INTERVIEW, TOP THEMA

WHISPERS IN THE SHADOW :: Der Kampf mit dem eigenen Ego


(Bilder: Werner Nowak – https://www.facebook.com/stills.eraserhead.at )

Wenn man sich die Rosinen aus den VÖ’s im dunklen Genre dieses Jahres picken wollte, hätte man hier einen prallgefüllten Rosinenkuchen in bester Konditorei-Tradition. Die Österreicher kredenzen uns mit „Yesterday is forever“ ein Feuerwerk an verschiedensten Dark-rockigen Soundstrukturen, verführerischen Melodien und durchdringenden, dunklen Rock Songs. Hinzu kommen eloquente Texte, welche das Hirn mit reichlich Input füllen und zur Beschäftigung mit sich Selbst und der Umgebung einladen. Ashley, der Kopf dieser Band, war so nett, meine Fragen für ein Interview zu beantworten. Und dieser geistreiche Mensch hat nicht nur in seinen Texten viel zu sagen. Vielen Dank Ashley. (andreas)
Review / Homepage / Facebook

 

Zuerst einmal muss ich dich beglückwünschen, „Yesterday Is Forever“ ist ein geniales Werk. Ja, es berührt mich. Glaubst du, dass ihr mit diesem Album den (bisherigen) Höhepunkt eurer Schaffensphase erreicht habt?

Vielen Dank für die schönen Worte. Schwierig zu sagen, noch fehlt es auch am nötigen Abstand. Ich glaube, die Frage kann ich erst in ein paar Jahren beantworten. Mit Sicherheit ist es aber eines unserer besten Alben, davon bin ich überzeugt. In vielerlei Hinsicht, aber ganz sicher was Arrangements und Produktion angeht. Nachdem aber solche Sätze wie deiner in letzter Zeit immer wieder und öfter kommen, könnte da tatsächlich was dran sein.

 

Man erkennt verschiedene Facetten, bzw. ich meine verschiedene Facetten zu erkennen, welche zu einer Reise in unterschiedliche Jahrzehnte einladen. Wenn man deinen sehr kritischen Umgang mit der Vergangenheit betrachtet, ist für dich die Gegenwart ohne Vergangenheit denkbar?

Nein, wie soll das gehen? Man entwickelt sich ja weiter und nimmt was mit auf der Reise. Das gilt, so denke ich, für alles. Man kann die Gegenwart nicht verstehen, ohne sich mit der Vergangenheit auseinander gesetzt zu haben. Alles ist eine Weiterentwicklung, von dem was schon mal war. Das trifft ja nicht nur auf Kunst zu. Ich halte es aber für wichtig, die Vergangenheit nicht verklärt durch eine rosa Brille zu sehen, was im Moment ja gerade sehr in Bezug auf die 80er passiert. Verstehe mich nicht falsch, ich liebe vieles aus dieser Zeit, aber wenn es dazu führt, dass vieles nur mehr mit dem Schleier der Nostalgie angegangen wird, ohne das Hier und Jetzt einfließen zu lassen, gibt es keine Progression mehr.

 

Wie sehr bist du, wenn man deine Musikrichtung betrachtet (unabhängig welche Schublade wir in der schwarzen Kommode öffnen), Gefangener deiner ersten Berührungspunkte mit der dunklen Musikszene?

Es liegt in der Natur der Sache, dass jene Musik/Filme/Bücher, Kunst ganz allgemein, die man in seiner Teenager-Phase aufgesogen hat, einen mehr prägen als z.B. neuere Künstler. Allerdings haben wir von Anfang an (vielleicht Alben 1+2 ausgenommen) versucht, diese Einflüsse immer auch zu erweitern und mit jedem Alben dem eigenen Bandkosmos neue Facetten hinzugefügt. Daher sehe ich weit und breit keine Gitter, die auf ein Gefängnis hindeuten würden. Ich glaube, mittlerweile würde es unser Publikum eher überraschen, wenn wir auf der Stelle treten würden als umgekehrt.

