LIVEBERICHT

DRITTE WAHL + KOPFKINO :: Liebe gute, alte Zeit, bleib ein bisschen stehen!


am 20.05.2011 im Cafe Glocksee in Hannover

Endlich wieder ein Konzert! Diesmal fahren Kathi und ich mit Michi, Hinnerk, Rouven und Sandra zum DRITTE WAHL-Konzert nach Hannover. Dort treffen wir auf Holger und Anett und Holger ist im Vergleich zu mir ein alter DRITTE WAHL-Hase, da ich wirklichen Zugang zur Band erst mit dem „Gib Acht“-Album bekommen habe. Dafür hat sich das Album aber sofort in mein Herz gespielt und die Mischung aus politischen, sozialen und persönlichen Texten, die aber niemals plakativ oder aufgesetzt wirken, halte ich mit für das Beste, was jemals aus Deutschland kam. Entsprechend groß ist die Vorfreude, als sich die Gruppe aus dem zukünftigen Kreinbeckheim in Bewegung setzt. Kreinbeckheim deshalb, weil drei Gemeinden bei uns fusionieren sollen, damit sie Kohle aus dem EU-Pott abgreifen können und ein Großteil der Schulden erlassen wird. Im Privatbereich nennt man das Privatinsolvenz und geht mittel- bis langfristig natürlich mit Personalreduzierung einher. Wie die DRITTE WAHL klingt, wird bei Bier und guter Laune diskutiert, aber man findet nur schwerlich einen Konsens. Nach reichlich Pinkelpausen kommen wir irgendwann am Glocksee an und die Menschenmenge vor der Tür verspricht schon ein gut gefülltes Haus, was bei Preisen von 10 Euro im Vorverkauf und 12 Euro an der Abendkasse aber auch kein Wunder ist. Nach einigen weiteren Kaltgetränken, die preislich auch absolut fair vom Glocksee kalkuliert werden, machen wir uns auf in die Sauna.

 

Bei KOPFKINO ist aber alles noch ganz harmlos. Der Pogopulk ist noch überschaubar und die Hitze lässt sich gut aushalten. Eingeheizt wird dafür aber mit guten Deutschpunk der Achtziger Jahre, der als Besonderheit mit einem Akkordeon aufwarten kann, welches sich super in den Sound integriert und den 1-2-3-4-Hauruck-Punk klasse aufwertet.
Klar, ich kenne kein Stück der Band wirklich, aber „Nazi verpiss dich“ und „Alerta alerta Antifascista“ sind mir auch vor allem aufgrund der euphorischen Publikumsreaktionen gut im Ohr geblieben und begeistern nicht nur mich. Was ich heute von KOPFKINO sehe, ist ein guter Liveauftritt mit geiler Mucke. Das coole am Glocksee ist, dass du auch im Vorraum nicht auf die Musik verzichten musst, denn über die Boxen kommst du auch am Merchandise-Stand und an der Theke in den Live-Genuss, wenigstens klanglich. Dorthin ziehen wir uns auch zurück, denn heute sehen wir Hinnerk, Holger und Anett endlich mal wieder und den Hinnerk dann für lange Zeit nicht mehr. Also gibt’s noch Bierchen und Gespräche. Dennoch: Daumen hoch für KOPFKINO! www.kopfkino.eu

 

Nach der obligatorischen Umbaupause geht’s dann endlich mit der DRITTEN WAHL los: drei gutgekleidete Herren entern die Bühne, um ein Best-Of-Programm in die Menge zu feuern, dass es eine wahre Pracht ist. Während sich meine Kumpels in der ruppigen Pogomenge durchknödeln lassen und sich wie wilde Hunde benehmen, bin ich mehr der Genießer und Beobachter und bei der DRITTEN WAHL kommen beide Zuschauerarten zu ihrem Recht. Es ist ein Genuss, die Band auf der Bühne zu beobachten und besonders fällt mir auf, dass sich Gunnar und Stefan die schnellgesungenen Texte teilen, aber beide so perfekt aufeinander eingespielt sind, dass es nie zu Timingproblemen kommt. Da merkt man halt, wer viel und gerne Live spielt. Im Laufe des Gigs wird mir klar, das ich noch nie jemanden habe so schwitzen sehen, wie Stefan, der sich während des Gigs mehrere Liter rausschwitzt. Aber da dem Basssound im Deutschpunk in Trio-Besetzung immer eine besondere Bedeutung zukommt, hat er auch ordentlich zu tun. Allerdings ist da mit dem Schwitzen auch nicht wirklich ein Problem, denn es wird im Glocksee so unerträglich warm und vor allem sauerstoffarm, dass meine momentanen Kopfschmerzen sicherlich nicht vom Biergenuss herrühren dürften, sondern auf den Sauerstoffmangel zurückzuführen sind.

Timingprobleme der besonderen Art beschert uns Krel am Schlagzeug. Aber nicht in der Art, dass er nicht Trommeln kann, denn über seine hervorragende Leistung kann es nicht keine zwei Meinungen geben, aber zwei Mal verschwindet er von der Bühne „zum Spucken“, wie uns Gunnar mitteilt und gleich noch eine Anekdote aus alten Familientagen zum Besten gibt, die auch mit Krels Spuckerei zu tun haben. Ich weiß zwar nicht, was Krel dazu gebracht hat, sich den Mageninhalt noch mal durch den Kopf gehen zu lassen, aber Respekt hat er tonnenweise verdient, denn sobald er wieder hinter den Kesseln sitzt, geht die Party sofort weiter.

 

Songtechnisch gibt es einige Stücke des aktuellen Albums („Wo ist mein Preis?“, „Gib Acht!“, „Fliegen“, das Cover „Mama, hol den Hammer“ oder das DRITTE WAHL-goes-Elektro-Stück „Danke“ und dazu kommen Songs der letzten 23 Jahre wie z.B. „Rausch“, „Dritte Wahl“, „Greif ein“, „Kleiner Planet“, das mit starken Gitarrenparts versehene „Kein Wort“ oder das tolle „Zeit bleib stehen“. Zu der gelungenen Songauswahl kommen noch sympathische Burschen und ein geiles Publikum, welches sich mit „Dö-dö-de-dö-dö-döö“-Sprechchören und enthusiastischen Reaktionen ins Spiel bringen. Herz, was willst du mehr? Ich brauche nicht mehr, denn der Auftritt war in meinen Augen perfekt: echt, ungekünstelt und mit viel Leidenschaft.

Wie DRITTE WAHL klingen, brauchen wir uns auf der Rückfahrt nicht mehr wirklich fragen, denn DRITTE WAHL klingt nach DRITTE WAHL. Sie sind seit 23 Jahren da und ein Original. Und irgendwie bin ich froh, sie neben SLIME auch mal live erlebt zu haben. Aber ihr bekommt alle noch eure Chance, Teil der Show zu werden, denn in diesem Jahr tourt sich das Trio den Arsch ab und kommt garantiert auch in eure Nähe! Checkt unbedingt die Webseite: www.dritte-wahl.de!

Vielen Dank an die Bands und vor allem Gunnar! Das war wirklich fett! (chris).