LIVEBERICHT

3. Indie Gothic Festival :: Treffen der Generationen

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3. Indie Gothic Festival am 24.10.2015 im Jugendzentrum B6 in Goslar mit FADERHEAD; PSYCHE; SCHWARZBUND und BEATING SIGNAL

Bilder @ Caro / Text @ Michi

 

Alle Welt strömt zu den großen Festivals, dabei verkommen diese doch zunehmend zu seelenlosen kommerziellen Veranstaltungen die immer austauschbarer werden. Aber es gibt immer noch die kleinen Festivals, bei denen engagierte Musikfans etwas auf die Beine stellen und die echte Szene am Leben halten. So ist es zum Beispiel auch mit dem nun zum dritten Mal stattfindenden „Indie Gothic Festival“ im Harzrand Städtchen Goslar, welches vom örtlichen Verein „Goslarer Music Scene e.V.“ veranstaltet wird. Beachtlich ist, dass man es sogar geschafft hat die Synthie Pop Ikone PSYCHE aus Kanada für dieses Festival zu gewinnen.

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Doch den Anfang machen im leider etwas kalt und steril wirkenden Jugendzentrum B6 die aus Nordenham stammenden BEATING SIGNAL. Beim Eintreffen ist deren Gig schon voll im Gange, in der kleinen Halle des Jugendzentrum haben sich auch schon die ersten Besucher angefunden, die die heute vierköpfige Future Pop / EBM Band supporten. Der elektronische Sound ist technisch gut, die Beats sitzen, die Sequenzer pulsieren und Sänger Basti zelebriert sehr energisch seine Texte. Die Gäste nehmen die Musik an, erste Tänzer bringen Bewegung im Zuschauerraum. Optisch haben sich die drei festen Musiker der Band gut herausgeputzt. Zwischen Horrorstyle und einem Daniel Graves Verschnitt am Mikro ist alles dabei. Vor allem das finale Stück „Swallowing Tears“ sorgt für einen kraftvoll aggressiven letzten, durchaus positiven Eindruck.

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Für die zweite Band des Abends ist dieser Auftritt fast ein Heimspiel, denn SCHWARZBUND stammen aus dem nicht weit entfernten Wernigerode, wer hätte gedacht, dass es dort nicht nur ein Schloss und eine Schmalspurbahn gibt, sondern auch eine Schwarze Musik Szene. Doch schon vor einiger Zeit durfte ich deren Debüt Album besprechen und das hatte mir in der Tat sehr gut gefallen. Die Band besteht aus René (Vocals), Dirk (E-Drums) und Matrin an den Tasten. Ihr Stil lässt sich irgendwo zwischen Dark Electro, EBM und wie es einmal sogar während des Gigs genannt wird „Schlager Wave“ (wegen der zumeist deutschen Texte) einordnen.

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Der Raum hat sich inzwischen weiter gefüllt und durch die Besucher erhält der sonst doch sehr kalt wirkende Allzweckraum nun endlich etwas Konzertfeeling. Die Jungs starten mit „Äther“ und „Der Mensch tanzt“ mit zwei weltkritischen und nachdenklich stimmenden Titeln. Die synthetischen Klänge sitzen richtig gut und in der Tat kann man die großen Genre-prägenden EBM Vorbilder in der Musik spüren. Positiv ist auch, dass man die E-Drums und viele Synthie Passagen richtig live spielt und nicht alles vom Band kommt. Den Musikern merkt man an, dass sie Spaß haben an dem was sie tun, vor allem Sänger Rene fällt immer wieder durch sympathische Interaktionen mit dem Publikum auf. Ein Highlight des Auftrittes ist ein altes Stück namens „Irrlicht 2012 a.D.“, dieser Songs besticht durch tolle kalte elektronische Synthetik und einem sehr eindringlichen Gesang samt tiefgängigem Text. Mit „Choaskopf“ und „Herbstsonne“ folgen zwei Stücke von der aktuellen EP, den Abschluss macht dann nochmal ein Klassiker des eigenen Songportfolio „Scheinwelt“, bei dem alle SCHWARZBUND Freunde nochmal ihre Begeisterung mit bewegungsfreudigem Support zum Ausdruck bringen.