 

Ist dieses Gefängnis nicht auch ein bisschen Heimat?

Heimat, ist ein schwieriger Begriff, dem ich grundsätzlich skeptisch gegenüberstehe. Wird und wurde er doch immer wieder missbraucht bzw. auf sehr ungesunde Art und Weise verwendet. Ein Gefängnis ist ja etwas, was einen einengt, und ich komme mir keinesfalls eingesperrt vor mit dieser Band und den Möglichkeiten, die wir haben. Es ist uns ja fast alles zuzutrauen. Ich könnte mir ein Electro Pop Album von uns genauso vorstellen wie eines mit tiefer gestimmten heavy Gitarren. Meine Stimme wird ohnehin immer dafür sorgen, dass wir eindeutig als Whispers In The Shadow erkennbar sind. Das ist Fluch und Segen zugleich.

Du hast in Interviews schon mal gesagt, dass die Jahreszahl in „Forever 1985“ willkürlich gewählt wurde. Wer sich für Gothic Rock interessiert, weiß, dass 1985 mit „First and last and always“ ein wichtiges Album veröffentlicht wurde. Welchen Einfluss hatte dieses Album und wie soll es gelingen, diesen Einfluss zu negieren?

Also gerade dieses Album, dessen Wichtigkeit natürlich unbestritten ist, hatte überhaupt keinen Einfluss auf unser neues Werk. Hatte es aber natürlich in der Vergangenheit, klar. Wenn du mehr oder weniger astreinen Gothic Rock machst, so wie wir in der Phase 2008-2014, dann wird man da Parallelen erkennen, was Gitarren- und Bass-Linien angeht. In vielen Kritiken tauchte eher der Name David Bowie als Sisters of Mercy auf, das lasse ich gerne gelten. Wobei gut, die Sisters (wie fast alle anderen Gothic Band aus den 80ern) hätten ohne die Vorarbeit Bowie’s natürlich nie existieren können.

 

Das Video zu „Walking on the Mirror“ ist ziemlich symbolträchtig. Angefangen mit der Gitarre, welche du hinter dir herziehst, wie weiland Django einen Sarg, über einen Globus, auf dem du etwas suchst, bis hin zum Buch „Der parfümierte Garten“. Kannst du etwas zu der Idee hinter dem Video erzählen?

Das Video ist für mich wohl unser bestes. Es transportiert genau die Stimmung, die ich auch mit dem Song ausdrücken wollte: psychedelisch, entrückt, etwas neben der Spur und voller seltsamer Bezüge und Andeutungen. Edie Calie hat hier wieder den Nagel auf den Kopf getroffen, wie schon bei unseren anderen Videos auch.
Die Gitarre, die ich da hinter mir herziehe, ist übrigens meine allererste Gitarre überhaupt, tatsächlich ein ganz wunderbarer Symbolismus, ja. Zum Rest will ich aber gar nicht zu viel erzählen, der Betrachter soll sich seine eigenen Gedanken machen und ist eingeladen, die Bildsprache gemeinsam mit dem recht kryptischen Text zu entschlüsseln. Hinweise wie Blumennamen, das besagte Buch etc. gibt es ja genug.

 

In eurer aktuellen Single „Adrift“ begehrst du Einlass in dein Ego. Geht es in dem Song um den Versuch einer Außenbetrachtung des Selbst oder um die Suche nach dem Selbst?

Weder noch, es geht um den Kampf mit dem eigenen Ego. In sehr vielen spirituellen Traditionen geht es am Ende um die Bezwingung des eigenen Egos, verkürzt gesagt. Das Ego ist eines jeden Menschen größter Feind. Um es zu überwinden ist ein Blick in den Abyss, den Abgrund, unumgänglich. Jener wird im Song als „Grand Hotel Abyss“ bezeichnet.

