LIVEBERICHT

KASEMATTEN Festival 2016 :: Tief unter der Erde

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Kasematten Festival vom 15.04. – 16.04.2016 in den Sandsteinhöhlen Langenstein bei Halberstadt. Mit dabei Covenant, Kirlian Camera, Wayne Hussey, Spiritual Front, Dive, Frozen Plasma…

Zwischen Halberstadt und Blankenburg am Randes vom Harz befindet sich der kleine, auf den ersten Blick unscheinbare Ort Langenstein. Doch bei genauerer Betrachtung liegt eine dunkle Vergangenheit aus einer dunklen Zeit in Deutschland über diesem Ort. Doch was Teil einer grausamen Vergangenheit war, kann heutzutage bei neuer Nutzung ein ganz neues Licht bekommen. Genau dies trifft auf die Sandsteinhöhle in Langenstein zu. Schon länger Treffpunkt für Musikparties in der Region wird dieser Ort nun auch zum zweiten Male für das KASEMATTEN FESTIVAL genutzt.

Nach dem starken LineUp im Jahre 2015, konnte der Veranstalter auch für 2016 wirkliche Größen der Szene für dieses Event, welches über zwei Abende stattfindet, begeistern. Mein Besuch ist hier völlig inoffiziell, trotzdem kann ich mir nicht verkneifen ein paar Worte und Bilder zu diesem tollen Festival hier mit euch zu teilen.

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Als ich am Freitag am frühen Abend die Lokation erreiche, ist der erste Act des Abends EVI VINE leider schon vorbei. So bleibt noch Zeit sich im engen Zutrittsbereich einen Überblick über die kulinarischen Angebote zu verschaffen. Wie bereits im Vorfeld angekündigt ist der Bereich der Höhlen ziemlich kalt. Grade mal knapp über 10 Grad Celsius sind zu Beginn hinzunehmen, doch mit längerer Dauer und Publikumsdichte wurde Besserung versprochen.

Der erste Auftritt den ich persönlich vermelden kann, ist der von der Band STILL PATIENT, die bereits seit einem viertel Jahrhundert in der Szene unterwegs ist. Noch ist die Menschenmenge in der für 1000 Leute zugelassenen Höhle überschaubar, doch schon jetzt sind Atmosphäre und Sound phänomenal. Druckvoll und voller Energie wird die Intensität der Musiker auf der Bühne herüber gebracht und die Zuschauer, die schon zu diesem frühen Zeitpunkt zugegen sind, werden dafür schnell belohnt. Der typische 90er Jahre Dark Rock oder Gotik Rock kommt akustisch sehr gut und vor allem sehr kraftvoll herüber.

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Bemerkenswert gut ist die Luft in der Höhle. Alle Befürchtungen über schlechte Luft sind schnell verflogen. Ja, nur die Kälte ist noch etwas störend und sofern man nicht ganz abgehärtet ist braucht man schon eine wärmende Jacke oder entsprechend Alkohol der aufzuheizen vermag.

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Als nächstes betritt die Band „NEAR EARTH ORBIT“ oder kurz „NEO“ die Bühne. Noch nie von gehört und umso überraschender fällt auch die Bewertung dieses Gigs aus. Das Bühnen Bild zeigt sich sehr düster, der Hintergrund ist mit drei Bildschirmen abgehängt, welche durchgehend dunkle Visionen aus dem Weltall und von der selbstzerstörerischen Art der Menschheit zeigen. Davor eine Frau am elektronischen Schlagwerk, ein Gitarrist und ein Bassist, welcher auch für den äußerst grimmigen Gesang zuständig ist.

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Mächtige und gewaltig düstere Anschläge sind vom alles überdeckenden Bass zu hören. Dazu holt der sehr düster wirkende Gitarrist grandiose Riffs und Gitarrenflächen aus seinem Instrument. Die Summe ist eine Mischung aus 100Blumen und Feindflug, passende Worte sind hier aber schwer zu finden, erleben muss man das. Definitiv eine unerwartet positive Überraschung!

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Den Auftritt der Synthie Pop Combo SYNTEC lasse ich dann größtenteils unbeobachtet an mir vorbei ziehen. Es ist ja auch mal Zeit um sich zu stärken und einfach das Treiben in und um die Höhle ein bisschen zu beobachten.

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Von Interesse ist dann der Auftritt von Wayne Hussey, seines Zeichen Ex-Mitglied der Sisters Of Mercy, Dead Or Alive oder von The Mission. Dieser Auftritt zieht sehr viele Zuschauer vor die Bühne um das fast magische Gitarrenspiel und den unverkennbaren Gesang zu genießen. Wayne selber zeigt sich sehr routiniert und gestaltet einen sehr eindringlichen Gig.

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Mal an der Gitarre, mal am Keyboard zieht er mit seiner Musik die Aufmerksamkeit magisch auf sich. Schade, dass die Bühne sehr flach ist. Da er zumeist sitzend auf der Bühne agiert, können nur die Zuschauer in den ersten Reihen dieses Konzert auch optisch wahrnehmen. Es gibt viele Höhepunkte in der Playlist, aber „Marianne“ aus den Zeiten der Sisters Of Mercy hatte spürbar den größten Bekanntheitsgrad.

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Den Abschluss des erstens abends machen KIRLIAN CAMERA aus Italien. Wie schon öfters in der letzten Zeit feststellbar, legen sie inzwischen einen hohen Stellenwert auf Bombast und akustische Kraftausstrahlung. Es gab Zeiten, da standen keine Gitarristen auf der Bühne. Mittelpunkt ist wie eh und je natürlich Elena Fossi, die alle Blicke und generell jegliche Aufmerksamkeit auf sich zieht. Sie präsentiert heute sogar einen neuen Song ihres Solo Projektes SPECTRA PARIS. Ein bisschen Schade finde ich das ruhigere ältere Stücke, die ursprünglich einen ganz besonderen Charme haben, inzwischen sehr kraftvoll vorgetragen werden. Dadurch hat dieser KIRLIAN CAMERA Auftritt leider wenig Ausstrahlung, Emotionalität und Dramatik.

