LIVEBERICHT

ROCK HARD FESTIVAL 2018 :: Spitzenline-up bei gutem Wetter

Über Pfingsten verwandelt sich Gelsenkirchener Amphitheater seit 2003 alljährlich in den Metal Hotspot Deutschlands, wenn das Rock Hard Magazin ihr Festival veranstaltet. Auch dieses Jahr hatten die Veranstalter ein abwechslungsreiches und bisweilen hochklassiges Line-Up zusammengeschustert. Auch das Wetter spielte wie im vergangenen Jahr wieder grandios mit, sodass einer dreitätigen Metalparty nichts im Wege stand.

 

Freitag

Aufgrund von beruflichen Verpflichtungen und massig Stau bei der Anreise (genau wie im letzten Jahr) schafften wir es um 16:30 Uhr vor die Bühne. Zeit genug für eineinhalb Lieder von ATTIC. Die Band hatte ein Heimspiel, da sie doch aus Gelsenkirchen stammen. Ihr Heavy Metal der zweifelsohne starke Assoziationen zu Mercyful Fate und King Diamond hervorbringt konnte auf ihren beiden Langspielern musikalisch und auch gesanglich vollends überzeugen. Und auch live machte das Quintett mit einem ansehnlichen Bühnenbild ihren Job hervorragend. Allen voran Sänger Meister Cagliostro überzeugte mit seinem gesanglichen Spektrum. Mit „The Headless Horseman“ beendeten ATTIC ihr Set, ernteten großen Applaus und verließen die Bühne, wo ich doch gerade erst heiß gelaufen war. Ich hätte sehr gerne mehr gesehen!

Als nächstes standen die Niederländer DOOL mit ihrem Dark Rock auf dem Programm. Das erste Album „Here Now, There Then“ fand bei allen Kritikern großen Zuspruch und seitdem sind DOOL auf allen kleinen und großen Bühnen in Europa unterwegs. Ich durfte die Band bereits zweimal in sehr kleinen Clubs erleben und weiß um ihre Liveenergie, weshalb ich sehr gespannt war, ob die Band es auch schafft auf der großen Bühne vor großem Publikum zu überzeugen. Und das taten sie. Das musikalische Zusammenspiel der drei Gitarristen Nick Polak, Reinier Vermeulen und Sängerin Ryanne von Dorst war eine absolute Augenweide. Die Songs von ihrem Album kommen live noch wuchtiger daher, wobei vor allem die langen instrumentalen Parts wie z.B. bei „Oweynagat“ eine Gänsehaut hervorbringt. Ein großartiger Auftritt mit einer sehr gut aufgelegten Ryanne am Mikro.

Mit DIAMOND HEAD konnten die Verantwortlichen vom Rock Hard eine echte 80er-Legende nach Gelsenkirchen locken. Ihre beiden Alben „Lightning To The Nations“ und „Borrowed Time“ Anfang der 80er Jahre sind echte Szene-Meilensteine. Leider schaffte es die Band danach nie wieder ihre Qualität auf Platte zu bringen, wodurch das Line-Up nach und nach zerbrach. Heute ist mit Leadgitarrist Brian Tatler nur noch einer der Originalbesetzung am Start, was dem heutigen Auftritt aber keinen Beinbruch bedeutete. Mit Sänger Rasmus Andersen hat die Band seit 2014 das fehlende Puzzlestück gefunden. Live überzeugten DIAMOND HEAD von der ersten Sekunde an. Hits wie „It´s Electric“, „The Prince“, „Play It Out Loud“ oder „Helpless“ brachten den klassischen New Wave of British Heavy Metal mit voller Inbrunst nach Gelsenkirchen. Das abschließende absolut alles überragende „Am I Evil?“ zerlegte das Amphitheater in Schutt und Asche, als tausende Kehlen „Am I evil? Yes, I am!“ in den Himmel schrien. Der grandiose Bühnensound setzte dem kurzweiligen Gig die Krone auf.

