Live in der Meier Music Hall in Braunschweig am 19.06.2012
OBITUARY + DUST BOLT + THE ATMOSFEAR
Wenn man mitten in einer harten Arbeitswoche steckt, muss auch harter Freizeitspaß her. Was eignet sich da besser, als ein Konzert von OBITUARY? Vielleicht eines von NAPALM DEATH, aber die sind ja nicht hier. Kleiner Scherz. Wenn man bedenkt, dass OBITUARY eine der ersten Death Metal-Bands war, die mich kultiviert hat, ist es schon komisch, dass ich bis 2012 warten musste, um die Band live zu sehen, aber heute geht es endlich los. Nach der Arbeit ’ne Stulle gegessen, Michi eingesackt und nach Braunschweig gefahren. Als Support auf der „European Possession“-Tour 2012 haben sich die Altmeister die Band DUST BOLT mitgenommen, aber lokale Supports werden gern auf das Billing gewuppt und dadurch kommen wir in den Genuss THE ATMOSFEAR heute Abend zu sehen.
Die Meier Music Hall in Braunschweig ist eine schöne Location und auf dem Weg dorthin frage ich mich, ob sie wohl zu groß oder zu klein für OBITUARY sein wird. Die Engländer, Ukrainer, Schweden und Franzosen, die im Braunschweiger Einzugsgebiet leben, werden jedenfalls nicht kommen, da die Europameisterschaft noch läuft, aber ich denke, der Anteil wird eher zu vernachlässigen sein. Naja, auf die langweiligen Menschen, die die EURO 2012 ™ dem gepflegten Death Metal-Groove vorziehen, wird wohl auch verzichtet werden müssen und der Tatsache, dass das Konzert mitten in der Woche, oder eigentlich noch schlimmer: am Anfang der Woche stattfindet, muss wohl Tribut gezollt werden.
Anfangs ist die Zuschauermenge auch eher überschaubar und man hätte sich bequem in Zweierreihen aufstellen und durchzählen lassen können, aber das schockt THE ATMOSFEAR nicht wirklich.
Meine Lieblings Harzer-Todesroller um Frontmann Olle und Gitarrist Andy haben mich weder auf CD, noch auf einer Bühne je enttäuscht und dementsprechend freue ich mich auf den Gig. Und ganz ehrlich? Saugeil! 40 Minuten Dampf auf der Bühne und in den Ohren. Die Songs waren erstklassig ausgewählt und enthielten in dieser Spielzeit nur Hits und keine Füller und so was muss man sich als Band erstmal erarbeiten. Auch ein neuer Song fügt sich nahtlos in die Galerie der Hits ein und scheint den Weg des letzten Albums „the world is grey“ konsequent weiterzuverfolgen. Geil! Die Mischung aus Death Metal, klassischen Gitarrenparts, ein bisschen Black und Thrash Metal kickt ohne Ende und die abwechslungsreichen Songs inklusive einiger starker Soli sind live schlicht und ergreifend eine Macht.
Für die Action auf der Bühne ist Olle zuständig, der sich aber auch nicht lumpen lässt und dank des langen Mikrofonkabels den großzügigen Platz vor der Bühne zu nutzen weiß, indem er die schüchternen Zuschauer ansingt. Geile Sache. Anderer Aktivpunkt auf der Bühne ist vornehmlich Andy (g), der gerne mit Sascha (g) um die Wette post. Lars (b) und Frank (d) sind das Uhrwerk der Bande und es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit Frank die Felle verdrischt, wen er zum Blast ansetzt.
Besonders auffällig, im positiven Sinne, ist die Tatsache, dass der Sound bereits bei der „Vorband“ erstklassig ist! Auch das Licht ist ausreichend vorhanden und man hat bereits bei THE ATMOSFEAR den Eindruck, dass OBITUARY ihren Support mit ordentlich Respekt behandeln. Das war ein starker Auftritt, der Appetit auf mehr macht! (www.the-atmosfear.de)
DUST BOLT ist eine Band, die aus jungen Hüpfern besteht, aber oldschooligen Bay Area-inspirierten Thrash Metal zockt, der mir generell bekanntlich gut reingeht.
Als sie auf die Bühne kommen und losfetzen, bleiben auch keine Zweifel, dass diese Band auf der Tour genau richtig ist. Schließlich gibt es nichts öderes, als 3 gleichklingende an einem Abend zu erleben und so bildet der Thrash Metal der Burschen einen guten Kontrast zu THE ATMOSFEAR und OBITUARY. Aber nicht nur der Kontrast macht’s, nein die Mucke macht’s und die hat es in sich. Man könnte sicherlich einige Namen bekannter Thrash-Combos aufzählen und hätte immer Recht, aber mir ist aufgefallen, dass KREATOR und ANTHRAX ihre Spuren im Acting hinterlassen haben, denn Sänger/Gitarrist Lenny hat die Mille-Hand voll drauf, wogegen Bassist Bene seinen Bewegungsdrang umsetzt wie eine Mischung aus Scott Ian und Frank Bello und auch der Style erinnert an ANTHRAX Anno 1989. Gitarrist Flo ist eher der ruhigere Pol, aber zusammen mit Lenny knetert er einige Twinleads raus, die mich voller Sehnsucht an den letzten HEATHEN-Gig zurückdenken lassen. Die Ansagen und ständigen Aufforderungen des Sängers bleiben im Laufe des Gigs nicht unerhört und nachdem erst ein einsamer Banger sich vor die Bühne traut, werden immer mehr. Er will uns halt headbangen sehen!