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Stattdessen ist eine extrem krachige und auch bis teils an die Leistungsgrenze der Lautsprechern vorherrschende Lautstärke zu vernehmen. Als Überraschung kommt heute schon Eskil Simonsson von COVENANT auf die Bühne um zusammen mit Elena zwei wirklich gut funktionierende Duette hinzulegen. Zwei starke Stimmen, die gemeinsam wirklich eindrucksvoll sind. Trotz der fehlenden musikalischen Schwermut früherer Tage sind KIRLIAN CAMERA der berechtigte Headliner des Abends, der sich verdientermaßen einer großen Aufmerksamkeit erfreuen konnte.

So endet also der erste Abend des diesjährigen Kasematten Festivals. Nun ab ins warme Hotel, die müden Knochen habe es sich verdient. Da das Programm am zweiten Tag erst am Nachmittag beginnt, kann man sich die Zeit mit Sightseeing in Blankenburg vertreiben.

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Zur ersten Band HIDDEN PLACE bin ich noch nicht zugegen, beim Betreten der Höhe sind gerade die EBMler von AUTODEFEH in Action. Old School EBM nach dem Vorbild der Szenegrößen steht auf dem Programm. Ob Front242 oder Nitzer Ebb, alle bekannten Inspirationen kann man hier schnell heraushören. Mit anhaltender Dauer fehlt allerdings etwas Abwechslung, eine nette Eröffnung des Festivaltages ist dieser Auftritt aber alle male.

Jetzt ist der Zeitpunkt wo sich leichte Enttäuschung breit macht, denn es wird verkündet, das DIORAMA kurzfristig ihren Auftritt krankheitsbedingt absagen mussten. Doch man konnte ebenso spontan Ersatz finden mit der Future Pop Band FROZEN PLASMA. Manche freut es, andere sind enttäuscht. Aber man kann es ja nicht ändern.

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Als nächstes sollten eigentlich SPIRITUAL FRONT auftreten, doch da sich die Band verspätet hat, ist es nun an Dirk Evans und sein Industrial Noise Projekt DIVE die Halle weiter einzuheizen. Und das schafft er in unvergleichlicher Intensität. Die elektronischen Sounds sind extrem hart und zerreißen einen fast von Innen. Dazu arbeitet die Lichtanlage derart extrem, dass sowohl das menschliche Auge aber auf jeden Fall auch jede Kamera komplett die Orientierung verliert. Was bleibt also,…Augen zu und einfach diesen herrlichen rhythmischen Krach auf sich wirken lassen. „Bloodmoney“ als Klassiker der 90er Jahre ist definitiv der Höhepunkt dieses ungemein dichten musikalischen Grenzganges.

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Dann aber kommen SPIRITUAL FRONT, der Auftritt auf den ich mich am meisten freue. Der Soundcheck dauert ein bisschen, doch folgend bekommen die auffällig vielen Anhänger von Simone Salvatori und seiner Band eine musikalisch grandiose Entschädigung für das etwas längere Warten. Was Salvatori mit der Gitarre macht ist Wahnsinn, die Stimme extrem einnehmend inmitten seiner tollen Stücke, die immer wieder durch wundervolle Melodien und Rhythmen auffallen. Mit seinem schwarzen Outfit und der aktiven charmanten Gestik an der Gitarre fühle ich mich immer wieder ein bisschen an Johnny Cash erinnert. Leider gibt es zwischendurch ein paar technische Probleme die Simone sichtlich  ärgern. Doch er macht das Beste daraus und vollendet einen tollen Auftritt, der mir in Summe aber viel zu kurz erscheint. Am eindrucksvollsten war heute der Song „I walk the dead line“ bei dessen Refrain die Zuschauer sehr schön mitgesungen haben.

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Die folgende Band KLANGSTABIL lasse ich mal getrost aus, da meine Interesse hieran eher weniger ausgeprägt ist. In der Zeit kann man sich dann im engen Außenbereich stärken für das Finale des Abends. Ist in Summe schon recht anstrengend die ganze Zeit auf Steinboden zu stehen und Sitzmöglichkeiten sind leider doch recht rar.

Aus dem hinteren Bereich verfolge ich nun den Auftritt des „Überraschungsgastes“ FROZEN PLASMA. Ist schon nicht so einfach binnen weniger Stunden spontan einen Auftritt zu realisieren. Doch die Jungs machen das extrem gut und erreichen die Menge mit ihren vielen sehr eingängigen Stücken. Man beherrscht sehr versiert die Kunst die Zuschauer mit einzubeziehen, sodass sehr viel positive Bewegung auf die Menschen übertragen wird. Neben eigenen bekannten Szene Stücken wird auch stilecht eine kleine Cover Reise in die 80er Jahre unternommen, sodass man als Fazit FROZEN PLASMA einen rundum guten Auftritt attestieren kann.

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Auch wenn ich an dieser Stelle wohl zu Recht einige Buh-Rufe ernte, ich bin kaputt, mag nicht mehr und lasse den Auftritt von COVENANT sausen. Aber final gehe ich sehr zufrieden vom Gelände. Unglaubliche Lokation, super Bandzusammenstellung und auch von der gesamten Organisation her ein sehr positives Gesamterlebnis. Die Preise für Verpflegung waren auch absolut fair. Ich werde sehr genau beobachten, welches LineUp im kommenden Jahr präsentiert wird. (michi)