TIAMAT waren als nächstes auf dem Programm. Die Schweden um Sänger Johan Edlund haben seit 2011 nur knapp über 50 Konzerte gespielt. Der heutige Auftritt ist also per se schon eine Seltenheit. Dass TIAMAT aber nur Songs von ihren Klassiker Alben „Clouds“ und „Wildhoney“ aus den Jahren 1992 bzw. 1994 spielten, macht diesen Auftritt umso wertvoller für eingefleischte Fans. Gelten diese Alben doch als Genreklassiker und Meilensteine der Band. Mit diesen Alben entwickelte die Band ihren Gothic Metal mit herrlichen Melodien, gut arrangierten Keyboardarrangements und einem abwechslungsreichen Gesang mit einer Mischung aus Growl, Shouts, Flüstern und Gesang. TIAMAT zockten zuerst die gesamte „Clouds“ von vorne bis hinten durch, um danach noch Zeit für fünf Songs von „Wildhoney“ zu haben. Mit dabei unter anderem das großartige „The Ar“, welches mich persönlich am meisten überzeugen konnte. Nach 75 Minuten verließen TIAMAT die Bühne und hinterließen viele zufriedene Die-Hard-Fans von früher. Sänger Johan hob sich mit seinen Gestiken und Mimiken positiv von seinen Mitstreitern ab, insgesamt war die Performance aber recht mager. Schade.

Das diesjährige Heimspiel von SODOM ist ein ganz besonderes. Anfang des Jahres beendete Tom Angelripper die Zusammenarbeit mit allen seiner langjährigen Bandkollegen und versammelte um sich herum eine neue Mannschaft. Der Auftritt beim Rock Hard Festival war die Deutschlandpremiere des neuen Line-Ups. Mit Frank Blackfire wurde ein alter Bekannter mit ins Boot geholt, denn Frank war bereits in den 80ern Gitarrist bei Sodom und mit hauptverantwortlich für einige Klassiker der Band. Husky (Desaster und Asphyx) ist eine bekannte Szenegröße und großartiger Drummer, wohingegen Rhythmusgitarrist Yorck Segatz (Beyondition) ein unbeschriebenes Blatt in der Metalszene ist. Allerdings ist er ein eingefleischter Sodom-Fan und kennt die Lieder aus dem FF. Als SODOM die Bühne in dem sehr gut besetzten Amphitheater betraten, ging im Amphitheater die Post ab. Es wurde gebangt und gemosht was das Zeug hält. Mit „My Atonement“, „The Conqueror“ und „Sodomy And Lust“ wurden zu Beginn direkt alle Tracks von der 1987 erschienenden EP „Expurse of Sodomy“ zum Besten gegeben. Sprechen wir von den Anfangstagen, so lieferten SODOM insgesamt eine Setlist für die alte Garde ab. 13 der 18 Lieder stammten von 1990 oder früher. Mit dabei natürlich „Agent Orange“, „Ausgebombt“, „Nuclear Winter“ und „The Saw Is The Law“. Mit „City Of God“ (von 2006) und „Strange Lost World“ (2016) gab es nur zwei Tracks die jünger als aus dem Jahre 1995 waren. Mit dabei war aber auch das aktuell für die Rock Hard eingespielte Cover „Lifeline“ der Crust-Punk-Band Sacrilege. Insgesamt zeigten SODOM eine gute Performance. Frank Blackfire war extrem spielfreudig und poste, rannte und bangte über die die gesamte Bühne. Yorck fügte sich gut ins Bühnenbild ein und Husky trommelte in gewohnter Präzision hinter seinem Drumkit. Das abschließende „Bombenhagel“ hinterließ das Amphitheater in Schutt und Asche. Ein würdevoller Abschluss des ersten Tages.

Vom Samstag können wir leider nichts berichten, da wir durch private Termine leider kurzfristig verhindert waren. Glücklicherweise war der Samstag aus unserer Sicht der schwächste Tag des Festivals, dennoch schmerzten die verpassten Auftritte von CIRITH UNGOL, MARDUK und OVERKILL.

Sonntag

Am Sonntag wartete herrlichstes Sommerwetter in Gelsenkirchen und dazu ein sehr abwechslungsreiches Line-Up mit, so viel vorweg, überwiegend großartigen Auftritten.

Thundermother verpassten wir leider und kamen etwa zehn Minuten zu spät zu MEMORIAMs Beginn. Die „Nachfolgeband“ von Bolt Thrower konnte mich mit ihrem ersten Album noch völlig überzeugen, umso mehr enttäuschte mich leider das aktuelle Album „The Silent Virgil“. Ich war gespannt ob Memoriam mich, wie bei ihrem Party.San Auftritt 2016, der zweite Auftritt der jungen Bandgeschichte überhaupt, nochmals überrollen konnten. Leider schaffte die Band, um den sympathischen Sänger Karl Willets, dies nicht. Old School Death Metal in its purest form reicht alleine nicht mehr aus. Der Auftritt wirkte bis auf den gut aufgelegten Karl Willets uninspiriert. Überzeugen konnten mich nur die Tracks vom ersten Album wie beispielsweise „Resistance“ oder „Flatline“. Die insgesamt doch magere Performance sowie die fehlende Durchschlagskraft und der ausbleibende Wiedererkennungswert der neuen Tracks vermiesten mir den Einstieg des Tages.

Zum Glück sollten danach die Live-Granaten NIGHT DEMON folgen. Es war eine richtige Wohltat Gitarrist Armand John Anthony und Bassist Jarvis Leatherby mit unaufhörlicher Spielfreude über die Bühne flitzen zu sehen. NIGHT DEMON wurde als erste Band der Geschichte des Rock Hard Festivals die Ehre zu teil zwei Jahre in Folge spielen zu dürfen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass NIGHT DEMON im letzten Jahr am Sonntag als erste Band spielen durften, es aber gehörige Probleme beim Einlass gab, sodass viele Zuschauer Teile oder sogar das ganze Set verpassten. NIGHT DEMON nutzten ihre zweite Chance bei einem besseren Slot im Line-Up mehr als ausgezeichnet. „Curse of the Damned“, „Screams In The Night“, das stampfende „Hallowed Ground“ oder „Welcome To The Night“ brachte das Amphitheater zur frühen Stunde bei fast 30 Grad zum Kochen. „Night Demon, Night Demon“ Sprechchöre waren zwischen den Songs immer wieder zu hören. Die Band dankte es mit einer super durchwachsenen Songauswahl. Sogar die „Ballade“ „Darkness Remains“ wusste vollends zu überzeugen, ehe die Band mit „Night Demon“ die Bühne verließ. NIGHT DEMON sind für jedes Festival und jeden kleinen Club auf der Welt die perfekte Band um die Leute einzuheizen. GEIL!

Danach folgten auf der Bühne ganz andere Töne. Der Gitarrenvirtuose und ehemalige Scorpions-Gitarrist ULI JOHN ROTH stand mit seiner Band und seinem „Scorpions Revisted“-Set auf der Bühne. Natürlich durften die Klassiker „In Trance“ und „Pictured Life“ nicht fehlen. Zum Schluss boten Uli John Roth und seine Band noch das Bob Dylan Cover „All Along The Watchtower“ sowie „Little Wing“ von Jimi Hendrix. Uli´s sehr sympathische Art sowie der Anblick seiner abgefahrenen Sky Gitarre waren da aber schon die Höhepunkte für mich. Insgesamt war der Auftritt musikalisch, Uli´s Gitarrenkünste sind hier mal ausgeklammert, sowie von der Performance her absolut nicht mein Fall. In späteren Gesprächen mit weiteren Festivalbesuchern waren diese allerdings alle sehr begeistert von Uli´s Auftritt.

CORONER aus der Schweiz konnten mit ihren zuletzt sehr seltenen Auftritten vom Start weg überzeugen. Mit dem Opener „Internal Conflicts“ zeigten CORONER direkt wo es lang ging. Der technische und groovige Thrash Metal, um den super Gitarristen Tommy Vetterli, brachte die Meute vor der Bühne und auch auf den Rängen zum synchronen Headbangen. Der Hauptanteil der Setlist bestand aus Songs von den Alben „Grin“ und „Mental Vortex“. Vor allem das grandiose instrumentale Ende von „Grin (Nails Hurt)“ konnte mich vollends überzeugen. Seit dem Auftritt laufen CORONER in regelmäßigen Abständen über meine Anlage.