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Mit einem Schlage füllt sich die Halle sehr gut, denn nun machen wir eine Zeitreise zu einer wirklichen Genre Ikone. Es folgen nun die ursprünglich aus Kanada stammenden PSYCHE, eine Band deren Anfänge bis in die frühen 80er Jahre zurückreichen. Also eine Zeit in der viele der heute Anwesenden noch nicht mal geboren waren ;-). Sänger und Gründer von PSYCHE Darrin Huss und der heutige Live Keyboarder Stefan Rabura betreten die nebelumhüllte Bühne und sofort sind die Zuschauer sehr präsent. Gleich mit dem ersten Stück entführen uns PSYCHE in ihre Frühphase mit dem Titel „Brain collapses“ und ich spüre sofort wie grandios doch diese alten analogen elektronischen Klänge sind. Soundtüftlern geht dabei einer ab. Lustigerweise bindet er in diesem Song andere Old School Textfragmente anderer Musikhelden dieser Zeit ein wie „Arbeit/Lohn“ oder „Küss mich mein Liebling“. Darrin ist auf der Bühne ein Phänomen, permanent in Bewegung und tanzend zeigt er das Synthie Pop Konzerte alles andere als sterile und bewegungsrme Bühnenshows sein können. Die Songauswahl ist stark, Stücke wie „Sanctuary“, „Angel lies sleeping“, „The saint became a lush“ oder „Misrey“ kommen sensationell und Darrin zeigt stimmlich, das er auch mit knapp 50 Jahren noch immer auf der Höhe seines musikalischen Könnens ist.

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Es sind die Cover Stücke „Disorder“ (JOY DIVISION) und selbstverständlich  „Goodbye horses“ (Q Lazzarus) die weitere emotionale Höhepunkte für alle Fans dieser Band bilden und so verfliegt die gute Stunde Spielzeit, die zur Verfügung steht, wie im Fluge. Mit „Unveiling the secret“ und „Gods and monsters“ als Zugabe werden dann leider gefühlt viel zu früh die letzten Titel gespielt. Ich muss sagen, dass ich selten in diesem Genre ein so gutes Konzert gesehen habe, hier ist der Elektro Wave noch eine wahre Kunst und eben kein austauschbares Produkt aus dem Computer.

Nun steht schon der finale Hauptact bei diesem Festival an, der Umbau geht bemerkenswert schnell, und nach einer kurzen Ansprache des Veranstalters kommen FADERHEAD auf die Bühne. Ein Mikro und Apple Computer und jede Menge Stroboskop Lichtsäulen bilden nun wiederum den Kontrast zum vorher Gesehenen. Stachel-Iro-Head Sami Mark Yahya und der DJ Joe Meyer entern die Bühne und es wird nicht lange gefackelt denn mit „Dirtygrrrls dirtybois“ kommt als Opener gleich eines der bekanntesten Kracher der Aggrotech Formation FADERHEAD.

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Die Beats krachen und sofort ist Energie in der Halle, endlich gibt es nun auch ein paar satte Dezibel auf die Ohren. Sami ist agil, dynamisch, zynisch und schafft es keinen einzigen Song vorzutragen ohne nicht mehrfach mit den Zuschauer zu interagieren. Aber das schafft Bindung und die ist schnell geschaffen, die Menge tanzt von Track zu Track zunehmend bis in die letzten Reihen. Textlich ist nicht viel zu holen bei diesem Projekt, aber egal funktioniert trotzdem und das Elektrovolk wird befriedigt mit Stücken wie „Join Us“; „Zigzag machinery“ oder „Stand Up“ vom letzten Album. Bei „Fistful of fuck you up“ darf jeder ganz offiziell den Stinkefinger in die Luft strecken und bei „Freaks Come Out“ und dem selten gespielten „You can resist“ wird richtig geile EBM Dynamik vermittelt.

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Immer wieder gibt es nette Geschichten zwischendurch; welche hinter dem Stück „Swedisch models und cocaine“ steckt, muss ich wohl nicht weiter ausführen an dieser Stelle. Auf jeden Fall ein weiterer Hammer der die Menge in Wallung bringt und zeigt, dass FADERHEAD ein würdiger Headliner an heutigen Abend sind. „Destroy improve rebuild“ und letztendlich „Tanz 234“ bilden dann das Ende vom Auftritt und somit auch vom 3. Indie Gothic Festival in Goslar.

Für alle Nachteulen findet folgend an anderer Stelle in der Stadt im „Club Kartell“ eine Aftershow Party statt, bei der auch die Musiker anzufinden sind. Ich finde diesen Abend rundum gelungen und hoffe, dass dieses Festival auch in den kommenden Jahren stattfindet und sich letztlich auch rechnet für die Veranstalter. Heute Abend waren die Bands alle klasse, die Organisation war super, die Preise für die Getränke ein Traum und die Umbauzeiten sensationell. Leider ist die Lokation etwas kühl und optisch wenig reizvoll. Aber egal, denn wenn die Butze voll ist kann man keine Wände mehr sehen. Von daher alles richtig gemacht. Gute Nacht! (michi)