Herstellungsland: Deutschland
Erscheinungsjahr: 2013
Wertung: Empfehlung!
Regie: Jörg Buttgereit + Thilo Goosejohann
Darsteller: Claudia Urbschat Mingues, Peter Groeger, Lars Eidinger, Dieter Hebben, Annika Meier, Bettina Lieder…
FSK: ab 16 Jahren
Studio: JB-Films & Neverhorst Company
Genre:Theater / Hörspiel
Inhalt:
„Monsters of Arthouse“ versammelt 3 Theaterstücke von Jörg Buttgereit auf einer DVD: „Green Frankenstein“, „Sexmonster!“ und „Video Nasty“. In einem Grenzgang zwischen Live-Hörspiel, Theater und Film entführt Buttgereit die Zuschauer in die Welt der Bahnhofskinos der 70er Jahre, die mit ihren Nonstop Monster-, Sex- und Zombie-Filmen einen zwielichtigen Ruf genossen. Wie schon bei „Captain Berlin versus Hitler“ hat Thilo Gosejohann die Bühnen-Exzesse von Jörg Buttgereit filmisch in Szene gesetzt. Ein Erlebnis der besonderen Art erwartet die Zuschauer, bei dem Zombies unter Kannibalen wandeln, Penis-Transplantationen aus dem Ruder laufen und japanische Riesenmonster lustvoll Städte zermalmen.
Ist es ein Theaterstück? Ist es ein Hörspiel? Nein, es ist Jörg Buttgereit! Als ich die DVD bekommen habe, kam das alte „Dogville“-Theater-goes-Kino-Trauma schonungslos in mir hoch und ich hatte keine große Lust, mich erneut traumatisieren zu lassen. Aber mutig, wie man beim Amboss-Mag leider manchmal sein muss, habe ich die DVD eingeschoben, um mir einen Überblick zu verschaffen…und was soll ich sagen?! Von der ersten Sekunde an habe ich vor dem Bildschirm geklebt und konnte mich nicht mehr lösen!
Jörg Buttgereit hat seine Hörspiele auf die Theaterbühne gebracht, aber nicht als Theaterstück im eigentlichen Sinne inszeniert, sondern als Live-Hörspiel. Die Art, wie die Schauspieler / Sprecher in den Folgen „Green Frankenstein“ und „Sexmonster!“ in ihren, auf der Bühne aufgebauten, Kinosesseln lümmeln und die Geschichte transportieren ist wahrlich jede Sekunde wert! Relaxt und doch packend erzählen sie die Geschichte vom „Green Frankenstein“, in der die Natur sich gegen die vermeintliche Vorherrschaft der Menschen erhebt. Aber auch Körpereinsatz ist gefragt, wenn der Kampf beginnt und die Schauspieler turnen über die Sitze. Zwischendurch gibt es immer wieder Wissenswertes zum Thema „Monster“.
Das Stück „Sexmonster!“ ist im New York der Siebziger angesiedelt und erzählt die Geschichte eines Stechers und seines jungfräulichen Freundes. Als der Stecher mit dem Riesendödel im Sterben liegt (ja, ungeschützter Sex mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern hat ihm einen damals unbekannten Virus eingebracht…), bekommt der jungfräuliche Freund ruckzuck sein Gemächt transplantiert, welches leider ein wachstumsbedingtes Eigenleben entwickelt, den Träger verändert und aus dem Stelldichein mit einem Schwarm resultiert ein blutiger…Mord? Unfall? Keine Ahnung, wie man das nennen soll, wenn er einfach zu groß ist…
Hier bekommt man zwischen den Akten eine Abhandlung über das männliche Geschlechtsteil, aber streng wissenschaftlich und mit erstaunlichen Fakten gespickt!
Mein Lieblingsstück (ja, ich bin recht schlicht gestrickt) ist allerdings mit einem hauchdünnen Vorsprung „Video Nasty“! Ein Zombie-Kannibalen-Kracher im Hörspiel-Format! Wie bei allen Stücken platzt auch dieses vor Reminiszenzen an den Klassiker des Genres, Kommissar Romero trifft mit der Wissenschaftlerin Spinell auf den total verstrahlten Dr. Fulci…noch Fragen!? Kannibalen, ausgeweidete Körper, Zombies…hier bekommst du alles serviert, was in den Achtziger Jahren den Videomarkt überschwemmt hat und diesen Zeiten ein Revival auf DVD und Blu-Ray feiern darf!
„Video Nasty“ wird von einem anderen Cast gespielt, u.a. mit Peter Groeger (einem meiner Lieblingssprecher, u.a. der Dr. Watson aus der Maritim-Sherlock Holmes-Serie) und Claudia Urbschat Mingues, die man u.a. aus der „Dorian Hunter“-Hörspielserie als Coco Zamis kennt und auch das Setting auf der Bühne ist ein anderes: die Sprecher stehen am Stehpult und tragen die Texte, so platt sie auch manchmal sein mögen, sehr packend vor. Eingerahmt ist die Handlung in einen gemütlichen Video-Abend, den ein Pärchen sich gönnt, um den neu gekauften Videorekorder einzuweihen.
Veredelt wird das Happening durch einen Geräuschemacher, der Live auf der Bühne für die akustische Untermalung sorgt und der DVD-Gucker bekommt den einen oder anderen Videoeffekt spendiert, die aber nicht die Theaterästhetik zerstören.
Jörg Buttgereit ist Anno 2013 weit mehr, als „Nekromatik“, „Todesking“ oder „Schramm“. Wahrscheinlich war er schon immer mehr als das, aber diese allgemeinbekannten Projekte überstrahlen seine feinere Arbeit. Durch dieses Projekt allerdings macht er sich einem anderen Publikum bekannt…dem Trash-affinen Hörspiel- und Theaterliebhaber. Sämtliche Stücke strotzen vor liebevollen Huldigungen an das Trashkino der vergangenen Jahrzehnte und wer jede Anspielung, Hommage und Reminiszenz erkennen kann (Namen, Orte, Begebenheiten etc…) darf sich als wandelndes Filmlexikon bezeichnen. (chris)