Livebericht vom Greenfield Festival
vom 10 – 12.6.2022 in Interlaken
u.a. mit Volbeat | Korn | Billy Talent | Rise Against | Bring Me The Horizon | The Offspring | Heaven Shall Burn | Powerwolf | Hammerfall | Killswitch Engage | Wizo | Alestorm | Bad Religion
(Text & Photos by Kira Appelt)
Donnerstag, 10. Juni
Endlich wieder Festival, endlich wieder Sommer, Sonne, fette Musik, coole Leute und geile Live Shows!
Traditionell eröffneten am Donnerstag die Alphornbläser mit ihrer Ur-Musig das Greenfield Festival, dieses Mal mit einer eigens für Alphorn arrangierten Version von Patent Ochsners Song «Venus vo Pümpliz».
«Als die Alphornbläser das Festival eröffnet haben, hatte ich Gänsehaut und Tränen in den Augen», so Thomas Dürr (CEO Greenfield Festival), «das war ein unbeschreiblich bewegender Moment.»
Am meisten gefeiert wird heute natürlich Electric Callboy. Was ein Brett! Mosh pits all over the place! Massiver Sound, geile Songauswahl (leider ohne Finch asozial), aber leider ein zu früher und zu kurzer Auftritt. Energie pur! Perfekt um gemeinsam ins Festival Wochenende zu springen.
Powerwolf sind ja immer ein Garant für eine gute Show, auch wenn sie heute auf ihre beiden Greywolves verzichten musste , die krank zu Hause blieben und ersetzt werden mussten. Auf dem Greenfield wird jetzt zum ersten Mal wieder live eine monumentale Metal Mass zelebriert. Pyros, Weihrauch, Heavy Metal-läuft!
THE OFFSPRING ließen die Menge vor der Bühne trotz leichtem Regen und grausig gefallenen Temperaturen feiern. Fans der 90er Jahre Hits waren bei „Self Esteem“, „Come Out and Play (Keep ’Em Separated)“ natürlich animiert mitzusingen, aber den Rest der Menge hat es nicht nicht wirklich abgeholt. Zu oft hat die Band schon am Greenfield gespielt, zu oft war es nur mittelmäßig bis schlecht und die Band ist auch heute wieder sichtlich kämpfend mit Songtexten und Sound. Der Slot könnte nun wirklich mal an eine neue Band vergeben werden.
Ein Meer aus mitsingenden und tanzenden Fans begleiteten dann den Auftritt des ersten Headliners KORN, der die Menge vollends eskalieren ließ. Eine vollkommen professionelle, tighte Performance mit einer spitzen Setlist.
Erschöpft und schweissgebadet wurden die Greenfield Festival Besucher und Besucherinnen dann in die erste lange Party-Nacht entlassen.
Freitag, 11. Juni
Die Schweizer von Final Story eröffnen den Festival-Freitag auf der grossen Jungfrau-Bühne und bringen mit ihrem Metalcore bereits ordentlich Bewegung in die vorderen Reihen. Die Gewinner des Greenfield Bandcontests aus dem Jahr 2016 haben es geschafft, ein weiteres Mal fürs Festival gebucht zu werden und danken es mit einem beherzten Auftritt. Christopher Bowes hat heute gleich zwei Mal die Möglichkeit seinen (Bühnen-) Entzugserscheinungen entgegenzuwirken.
Gloryhammer treffen den Geschmack des jungen Publikums und lassen die partywütige Meute in der Nachmittagssonne kochen. Hail the unicorns! Hail the hoots force!
Auf der kleineren Eiger-Stage beginnt das Nachmittagsprogramm mit Artifiction, die sich diesen Opener-Slot im Rahmen des Greenfield-Bandcontests erspielt haben. Die Schweizer Formation präsentiert ihren melodisch-progressiven Metalcore mit viel Enthusiasmus und wird mit dem Auftritt bestimmt den einen oder anderen Fan dazugewonnen haben.
Danach wird es Zeit für etwas klassischere Klänge. Baroness machen ordentlich Eindruck. Die Band präsentiert ihre originelle Mischung aus Heavy Metal, Stoner Rock und weiteren Einflüssen mit einer ausgesprochenen Leichtigkeit. Die Gitarristin sticht mit ihrer unbändigen Spielfreude und dem soliden technischen Können ganz besonders hervor – solche Damen wünschte man sich mehr auf der Bühne zu sehen. Schade nur, wird der überzeugende Auftritt vom Publikum nicht gewürdigt. Bis zum Schluss bleibt der Platz vor der Bühne halb leer.
Bei Alestorm fallen sämtliche Hemmungen. Das Publikum geht total steil und feiert feuchtfröhlich mit Poolnudeln, Gummienten und Co.
Burning Witches zeigen in den ersten fünf Minuten, dass sie einiges auf dem Kasten haben. Danach fällt die Energie leider etwas in sich zusammen, was vor allem an den wenig auf den Punkt gebrachten Kompositionen liegt. Die Gitarristin hier wirkt an ihrem Instrument auch vollkommen verkrampft. Lampenfieber? Technische Probleme? Wir wissen es nicht, aber leider bleibt die Liveshow nicht als besonders gut im Gedächtnis.
Nach einigen technischen Problemen starten Heaven Shall Burn umso fulminanter in ihr Set. Die letzte Abendsonne verkriecht sich hinter die Berge, da muss jetzt ordentlich Feuer auf der Bühne gemacht werden!
Jinjer sind heute nicht nur angetreten, um dem Publikum ihre energiegeladene Show auf die Ohren zu drücken. Die Ukrainer sind mit einer Botschaft gekommen und wenden sich nach dem ersten Song an das Publikum, um ihnen für die Unterstützung zu danken und weitere Unterstützung zur Verteidigung der Demokratie und zur Beendigung des Krieges einzufordern. Und wer diese Band noch nicht kennt, dem sei sie wärmstens ans Herz gelegt. Live oder auch aus dem Äther bleibt einem nicht nur die Stimme von Tatiana Shmailyuk in bleibender Erinnerung.
Diese Botschaft wird im Anschluss auch von Rise Against vermittelt. Die Chicagoer stellen einmal mehr unter Beweis, dass sie bis heute eine der relevantesten, unterhaltsamsten und festivaltauglichsten Bands der Punk- und Hardcore-Szene sind.
Bei helllichtem Mondschein lassen At The Gates die Eiger-Stage ein letztes Mal erzittern. Die Göteborger Urgesteine fahren den Härtegrad nochmals ordentlich hoch und lassen die Mähnen vor der Bühne fliegen.
Wenn man sich den Tourplan von Volbeat anschaut, fragte man sich automatisch, wie das zu bewältigen ist. Viele Kilometer, ständig neue Unterkünfte, jeden Abend eine neue Situation vorfinden und dann eine möglichst perfekte Show für die Fans abzuliefern. Es haben sich natürlich für viele Bands etliche Shows in der Corona Zeit angestaut und Verträge müssen erfüllt werden, auch ein Grund dafür warum viele Neuentdeckungen erstmal keine Chance haben, Liveshows spielen zu können. Aber zurück zu Volbeat. Sie waren stets bemüht, es ging auch nichts schief, die Setlist war voller Klassiker, aber es war eine der energieärmsten Shows, die ich von den Dänen je gesehen habe.
Samstag 12.6.
Wir starten mit Skillet. Christlicher Rock mit Jen Ledger – 2014 war sie die beste und bestverdienende Schlagzeugerin (Frauen) der Welt, mit rund 21 Millionen US-Dollar. Schon alleine deswegen müssen wir uns das mal anhören. Auf jeden Fall ein musikalisch sehr solider Beginn des letzten Festivaltags.
Der christliche Touch gefällt aber nicht allen, WIZO kritisieren gleich zu Beginn ihrer Show, dass auf Grund des grade besungenen Christentums etliche Kinder leiden müssten. Mit Kontroversen geizen die Sindelfinger Punks sowieso nicht – gut so! Die erste Show der Punks nach der Coronapause ist ein spitzen Punkrock Konzert. Die Punk Opis sind wesentlich besser geworden mit dem Alter und haben unendliche Energie. Erwähnenswert auch ihr neues Backdrop und Instrumenten Outfit. Designer war ein befreundeter Musiker der mit den doodles seine Depressionen in der Pandemie bekämpft hat. Subber Sach!
Und dann noch mehr Oldies but Goldie’s! HammerFall aus Schweden, ein echtes Urgestein des Metals. Irgendwie ist ihnen nie der totale Durchbruch gelungen, aber in der Versenkung sind sie auch nie verschwunden und es gelingt ihnen den traditionellen Heavy Metal am Leben zu erhalten. Die Schweizer sind auf jeden Fall begeistert und in der Stunde die die Schweden spielen, sieht man so viele Horns-up wie in den letzten drei Tagen nicht.
Gleich danach legen Battle Beast nach. Leider auf der kleinen Bühne, die wie immer an Überschneidungen mit dem Programm der MainStage leidet. Hier ist es einfach zu eng für Noora und den Circus of Doom. Trotzdem ist es ein absolut gelungener Auftritt, Noora ist einfach eine begnadet gute Sängerin-nächstes Mal bitte auf der Main Stage!
Und dann ist er da, der Herzensbrecher der Damenwelt. Es herrschen Zustände wie 1996 beim Backstreet Boys Konzert – habe ich mir erzählen lassen, dass es damals so war… Oliver Sykes heißt das Objekt der Begierde. Seines Zeichens Sänger bei Bring me the horizon. Exzentrisches Bühnenoutfit, tätowiert bis über beide Ohren, Schlafzimmerblick und eine begnadete Stimme und die Fans flippen völlig aus. Gut, das aktuelle Album ist wahnsinnig gut und live sind die Engländer unschlagbar. Musikalisch ein absolutes Brett und ein würdiger Co-Headliner des Greenfield 2022. Da ist tote Hose auf dem Campingplatz, alles mosht sich nochmal auf dem Festivalgelände durch die heisse Sommernacht.
Wir waren sehr gespannt zu Beginn des Festivals, wie dieses wohl so kurz nach Beendigung der Corona Maßnahmen laufen würde. Würde es Absagen geben? Wie verhalten sich die Besucher? Distanziert oder völlig hemmungslos? Gibt es genügend Securitys? Das Motto des Festivals war dieses Jahr ja auch “The Reanimation”.
Aber es war alles, als wäre nie etwas gewesen. Keine Absagen, überall ausreichend nette Securitys, hemmungsloses Partyvolk, Moshpit Vollkontakt, Crowdsurfing ohne Maske, Bier holen ohne Impfzertifikat. Einzig und allein Billy Talent wollten, dass Masken im Graben getragen werden – bei einer 3m hohen Bühne mit 40m Tiefe -Sicherheit geht halt vor.
Unser Fazit: Reanimation voll gelungen! Die große Freude, endlich wieder Musik spüren zu können und feiern zu dürfen, war auf dem Gelände allgegenwärtig. Ohne grossen Zwischenfälle konnte das Greenfield Festival 2022 nach 2 Jahren pandemiebedingter Pause endlich wieder mit 84.000 Besuchern stattfinden.
Das Datum für die nächste Ausgabe steht bereits fest: 08.-10.06.2023.