LIVEBERICHT

MANTAR + MORIBUND SCUM :: Bassisten bald arbeitslos?

05-Mantar - Hanno
Live im B58 in Braunschweig am 22.04.2016
(Text & Fotos © Chris)

Kürzlich bezeichnete ich MANTAR als fleischgewordene Abrissbirne und wer die Band schon einmal gesehen hat weiß, dass ich Recht habe. Kommt ja nicht oft vor, aber in diesem Fall gibt es wohl keine zwei Meinungen. 2 Menschen, die auf der Bühne und auf Platte ein solches Inferno entfesseln darf man auch ruhigen Gewissens als Naturgewalt bezeichnen…

Daher herrscht schon seit Tagen eine große Vorfreude auf diesen kleinen Clubgig auch wenn ihr Auftritt beim 2014er Hell over Hammaburg in der kleinen Halle einem Clubgig gleichsetzen war, aber es ist für uns eine Freude, die Band auf ihrer kleinen Release-Tour zum neuen Album „Ode to the flame“ zu erleben. Ob der Wechsel zu Nuclear Blast eine gute Idee war, wird sich zeigen und ich habe meine eigene Meinung zu dem Verein, aber die Aufmerksamkeit hat sich die Band über Nacht und vollkommen im Alleingang erarbeitet und wenn sie nun die Früchte erntet, ist es nur mehr als fair. Fair sind auch die Preise am Merch… T-Shirt 15 Euro, limiterte goldfarbene Vinyls 18 Euro und der Zipper für 35 Mücken. Abzocke geht eindeutig anders.

Das B58 darf mit popligen 20 Restkarten an der Abendkasse die Tore öffnen und ruck-zuck sind die auch an den Mann gebracht. Ausverkauft. So soll es sein. MANTAR… die Band der Stunde? Jawoll.

Im Gegensatz zur letzten Wochen tummeln sich weniger Kuttenträger im B58 und der Rest wird aufgefüllt mit Menschen, die auf harte Mucke jenseits der Genregrenzen stehen. VISIONS-Leser, Club Mate-Trinker, Metaller… alle haben Bock, sich der Katharsis eines MANTAR-Gigs hinzugeben. Als Konsequenz daraus ist es heiß und voll und die Gedanken an an Bierchen und Pinkeln lasse ich mal gleich aus meinem Kopf verschwinden und denke an meinen Kühlschrank… meine Leberwurst hat’s gut. Das Pinkeln an sich erübrigt sich ebenfalls, denn das bisschen, was ich getrunken habe, kann ich hier und heute auch in Ruhe ausschwitzen.

Bevor es zur akustischen Eskalation kommt, betritt die Braunschweiger Band MORIBUND SCUM auf die Bühne und wird durch technische Probleme ausgebremst. Dank des großartigen Tonmeisters des B58 und etwas Geduld, ist bald alles so, wie die Band es braucht und los geht der Ritt. Noch in diesem Jahr soll das erste Album erscheinen, nachdem man 2013 bereits ein Demo unter das Volk gejubelt hat. Irgendwie klingt die Ansage diesbezüglich eher resigniert, also heißt es vielleicht noch etwas auf den Longplayer warten. Der Auftritt der Bande macht allerdings Lust auf mehr, denn ihr Thrash, der mit feinem D-Beat angereichert wird, geht gut ins Ohr und die Songs sind recht abwechslungsreich geraten, vor allem die groovigen Parts treten Arsch. Sänger Rosi wirkt auf Dauer zwar stimmlich limitiert, aber es passt einfach wie die Faust auf’s Auge eines Nazis, wenn er seine Texte herausbrüllt. Die Energie ist mitreißend und sehr viele Zuschauer (obwohl „Zuschauer“ mir zu passiv ist; ich werde diese Vokabel wohl mal aus meinem Repertoire streichen), machen gut mit.

01-Moribund Scum

Zwei neue Songs vom kommenden Album „Into the void“ und das Demo „Redneck Execution“ kann man sich auf der Bandcamp-Seite zu Gemüte führen.

Nach einer kurzen Pause kommt der unspektakulärste Soundcheck ever: Erinc streichelt ein paar mal sein Drumkit (zum letzten Mal an diesem Abend) und Hanno spielt ein paar Töne, fertig. Zwei Mann, ein gemeinsames Ego, wenig Arbeit. Wenigstens für den Tonmeister. Wieder dürfen die Fans warten, während MANTAR sich backstage mit einer Blutorgie in Stimmung bringen und um ca. 22.20h hebt der Flieger ab ins MANTAR-Land. Im MANTAR-Land regiert nur eins: Brutalität. Glücklicher Weise nur auf und nicht vor der Bühne, wobei ich nicht genau erkennen konnte, ob sich zwei Typen während der Show good-friendly-violent-fun-mäßig gebalgt oder unfriendly auf Fresse gehauen haben… wirkt halt vielleicht doch ansteckend, wenn man Raubtiere in freier Wildbahn beobachtet.

Was MANTAR nun in den nächsten 75 Minuten abliefern ist Energie, mit der man eine Kleinstadt mit Strom versorgen könnte. Hanno ist ein Monster. Erinc aber auch. Monsterparty, ayayayay. Hanno ist permanent in Bewegung, was die Energie auch visuell werden lässt und Fotografen zur Verzweiflung bringt; ok, der Nebel ist auch immer ein Arschloch beim Knipsen (außer beim folgenden Bild, da ist es doch recht stimmungsvoll).

