LIVEBERICHT

HELL OVER HAMMABURG :: All Hell breaks loose over Hammaburg

 

u.a. mit CORSAIR, MANTAR, OMEGA MASSIF, DEAD LORD, THE RUINS OF BEVERAST, ATLANTEAN KODEX, SATAN
Text & Fotos © Chris

Nach der sensationellen Warm up-Show am Freitag, bei der DEATH ALLEY, STALLION und DREAD SOVEREIGN ausnahmslos überzeugt haben, geht es heute zum HELL OVER HAMMABURG-Festival in die Markthalle bzw. ins MarX.

Im letzten Jahr spielten noch immer zwei Bands komplett zeitgleich, aber dieses Manko hat man in diesem Jahr etwas entschärft, wobei es immer noch unmöglich ist, sich alle Bands in voller Länge anzuschauen, wenn man sich für sie interessiert. Das gilt vor allem, wenn man sich ins kleine MarX begeben möchte und der Showbeginn unmittelbar bevorsteht. Da ist kein reinkommen mehr, von Fotos mal ganz zu schweigen. Man tut gut daran, wenigstens 15 Minuten vor Beginn in der kleinen Halle zu sein, was allerdings wiederum zu Lasten der Band auf der großen Bühne in der Markthalle geht. Die Luft im Marx ist nach der dritten Band zum Schneiden und wer seinen Alkohol ausschwitzen möchte, ist hier verdammt gut aufgehoben.

Diese Tatsache sorgt allerdings für den Eindruck, dass man das Festival mit einem American Football-Spiel vergleichen kann. Man schnüffelt überall mal rein, trifft sich in der Lobby oder im Raucherbereich und verbringt einfach eine gute Zeit. Diesem Umstand muss allerdings Tribut gezollt werden und die Berichte über die Gigs werden bestenfalls zu Momentaufnahmen, denn selten haben wir die Gelegenheit uns die Bands komplett anzuschauen, was manchmal wirklich extrem schade ist.

Eine weitere bemerkenswerte Tatsache, bevor ich zu den Auftritten komme, ist, dass die Bands, egal, wo sie im Billing stehen, ständig erreichbar sind. Das ist sehr schön anzusehen und wer Bock auf einen Schwatz mit den Künstlern hat, hat hier ganz unkompliziert die Gelegenheit. Auch STALLION, die gestern Abend mit uns den „Heavy Metal Rock’n’Roll“ gefeiert haben, tummeln sich in der Menge und sind permanent belagert. So macht ein Festival wirklich Spaß und zeigt, dass man eine große, bunte Familie ist.

Obwohl die Markthalle wirklich voll ist, ist die Versorgungslage sehr entspannt und selten warten man so lange auf sein Pils, bis man glaubt verdursten zu müssen. Da die Versorgungslage eine wichtige Rolle für den Wohlfühlfaktor spielt, möchte ich das nicht unerwähnt lassen. Nur, dass vor dem Herrenklo eine längere Warteschlange ist, als vor dem Damenklo, werde ich wohl nicht mehr verstehen, dabei ist hier ausreichend Weibsvolk anwesend (um den Männerklo-Running Gag hier nochmal anzubringen)… seltsame Begebenheiten.

Da wir BÖLZER verpassen, weil wir nicht mehr in MarX kommen, eröffnen CORSAIR das Festival für uns. Die Band aus Virginia ist erstmalig den weiten Weg nach Hamburg gekommen, um ihren Europa-Tour-Einstand zu feiern und ganz ehrlich: eine bessere Umgebung für den ersten Euro-Trip hätten sich das Mädel und ihre Jungs wohl kaum aussuchen können. Ich weiß zwar nicht, wie die bisherigen Gigs in Europa waren, aber Hamburg mag CORSAIR. Die Band spielt einen ziemlich relaxten Mix aus Classic Rock und Metal, hat dabei aber auch genügend Wechsel und Schlenker in den Songs, dass man sie auch ruhig progressiv nennen könnte. Zum ersten Mal an diesem Abend fällt mir der Bandname THIN LIZZY ein und der Gig ist entspannt bis anregend.

