Live im Rock Café St. Pauli in Hamburg am 28.02.2014
Text & Fotos (c) Chris
Das Wochenende steht unter einem guten Stern… am Samstag geht es zum HELL OVER HAMMABURG-Festival, aber heute steht erstmal der Warm up-Gig statt. Ván Records rufen und was in das Rock Café reinpasst, kommt auch. Der saugemütliche Laden auf der Reeperbahn punktet mit Lage und der sensationellen Crew, die es auch während der Show nicht versäumt, die Gläser von den Tischen zu picken und die Metalheads kontinuierlich mit neuen Chips zu versorgen; das macht den Aufenthalt im Rock Cafè St. Pauli fast so gemütlich, wie zu Hause auf der Couch. Nur mit der Ausnahme, dass es zu Hause nicht so voll ist…
Der volle Club wird dann aber Ohren- und Augenzeuge, dass im Metal noch einiges in feinster Ordnung ist: drei grundverschiedene Bands reißen sich im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch auf, um hier einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Und schonmal vorab: bei jeder einzelnen Band gelingt das auch auf beeindruckende Weise!
DEATH ALLEY ist ein neues Signing von Ván Records und haben gerade ihre „Over under“ 7′′-Single veröffentlicht. Was auf Vinyl schon geil ist, entfaltet seine wirkliche Macht erst, wenn du die Band auf der Bühne erlebst: P.O.W.E.R.! Rohe Energie wird freigesetzt, wenn diese Band die ersten Töne erklingen lässt. Die arschtretende Mischung aus MC5, MOTÖRHEAD und BLACK SABBATH kommt live so unglaublich geil, dass man staunend vor der Bühne verweilt, wenn man es bis dahin geschafft hat. Der Sänger hat soviel Energie, dass es unmöglich ist, von seiner energischen Performance nicht angesteckt zu werden; permanent ist er in Action, bangt und animiert… dieser Mensch ist zur Frontsau geboren. Aber seine Band, die u.a. auch aus dem ehemaligen THE DEVILS BLOOD-Gitarristen besteht, steht ihm in keiner Weise nach: sie selbst bezeichnen es als „Protopunk“, ich nenne es „Wahnsinn“. Leider kenne ich nur die beiden Tracks der erschienen Single „Over under“ und „Dead Man′s Bones“, aber der Rest steht dem Material in nichts nach und haut zum Ende des Gigs auch einen fetten psychedelischen Song raus.
Sowohl auf CD/Vinyl, als auch auf der Bühne kommt da etwas auf uns zu, dem wir uns nicht entziehen sollten! Wenn die Jungs in eurer Ecke spielen: geht hin und holt euch den Adrenalinschub!
Als nächsten wird der Hengst aus dem Stall geholt: STALLION sind zwar streng genommen nach einem Demo und der „Mounting the World“-EP noch Fohlen, aber wer dieses Fohlen heute über die Koppel springen sieht, weiß, dass da ein verdammt erfolgreicher Deckhengst heranwächst. Und mal ehrlich: ich hatte selten soviel Vergnügen, eine „neue“ Heavy Metal-Band zu hören, die sich dem alten Spirit mit Leib und Seele hingibt, wie heute. Die Songs sind allesamt Killer! Von der EP spielt man „Killing Time“, „The Right One“, „Shadow Run“, „Give it to me“ und die ROCK GODDESS-Coverversion „Heavy Metal Rock′n′Roll“, die den Saal von vorne bis hinten zum Toben bringt! (Ich bekomme sogar beim Schreiben noch eine Gänsehaut.)
Den glorreichen Abschluss gibt uns dann „Canadian Steele“ und fertig ist der Triumphzug. Ohne Witz: viel näher an die glorreichen 80er-Heavy Metal-Jahre als mit STALLION kommst du nicht mehr!
Das betrifft sowohl die Musik, als auch die Bühnenaction inklusive der Ansagen auf englisch, als auch das Outfit der Bande… original mit Spandex-Hosen, Stirnbändern, Kutten, Leder und Nieten… das ist Old School vom Feinsten aus Überzeugung! Die sympathische Bande lässt es sich nicht nehmen, auch nach den Gigs für alle Fans ein bisschen Zeit zu haben und man plauscht munter durch die Nacht. Den Gig wird man erstmal toppen müssen…
Die menschliche Seele ist ja ein schizophrenes Teil… es gibt soviele verschiedene Facetten und die lassen sich auch ganz hervorragend in Musikgenres ausdrücken. Nachdem der rotzige Rock′n′Roller und der Good-Time-Heavy Metal-Guy schon befriedigt wurden, kommt nun die dunkle Seite der Macht! Alan Averill, seines Zeichens Frontmann von PRIMORDIAL und TWILLIGHT OF THE GODS kommt mit DREAD SOVEREIGN nach Hamburg und entfacht ein höllisches Feuer auf der Bühne. Der Sound ist so unglaublich fett, der Bass dröhnt dir die letzten glücklichen Gedanken aus dem Schädel und die Riffs sorgen für den Gnadenstoß. Das ist Doom Metal pur. So muss er sein.
Alan Averill hat eine Ausstrahlung, der man sich nicht entziehen kann und er bringt die Texte der Songs absolut eindringlich rüber. Seine Blicke und Ansagen wirken immer authentisch und in manchen magischen Momenten wirkt er wie das Böse in personifizierter Form. Großartig!
Auf der EP „Pray to the Devil Man“ fielen mir die epischen Doom-Bands auf, die den Sound bereichern, aber heute Abend hört man auch häufig die mächtigen ST. VITUS durchscheinen, was sicher auch an der genialen Gitarrenarbeit und dem Gitarrensound liegt. Aber stellt euch ST. VITUS vor, wenn sie mal richtig böse drauf sind und mit VENOM eine kleine Kifferei veranstalten. Wenn dann noch REVEREND BIZARRE noch auf einen Whisky vorbeischauen, ist das Paket komplett.
Von VENOM covert man übrigens auch noch „Live like an Angel, die like a Devil“, was der Tempovariation sehr zugute kommt, dazu kommen die Songs der EP „Pray to the Devil in Man“, „Thirteen Clergys to the Flames“ und „We weild the Spear of Longinus“ und einiges von dem hoffentlich so schnell wie möglich erscheinendem Album.
Dieser Gig ist so intensiv, dass ich das Gefühl habe, dass die Seele sich in dem Sound windet und von dem Schmutz entledigt, der sie unnötig belastet. Musik als Katharsis hat mit DREAD SOVEREIGN hervorragend funktioniert.
Ich kann nur sagen, dass ich extrem glücklich bin, dieses Konzert miterlebt zu haben, denn sowohl die Bands, als auch der Sound und das Licht waren eine wahre Bereicherung.
Danke an Sven, Karo, das Rock Café und alle beteiligten Bands… es war einfach nur grandios. (chris)