04-Mantar - Band

Ich habe selten oder vielleicht sogar noch nie einen Gitarristen und Sänger gesehen, der so aufgeladen über die Bühne tobt. Da man das Drumkit neben und nicht hinter dem Rest der Band, also Hanno, platziert hat, hat er auch genügend Auslauf, den er ausgiebig nutzt. Es ist ihm auch total Blutwurst, ob der Mikrofonständer sehr hoch oder niedrig eingestellt ist, er rotzkotzt seine Vocals mit einer Vehemenz ins Mikro, dass ich mich wundere, wie er das über mehrere Tage aushalten kann. Besonders seine Stimme ist eines der unabänderlichen Trademarks des MANTAR-Sounds. Wobei MANATR so eigenständig sind, dass alles was sie machen und wie sie es machen ein Trademark ist. Hanno bückt, kniet, hockt über die und auf der Bühne, dass es eine Augenweide ist und zum Ende des Gigs hangelt er auch an der Traverse herum, lässt sich aber zurück auf die Bühne schwingen, wobei wir den Hungerhaken bestimmt locker gefangen hätten. Spielt er mal nicht todbringende Riffs, sorgt er dank seines imposanten Effektbrettes für andere Sounds und zaubert Atmosphäre in den Raum. Während des ganzen audiovisuellen Wahnsinns bleibt er immer sympathisch, wie die wenigen Ansagen beweisen, aber ab und an setzt er einen Blick auf, der sagt: No one here gets out alive. So sieht also Blutdurst aus.

02-Mantar - Hanno

Erinc ist, ich erwähnte es bereits, ein Monster an den Drums. Zeigt mir einen Drummer, der seine Kessel härter verdrischt und schonungsloser mit dem Kit umgeht, als er. Was er leistet ist harte Arbeit mit Können gemischt; quasi der Leonardo DaVinci unter der Maurern… als Hannos Bassverstärker abraucht, improvisiert Erinc ein feines Drumsolo und erntet nicht umsonst einen verdienten Szenenapplaus.

03-Mantar - Erinc

Was ich aber ganz besonders bemerkenswert finde, ist der Umgang und das Verständnis der Beiden untereinander. Da werden permanent Blicke getauscht, gegrinst und gemeinsam ein Inferno entfacht, dass Dante neidisch werden könnte. Da macht es Sinn, dass man sich keine dritte Person in Form eines Bassisten in die Bude holt. Überhaupt ist es bewundernswert, dass man ohne Bassmann einen so ordentlich fetten Sound auf die Bretter zaubert. Die Bassisten dieser Welt sind bereits in Sorge, ob man sie noch benötigt, wenn es auch ohne sie funktioniert. Viele von ihnen sollen bereits umschulen und die Volkshochschulkurse „Vom Bassisten zum Merchandiser“ sind deutschlandweit ausgebucht. Aber wo soll das eigentlich noch hinführen?! Früher musste man die Millionengagen, schließlich ist ja allgemein bekannt, dass Musiker ähnlich wie Fußballprofis bezahlt werden, noch durch vier oder fünf Leute teilen und nun sacken die gierigen Duos dieser Welt den ganzen Zaster ein… vielleicht kann man demnächst nur noch Kombos wie diese hier bewundern (raffgierige Säcke):

https://youtu.be/9bS9lwoniEU

Die Setlist lässt für mich persönlich mal keine Wünsche offen… „Praise the plague“, „Spit“, „Cult Witness“, „Astral Kannibal“, „Cross the cross“ (da gibt es auch ein feines Video zu; ich stell es euch mal an das Ende des Berichtes…), „Era borealis“ (diesen Song dürfte man als kleinen Geniestreich betrachten, wenn man bedenkt, wie die Braunschweiger den eingängigen Refrain mitgrölen…), „Into the golden abyss“, „The Huntsmen“, „Sundowning“, „Schwanenstein“ und „White Nights“… Angabe ohne Gewähr.

Hanno sagte im letzten Deaf Forever sinngemäß, dass er und Erinc die Band einfach aus Jux gegründet haben, um gemeinsam frei von der geschwollenen Leber weg herumzulärmen und Spaß zu haben und vielleicht liegt exakt da der Schlüssel zum Erfolg: Macht einfach, wonach euch der Sinn steht, seid authentisch, frei von Zwängen, scheißt auf Verkaufszahlen und Erfolg und folgt nichts oder niemanden, außer dem, was aus euch herauskommt (außer es ist ganz offensichtlich so richtig mies). Die Musikfans der Welt riechen Authentizität 100km gegen Wind und in der erweiterten Metal-Szene zählt das weitaus mehr, als alles andere und wird durch Liebe und Konzertbesuche zurückgegeben. MANTAR sind für mich der benötigte frische Wind in der harten Szene und das Paradebeispiel, wie man durch Authentizität gewinnt. Weiter so.

Der Gig heute darf als voller Erfolg gewertet werden, denn sowohl Band, als auch Fans haben hier heute Abend gewonnen.

Vielen Dank an MANTAR und MORIBUND SCUM und das B58 mit seinem großartigem Tonmeister! (chris)

Ach ja, wie versprochen das Video: