Live am 20.05.2018 in der Kirchenruine Wachau beim Wave-Gotik-Treffen in Leipzig
(Text & Bilder von Stefan)
ARCANA begeistert mich seit vielen Jahren. Der Musik der schwedischen Band wohnt ein ganz besonderer Zauber inne. Zumeist wird der Musikstil von ARCANA als Neoklassik bezeichnet. Doch wie kann man die zauberhafte Musik dieser Band genauer beschreiben? Sie klingt feierlich, märchenhaft, hypnotisch, zeitlupenartig und beruhigend. Aber auch bombastisch, dramatisch, bedrohlich, tragisch und dunkel. Wie auch immer man diese Musik beschreibt, das Wichtigste ist: Sie besitzt die Gabe, die Seele im Innersten zu berühren.
Kaum denkbar, dass es einen Ort mitsamt einer Konzertbühne gibt, der den tiefgründigen Zauber dieser Musik angemessen widerspiegelt. Doch diesen magischen Ort gibt es wirklich! Es ist die Kirchenruine Wachau. Sie ist ein rundum bezaubernder Ort: Ihre hohen und wuchtigen Mauern sind großflächig mit pittoresken Kletterpflanzen bewachsen. Zudem ist die Ruine von einem sehr schönen Baumbestand umgeben. Mit anderen Worten: Hätte die Kirchenruine bereits zur Zeit Caspar David Friedrichs existiert, wäre sie ein perfektes Motiv für seine Malkunst gewesen. Tatsächlich ist die Kirchenruine Wachau ein romantischer Sehnsuchtsort in Reinkultur.
Kein Wunder, dass sehr viele Besucher des WGTs Interesse daran haben, ARCANA an diesem phantastischen Ort live zu erleben. Der Andrang ist sogar so groß, dass es schließlich zu einem Einlass-Stopp kommt. Schade, dass es nicht allen Interessierten vergönnt ist, dem Konzert im Inneren der Ruine beizuwohnen.
Dann ist es soweit: Pünktlich um 14 Uhr betritt ARCANA die Bühne. Die Vorfreude erreicht ihren Höhepunkt. Eine sehr feierliche Stimmung erfüllt den Raum. Und eine spezifische Spannung liegt in der Luft, denn die Anwesenden wissen, dass ARCANA an diesem magischen Ort eine besondere Chance offenbart wird: Es ist die Chance, ein Konzert zu spielen, das in der Bandgeschichte schon bald als legendär gelten könnte. Und man kann es wahrlich als meisterlich bezeichnen, wie die Gruppe diese günstige Fügung des Schicksals für sich zu nutzen weiß. Denn tatsächlich spielt ARCANA ein Konzert, das so ist, wie die Location selbst: märchenhaft schön!
Die sechs Bandmitglieder machen wirklich alles richtig: Die Gesangsleistungen von Peter Bjärgö und seiner Frau Cecilia sind über jeden Zweifel erhaben. Peters dunkle, bedrohlich tönende Stimme und Cecilias heller, engelsgleich klingender Gesang bilden in ihrem Zusammenspiel einen packenden Kontrast – einfach wundervoll! Auch das Spiel des Schlagzeugers Mattias Borgh begeistert mich sehr. Er platziert wirklich jeden seiner Einsätze genau an der richtigen Stelle. Und obwohl sein Spiel minimalistisch zu nennen ist, gelingt es ihm immer wieder, eine höchst dramatische Atmosphäre in die Songs zu zaubern. Zu loben ist zudem das konzentrierte Spiel der Geigerin Núria Luis. Auch die beiden Männer an den Tasten, Sergio Gamez Martinez und Stefan Eriksson, agieren auf höchstem Niveau.
Insgesamt kann man die Soundqualität als perfekt bezeichnen. Wahrscheinlich sorgt auch das schützende Mauerwerk der Ruine für die gelungene Akustik des Konzerts. Zwar weht gelegentlich ein Windstoß durch die glaslosen Kirchenfenster, aber letztlich hat der Wind dank der mächtigen Mauern keine Chance, die gewünschte Entfaltung der präsentierten Klangkunst wirklich zu stören.
Auch die Chemie innerhalb der Band wirkt auf mich sehr stimmig. Die verschiedenen Temperamente der Bandmitglieder sorgen in ihrem Zusammenspiel für eine ausgewogene Mischung. Die zwei wichtigsten Bestandteile dieser Mischung: einerseits eine konzentrierte Ernsthaftigkeit, andererseits eine freudvolle Entspanntheit. Wobei die freudvolle Entspanntheit vor allem durch Cecilia zum Ausdruck gebracht wird. Sie strahlt immer wieder über das ganze Gesicht.
Auch die Setlist kann ich nur loben: Die verschiedenen Phasen der Bandgeschichte werden berücksichtigt. Und zumeist werden Lieder gespielt, die mir besonders gut gefallen. Zum Beispiel „Chant Of The Awakening“ vom Album „Cantar De Procella“. Ich liebe es, wie sich bei diesem Song die Dramatik kontinuierlich steigert. Ein weiterer Höhepunkt ist für mich das herrlich sehnsuchtsvoll klingende „We Rise Above“ vom Album „Inner Pale Sun“.
Außerdem fasziniert mich „Angel Of Sorrow“ vom Debütalbum „Dark Age Of Reason“ besonders. Dieses zeitlupenartige Lied, das von einer gespenstischen Trauerstimmung erfüllt ist, ist wie geschaffen dafür, um an diesem geschichtsträchtigen Ort seine tiefgründige Wirkung zu entfalten. Im Vergleich dazu wirkt „Wings Of Gabriel“ geradezu lebendig, denn dieser Song ist mit einer treibenden Rhythmik ausgestattet. Mir gefällt die Liveversion noch besser als die Studioversion. Vor allem liegt das daran, dass jetzt lautmalerischer Frauengesang in das Klangbild integriert wird. Die Studioversion verzichtet hingegen gänzlich auf weiblichen Gesang.
Insgesamt kann ich nur wenig konkrete Unterschiede zwischen den Live- und den Studioversionen entdecken. Trotzdem kommt es mir so vor, als ob alle Liveversionen noch besser als die Studioversionen klingen. Tatsächlich wirken alle Songs wuchtiger und atmosphärischer als auf CD. Wahrscheinlich liegt dies an der besonderen Aura der Kirchenruine. Ein zumindest naheliegender Gedanke.
Natürlich vergeht die Zeit bei diesem großartigen Konzert wie im Flug. Als ARCANA zum ersten Mal die Bühne verlässt, ist es 15.10 Uhr. Der Jubel ist so groß, dass die Band auf die Bühne zurückkehrt und noch einen Song spielt. Um 15.20 Uhr verlässt ARCANA endgültig die Bühne.
Es war ein phantastisches Konzert, bei dem auch das Wetter traumhaft war. Blauer Himmel und angenehme Temperaturen, da kann man wahrlich nicht meckern. Dass das Wetter noch eine Erwähnung verdient, ist der Tatsache geschuldet, dass die Kirchenruine Wachau kein Dach besitzt. Und so bleibt als Resümee festzuhalten: Ich habe schon bei vielen Open-Air-Konzerten in den Himmel geblickt, doch so nah wie heute habe ich mich ihm selten gefühlt! (stefan)
(Wer noch mehr über die Kirchenruine Wachau erfahren möchte, kann die Webseite des Vereins „Kirchenruine Wachau e.V.“ besuchen: http://www.kirchenruinewachau.de/index.php)