Die Songs, die allesamt vom letzten Demo und der Ende Juli 2012 erscheinenden Debüt-CD stammen sind ein gefundenes Fressen für jeden Thrasher, der auf schnelle Riffs und Energie ohne Ende steht. Ich hoffe nur, dass die Band es geschafft hat, ihre Liveenergie, die den Gig wirklich zu einem sehr guten macht, auch auf CD zu bündeln, um sich von der Masse der guten Thrash-Bands abzuheben.
Auch DUST BOLT bekommen 40 Minuten Spielzeit, so viel Lichtshow wie die Lampen hergeben und einen Sound, der einfach nur erstklassig ist. Als Zuschauer hat man sowohl wegen der Rahmenbedingungen, als auch wegen der musikalischen Qualität in keiner Sekunde das Gefühl, dass hier nicht der Headliner auf der Bühne steht. (www.facbook.com/dustbolt)
Der Headliner ist aber OBITUARY, die mit den Alben „Slowly we rot“, „Cause of death“ und „The End Complete“ nicht unwesentlich zu meiner Todesbleisozialisation beigetragen haben. Die Namen John Tardy (v), Trevor Peres (g), Donald Tardy (d) und Terry Butler (b) sind seit meiner Jugend Legende und genau wie mein süßer Vogel Jugend bereits die Mauser hat, kommt die Band aus dem sonnigen Florida etwas ausgedünnt auf die Bühne. Zuletzt ist/war Ralph Santolla (u.a. DEICIDE) der etatmäßige zweite Klampfer, aber der ist nicht dabei! Wieso, weshalb, warum? Keine Ahnung, aber das dadurch bedingte Fehlen der Soli hat natürlich einen immensen Einfluss auf den Sound! Rudimentär, brutal, und ziemlich direkt krachen die Riffs aus der Anlage. Ich muss gestehen, dass mich der unglaubliche OBITUARY-Groove begeistert und ich wirklich zufrieden bin, allerdings die genialen Gitarrensoli auch etwas vermisse, sind sie bei den Songs und für 100% OBITUARY doch wirklich wichtig und das Eiterhäubchen auf dem Kadaver. Aber ganz ähnlich wie OVERKILL überrollen dich die vier Kerle wie eine Dampfwalze, wenn der Motor erst einmal angeschmissen wurde.
Anstatt eines Intros vom Band kommen Trevor, Donald und Terry auf die Bühne und rocken sich mit einem Instrumental warm, während sich die Meier Music Hall doch noch ganz ordentlich gefüllt hat. Es dürfte zwar gerne mehr sein, aber bei den vielen Freizeit-Alternativen, die sich einem heutzutage bieten, muss man den Arsch erstmal von dem Sofa hochkriegen. Die Aktiven auf der Bühne sind John Tardy und Trevor Peres aus, die ihre unglaublich langen Haare fliegen lassen und man fragt sich ernsthaft, was diese Mähnen an Pflege und Zeit pro Tag beansprucht. Nebenbei trommelt John mehrfach auf dem Drumkit seines Bruder Donald mit, wenn die ausladenden Instrumentalparts mal zu langweilig werden. Wirklich gute Bilder von John zu bekommen ist aber recht schwierig, denn entweder ist er immer in Bewegung oder trägt seine Haare offen im Gesicht, aber am Licht hat es nicht gelegen, denn die Lichtshow ist angenehm hell und kann dennoch stimmungsvolle Akzente setzen.
Einer, der den Gig in vollen Zügen genießt ist Olle, der den ganzen Gig abfeiert und wahlweise direkt an der Bühne bzw. im Moshpit zu finden ist. Beim seinem Auftritt hat er ja schon klargemacht, wie viel die Band ihm bedeutet und auch sein Gesangsstil ist sicherlich teilweise von John Tardy beeinflusst. Daher scheint da ein Traum in Erfüllung gegangen zu sein.
Glücklich sind aber auch alle anderen der Anwesenden, denn keiner beklagt sich über den Gig, der nach ca. 70 Minuten sein vorzeitiges Ende findet und mit solchen Großtaten wie „Slowly we rot“, „Find the Arise“, „Turned inside out“, „The End Complete“, „Evil Ways“ oder der komplett geilen Coverversion von CELTIC FROST’s „Dethroned Emperor“ und einem Drumsolo prall gefüllt war. OBITUARY sind Vollprofis, das merkt man zu jeder Sekunde, aber schließlich sind sie auch schon mehr als 20 Jahre dabei und ziehen ihren Scheiß kompromisslos durch, was definitiv den Respekt der Death Metal-Szene verdient. (www.obituary.cc)
Für mich haben mehrere Pausen zwischen den Songs den Lauf des Gigs etwas abgebremst und das Fehlen der Sologitarre vielleicht verhindert, dass man sich vollends im Todesblei-Nirvana wiedergefunden hat, aber geil war der Auftritt der Floridianer allemal. Es hat sich für alle Angereisten defintiv gelohnt, denn alle Bands haben alles gegeben, die Stimmung war gut, die Technik hervorragend und die Musik aller drei Acts einfach nur geil. Unser Dank geht an die Bands, die Meier Music Hall (www.meier-music-hall.de) und ganz besonders an Nicole von Heavyspace (www.heavyspace.de). (chris)