Da mich MANTAR sehr interessieren und ich sie nicht verpassen möchte, machen wir uns vorzeitig auf den Weg ins MarX und der Plan geht auf. Eine Band, die in der Presse als everybodys darling gehandelt wird, ist mir grundsätzlich immer etwas suspekt, aber als die ersten Klänge ertönen, ist alles klar! Ein Schlagzeug, eine Gitarre und Gesang. Das klingt auf dem Papier etwas nach Singer-Songwriter, ist aber live auf der Bühne (und von der Konserve) so fett, dass mir vor Wonne die Nackenhaare hochstehen. Die monstermäßige Lichtshow, ein Mix aus Stroboskopen und Dunkelheit, sorgt für die richtige Atmosphäre für den brutalen Sound, den die beiden Musiker auf der Bühne veranstalten. Die Musik, die auf mich wie eine Mischung zwischen CELTIC FROST, SARKE und dröhnigem Metal wie WALK THROUGH FIRE wirkt, versetzt uns umgehend in Ekstase. Kurze Eruptionen werden gebremst durch kraftvolle slow motion und die rotzige, dreckige Attitüde der Musik lässt kein Entkommen zu. Wenn euch in der nächsten Zeit alle erzählen, dass MANTAR der heiße Scheiß ist, stimmt das uneingeschränkt. Ich stimme jedenfalls aufgrund der packenden Performance und nach dem Genuss der Scheibe vorbehaltlos in jede Jubelarie ein, die diese Band betrifft. Dass es sich ganz nebenbei auch um den Soundtrack für den Derbysieg handelt, kann durchaus auch für einige Endorphine sorgen, aber das wollen wir mal nicht überbewerten.

Was schreibt man über OMEGA MASSIF? Am besten nix, weil man den Gig einfach gesehen haben muss! Diese Soundlandschaften adäquat in Worte zu fassen ist mir nicht vergönnt. Die Bühne wird verdunkelt, mehr oder minder dienen blaue Leuchten auf dem Fußboden als indirekte Beleuchtung. So macht man sich unter den Fotografen zwar nur bedingt Freunde, aber die Wucht und Macht der Kompositionen macht jedes Manko wieder wett. OMEGA MASSIF sind eine der wenigen Bands, die keinen Sänger benötigen, um Geschichten zu erzählen und ihre Musik, die ein Mix aus Post-Hardcore, Doom und Sludge ist, ist atmosphärisch so dicht, dass man in dem richtigen Zustand (einige Bierchen und drei Jacky-Cola sind da schon ganz hilfreich) Bilder vor sich sieht und wenn man die Augen wieder öffnet steht man plötzlich mit 800 anderen Verrückten in der Markthalle. Geile Sache! Gestern bei DREAD SOVEREIGN hatte ich Katharsis durch Musik, heute bei OMEGA MASSIF gibt es Eskapismus durch Musik.

DEAD LORD spielen dann leider auf der kleinen Bühne, was an eine Frevelei grenzt. Ebenfalls im Vorfeld mit großartigen Reviews bedacht klettert die schwedische Band auf die Bühne des MarX und dann geht die Luzie ab! Ihr klassischer Heavy Metal mit ultraprägnantem THIN LIZZY-Einschlag trifft binnen Sekunden ins Schwarze! Da ist der Groove, die Melodie, die Spielfreude, die Power, die eine Band haben muss, um sich unmittelbar in die Herzen der Fans zu spielen. Bei uns hat es geklappt, denn spätestens als beim zweiten (oder war es der dritte?) Song ein erstklassiges Doppelsolo angestimmt wird, bin ich hin und weg. Nicht nur die Gitarren, sondern auch der Gesang erinnert nicht gerade geringfügig an THIN LIZZY und wir sehen eine Band, die den Spirit lebt und die Fans vor der Bühne vom ersten Ton an mitreißt.
Ich darf ruhigen Gewissens gestehen, dass ich mich in die vier Schweden verliebt habe. Aber ohne die Problematik der Bandüberschneidungen zu Tode reiten zu wollen… leider müssen wir die Show überpünktlich verlassen, damit wir THE RUINS OF BEVERAST nicht verpassen. Aber diese zwanzig Minuten haben uns so angefixt, dass wir es bei der nächsten Gelegenheit unbedingt mit DEAD LORD krachen lassen müssen. MÜSSEN! M.Ü.S.S.E.N.!

THE RUINS OF BEVERAST haben auf der Hauptbühne vor Beginn der Show mit einigen technischen Problemen zu kämpfen, was dafür sorgt, dass man im Vergleich zu den anderen Bands, die überpünktlich beginnen, mit etwas Verspätung durchstartet. Aber jede Minute Wartezeit lohnt sich, wenn Alexander von Meilenwald und seine Liveverstärkung die Pforten zur Hölle öffnen und die Halle in eine kalte Kathedrale der Dunkelheit verwandeln. Der Sound ist tief und fett und raubt dir beinahe den Atem, aber die Songs sind Manifestationen der Dunkelheit in der Meilenwald sich bewegt und Geschichten vorträgt, die packend dargeboten werden. Vor allem sein variabler Gesang, der zwischen grabestief und klar wechselt, kann mich heute wirklich begeistern. Aber auch die Liveband, schließlich ist THE RUINS OF BEVERAST ein Ein-Mann-Projekt, passt sich hervorragend in den Rahmen ein und sie können sicher alle begeistern, die auf diesen Augenblick gewartet haben. Ich jedenfalls bin es. Ähnlich wie bei OMEGA MASSIF ist es nicht sinnvoll, die Hits aufzuzählen, denn die Atmosphäre, die der Gig verströmt, funktioniert nur als Ganzes.

