man sicherlich zu Hause lassen, weil er auf der kleinen Bühne nicht genug Auslauf bekommen hätte und ohne diesen sehr unglücklich ist. Er wird ersetzt durch den spielerisch ebenbürtigen, wenngleich mit viel weniger Auslauf zufriedenen B. Assman (Name von der Redaktion mangels Information frei erfunden) und Lady Lily schickt, wie 2011 in Göttingen B.B. mit der Tin Whistle auf’s Wasser. Man merkt schon, hier wird das Konzept gelebt, welches Gene Simmons nur in seinem Kopf hat, nämlich KISS mit anderen Bandmitgliedern auf Tour zu schicken. Nee, im Ernst…die Band hat für solche Notfälle immer eine Legion an großartigen „Travelling Bastards“ im Pub sitzen, was bisher auch immer perfekt funktioniert hat. Nur Itchy Quetchys Part kann heute nicht substituiert werden und so fehlt ihr Akkordeon im Bandsound, was der Show wieder eine andere Facette verleiht.
Die Band spielt heute das erste Mal in Bremen und muss sich für’s Erste mit der norddeutschen Zurückhaltung vertraut machen. Aber ganz ehrlich: MR. IRISH BASTARD wären nicht MR. IRISH BASTARD, wenn sie das nicht hinbekämen! Verschiedene Mitsingparts und Aufforderungen mitzuklatschen werden anfangs zögerlich, dann aber überzeugend vom Publikum zum Ende gebracht. Hits vom aktuellen Cover-Album („Bodies“, „Pretty Vacant“, „God save the Queen“) in Verbindung mit erprobten Livegranaten („Last Pint“, „The curse of the red-haired woman“, „Stupid Bastards“, „Let go“, ) und Coversongs der Marke „Temple of Love“ oder „You spin me round“ sorgen jedenfalls für Stimmung und es ist erstaunlich, dass sich die Songs in keiner Weise irgendwie abnutzen, im Gegenteil, vor allem das Material vom „A Fistful of Dirt“-Album („Bite the Dust“, „I smell the Blood“, „Forty Something Street“) ist jetzt schon Legende!
Zum Ende hin wird auch The Irish Bastard lockerer und die Ansagen werden immer besser und lustiger…zum Beispiel auf die Trägheit einzelner Schlafender (aber trotz unserer Frühjahrsmüdigkeit waren wir nicht gemeint!) werden die Songs mit einem Gähnen angesagt („der nächste Song heißt…gäääähn…“) oder als der Flow danach etwas raus ist, spielt man einfach ein Songende an und kassiert sofort rasenden Applaus.
Gitarrist P macht den „Fehler“, das Anfangsriff von „Thunderstruck“ anzudüdeln, vielleicht 2 Sekunden lang und zack, die Meute wacht auf. Gran E. Smith bemerkt daraufhin, dass er jetzt auch weitermachen muss, denn schließlich „hat er die Zahnpasta ja jetzt aus der Tube gedrückt“ und ein bisschen AC/DC-Flair macht sich breit. Sehr cool und sehr spontan, so was gefällt nicht nur mir, sondern auch den Bremern. Die Feststellung, dass AC/DC etwas bekannter seien als MR. IRISH BASTARD, lasse ich mal im Raume stehen, denn die SEX PISTOLS haben die Münsteraner Iren ja bereits hinter sich gelassen. Als dann nach gut 90 Minuten Feierabend ist, verabschiedet sich Gran E. Smith mit einem lupenreinen Death Metal-Grunt und ich frage mich langsam, was er nebenher so musikalisch treibt. Die Zugaben verlängern die Sause auf sage und schreibe 105 Minuten und zwar ohne, dass es zwischendrin auch nur für eine Sekunde langweilig gewesen wäre. Sowas können nur die ganz Großen und MR. IRISH BASTARD gehören definitiv dazu. (Webseite: www.mririshbastard.com)
Auch wenn während des Gigs einige Leute hin und her gewandert sind, war der Raum ordentlich gefüllt und ich denke, dass die Band von nun an häufiger in Bremen spielen wird, denn mit der Duftmarke, die sie heute gesetzt hat, hat sie sich als eine der unterhaltsamsten Livebands des Planeten empfohlen. Aber bevor man die Band auf dem Schiff erleben konnte, musste man an einer Schnitzeljagd teilnehmen: zuerst wurde der Gig vom Oktober 2011 in den März 2012 verschoben, sollte dann erst im „Magazinkeller“ stattfinden. Von dort aus wurde es in den „Römer“ verlegt und einige Tage vor dem Termin wiederum auf die MS Treue. Als wir unser Gästezimmer gebucht hatten, sind wir noch vom „Römer“ ausgegangen und dann hätten wir wirklich keinen weiten Fußweg nach dem Gig gehabt, aber leider durften wir so Dank der ganzen Verschieberei die dreieinhalb Kilometer durch die kalte Nachtluft zu Fuß antreten, da die S-Bahnen da schon ihren Betrieb eingestellt hatten. Aber Bremen ist immer einen Fußmarsch wert!
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Jan, Melle, Ivo und dem Rest der großartigen BASTARDS, den BOOZE BROTHERS und auch bei der Crew der MS Treue. Es war uns ebenfalls ein Fest. (chris)