Mit den BACKYARD BABIES stand nun eine Band auf dem Programm, welche sich die Rock Hard Redaktion seit längerem für ihr Festival wünscht. Persönlich fand ich bis dato keinen Zugang zu den Skandinaviern, erhoffte mir aber durch den jetzigen Auftritt einiges von einer der Speerspitzenband in ihrem Genre. So sehr ich mir die Musik und Performance auch schön reden wollte, umso mehr musste ich zu dem Entschluss kommen, dass mich die BACKYARD BABIES zu keiner Zeit vom Hocker reißen konnten. Der Auftritt wirkte auf mich kraftlos und uninspiriert. Einzig die tighte Performance vom Bassisten John Blomqvist wusste zu überzeugen. Dregen´s abgefahrene Gitarre war zwar ein Augenschmaus, die Singleauskopplungen aus den frühesten Bandjahren wie „Bombed (Out Of My Mind)“, „Highlights“, „Brand New Hate“ oder das abschließende „Minus Celsius“, hinterließen bei mir aber keinen bleibenden Eindruck. Für mich persönlich gehörten die BACKYARD BABIES neben dem Auftritt von Memoriam zu der Enttäuschung des Tages. Schade.

Mit dem einzigen diesjährigen deutschen Festivalauftritt von ARMORED SAINT wurde meine vorherige Enttäuschung von der ersten Sekunde an weggeblasen. Was John Bush und seine vier Bandkollegen von Beginn an vom Stapel ließen, schlug mir die Kinnlade runter. „March Of The Saints“ und „Reign Of Fire“ waren nicht nur musikalisch ein Ohrenschmaus, sondern auch die gesamte Bühnenperformance der Band sowie ein gesanglich hervorragend aufgelegter John Bush rundeten das Gesamtpaket überzeugend ab. Die energiegeladene Show zog einen sofort in den Bann. Für die Zuschauer waren Songs wie „Last Train Home“ und „Win Hands Down“ ein gefundenes Fressen. Es wurden nicht nur die Hits präsentiert. Mit „Spineless“ und „On The Way“ schafften es auch zwei Tracks in die Setlist die über 15 bzw. 25 Jahren nicht mehr auf der Setlist eines Livekonzertes von ARMORED SAINT standen. Die sehr sympathischen Ansagen von John Bush zwischen den Songs rundeten ein hervorragendes Gesamtbild ab. Für mich waren ARMORED SAINT die positivste Überraschung des Tages, wenn nicht sogar des gesamten Festivals.

SAXON durften das diesjährige Rock Hard Festival beenden. Wer SAXON kennt, weiß was er von SAXON bekommt. Am Anfang wurden mit „Thunderbolt“ und „Nosferatu“ Tracks vom aktuellen Album abgefrühstückt, um danach bis auf wenige Ausnahmen wie „Sacrifice“ und das geile „Battering Ram“ genug Zeit für die alten Klassiker zu haben. Der überaus geniale Bühnensound, es wurde nochmals ordentlich an den Reglern gedreht, und die erfrischende Performance von Biff Byford und Bassist Tim Carter verwandelten das Amphitheater in ein Tollhaus. Es wurde gebangt, mitgesungen und Crowdsurfing ohne Ende betrieben. „Princess Of The Night“, „Crusader“, „Motorcycle Man“, „The Power And The Glory“, „And The Bands Played On“ oder „Wheels Of Steel“ und das abschließende „Denim And Leather“ konnten auch die letzten Zweifler im Rund des Amphitheater überzeugen. Ein großartiger Abschluss des Festivals einer großartigen Band!

Insgesamt konnte das Rock Hard Festival auch in diesem Jahr wieder vollends überzeugen. Die Veranstalter hatten wieder großes Glück mit dem Wetter und haben bei der Bandauswahl wieder ein gutes Händchen bewiesen. Die positive und entspannte Grundstimmung in und um das Amphitheater sowie die einzigartige Atmosphäre mit dem Rhein-Herne-Kanal im Hintergrund der Bühne sorgten bei allen Beteiligten für gute Stimmung. Einziger Wermutstropfen aus unserer Sicht war der verpasste Samstag. Wir wünschen uns ein ähnlich abwechslungsreiches und gelungenes Line-Up im kommenden Jahr. (philipp)