Als nächstes starten ATLANTEAN KODEX ihre Kreuzfahrt auf der Hauptbühne und die folgende Stunde kann man ruhigen Gewissens „Triumphzug“ nennen. Bisher waren die Publikumsreaktionen immer als gut bis sehr gut zu bezeichnen, aber was jetzt passiert, als die Bayern die Bühne betreten, ist magisch. Die Fans sind alle versammelt und singen aus Leibeskräften mit, was auch Markus Becker sicher eine Gänsehaut nach der anderen über den Körper jagen dürfte. Geschickt werden einige Refrains als Mitsingparts eingestreut und bei „Sol Invictus“ ist die Halle so laut, dass sich höchstwahrscheinlich jemand auf dem Hauptbahnhof in Richtung Markthalle umdreht. Die Band ist auf LP und CD ja schon ein absolutes Highlight, aber live zieht man alle Register. Die Songs „Enthroned in Clouds and Fire“, „From Shores forsaken“, „Sol Invictus“, „Heresiarch“, „Twelve Stars and an Azure Dream“, „Atlantean Kodex“ und das abschließende „Pilgrim“ („es folgt ein Song über einen Pilgrim und es heißt daher Pilgrim“) klingen so epic as fuck, als würden wir MANOWAR und CANDLEMASS gerade bei ihrer Hochzeitsnacht beobachten.
Fans wissen ja ungefähr, was einen bei ATLANTEAN KODEX erwartet, aber auch die beiden Personen im Publikum, die bisher nicht mit dem Sound vertraut waren, sind nach den ersten zwei Songs voll auf der Seite unserer Epic Metaller. Irgendwie spüre ich eine Seelenverwandtschaft zu WHILE HEAVEN WEPT, denn beide Bands verstehen es, epischen Heavy Metal, Doom und einen extrem hohen Sympathiefaktor miteinander zu verbinden, wie man es nicht allzu oft erleben darf.

Der Sound ist klar und man hört alle Nuancen fein heraus, was sich besonders bei den Soli gut macht und für eine prächtige Stimmung sorgt, denn Michael Koch und Manuel Trummer haben es einfach drauf.

Es ist eine absolute Freude, die Band heute unter diesem Umständen live erleben zu dürfen und die Lobeshymnen, die nach dem furiosen Auftritt gesungen werden, werden noch lange nicht verklingen.

Generell hätte ich jetzt darauf getippt, dass der Saal sich schlagartig leert, denn das wäre nicht das erste Mal, dass der heimliche Headliner die Halle leer fegt. Aber weit gefehlt! Aber mit SATAN legt man sich ja auch nicht an… und SATAN rockt! Die NWoBHM-Legende ist allerdings kein schlapper Altherren-Verein, sondern ein verdammt agiler Haufen, der es sich 60 Minuten lang nicht nehmen lässt, die Halle mit feinsten NWoBHM mit derben Thrash-Anleihen zu beschallen. Vor allem Sänger Brian Ross ist ein Blickfang und er singt heute, als wäre er kürzlich 25 Jahre alt geworden! Seine Schreie gehen durch Mark und Bein und auch SATAN werden lautstark von den Fans unterstützt. Wenn man jetzt noch die spielerische Klasse der Veteranen Russ Tippins und Steve Ramsey an den Gitarren, Graeme English am Bass und Sean Taylor an der Schießbude addiert, hat man alles, aber keinen lauen Retro-Rausschmeißer-Act.

Für die Bandauswahl (es wurden keine Bandbewerbungen angenommen, sondern es spielten ausschließlich Wunschbands), und die Location (im Allgemeinen) darf man dem Veranstalter Wolf-Rüdiger Mühlmann mit erhobenen Mano cornuta und Bier gratulieren. Einziger Wermutstropfen meinerseits ist, dass ich SATURNALIA TEMPLE, FAUSTCOVEN und HETROERTZEN nicht sehen konnte und die Überschneidungen mir nicht genug Zeit ließen, bei DEAD LORD so richtig fett abzuschädeln… aber das sind persönliche Schicksalsschläge, die man einfach wegstecken muss, auch wenn schwerfällt. Ansonsten würde ich mich freuen, wenn nächstes Jahr ein gleichwertiges Line up in die Markthalle gelockt werden könnte, um die dritte Inkarnation des HELL OVER HAMMABURG zu feiern.

Ganz herzliche Grüße gehen an Sven, Karo und Arne! Es war schön euch wiederzusehen. Der Dank geht an Wolf-Rüdiger Mühlmann, der was ganz feines auf die Beine gestellt hat und hoffentlich auch zukünftig stellen wird. (chris)