 

In „The Futurist“ gibt es die deutschsprachige Zeile „Vorsprung durch Technik“. Da du ja des Öfteren auch mal Ironie und Überspitzung in deine Texte einfließen lässt, was hat es mit diesem bekannten Werbespruch von Audi auf sich? Geht es in dem Song um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Fortschrittsglauben und was hat es mit dem Dora-Camp auf sich?

Grundsätzlich richtig erkannt. Es geht vor allem um Technokraten wie z.B. Wernher von Braun, also jener Wissenschaftler, der eng mit den Nazis zusammengearbeitet hat und u.a. die V2 Rakete erfand. Gebaut wurde diese natürlich durch Insassen der Konzentrationslager. Vor allem von einem Außenlager von Buchenwald Namens Dora. Also das Dora Camp, inkl. zahlreicher Toter und mit dem Wissen Von Braun’s. Nach dem Krieg dann sein fliegender Wechsel zu den Amerikanern, für die er dann den Raketenantrieb der Apollo Mission entwickelte, und ihnen damit half, den Wettlauf zum Mond zu gewinnen.

Er steht aber hier exemplarisch für technokratisches Denken ganz allgemein, das für den Fortschritt jegliche moralischen Verpflichtungen oder Bedenken zur Seite schieben. Von Braun ist nur das bekannteste und offensichtlichste Beispiel, The Futurist ist somit nicht explizit ein Song über ihn. Ich glaube, durch diese Erklärung beantwortet sich auch die Frage, warum ich Deutsch gewählt habe, besonders auch dann, wenn man sich die Vergangenheit von Audi/VW mal genauer ansieht. Die haben sich ja auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert, was ihr Verhalten während des Dritten Reichs angeht, um es vorsichtig auszudrücken.

 

Wenn wir hier angekommen sind, du verwendest in „Straight & Narrow“ ebenfalls eine deutschsprachige Zeile („Was für ein Spaß“). Aufgrund der vorherigen Zeile würde ich mal auf Zynismus tippen, oder lieg ich falsch? Was hat es mit Nutopia auf sich? Eine Anspielung auf den Roman von Thomas Morus oder bezieht es sich eher auf die Mikronation von John Lennon und Yoko Ono?

Dieser Song-Text ist ein reiner „Stream Of Consciousness“. Sprich, ich habe mich hingesetzt und einfach drauflos geschrieben, ohne mir überhaupt Gedanken zu machen was ich da schreibe. Ich habe das in der Vergangenheit auch schön öfter gemacht, aber nun schon sehr lange nicht mehr. Ich lasse mich dabei einfach von der Stimmung des Songs tragen und schreibe auf, was mir in den Sinn kommt. Mein Unbewusstes übernimmt sozusagen die Kontrolle und dabei kam dann auch diese deutsche Zeile heraus. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was das alles soll. Daher ist jede Interpretation des Texts richtig und falsch zugleich. Er ist also alles andere als Straight & Narrow, wenn man so will. Im Nachhinein wurde klar, dass manches aus Träumen aus der Zeit des Schaffensprozesses stammt. Was natürlich Sinn macht, wenn man dem Unbewussten die Kontrolle übergibt.

 

Textlich und besonders von der Idee her, finde ich „The War That Never Was“ hervorragend. Würdest du diesen Song eher als Satire oder als Anti-Kriegs-Song bezeichnen?

Durchaus beides. Er soll auf jeden Fall das Absurde eines Krieges veranschaulichen.
Der Song ist genau das Gegenteil von Straight & Narrow. Ich hatte eine ganz genaue Idee, was ich wie sagen will. Der Text war schon vor dem Song fix und fertig, die Geschichte, die ich dazu im Kopf hatte, bildete das genaue Storyboard für den Song. Also zusammengefasst: 2 Armeen ziehen aus, um sich die Köpfe einzuschlagen voller Kriegstaumel und Freude, aber sie schaffen es einfach nicht, sich zu treffen, also geben sie irgendwann wieder auf und kehren wieder nach Haus zurück.

 

„The Horror“ beherbergt eine sehr experimentelle Seite. War zuerst das wütende Klangbild oder zuerst dieses verwirrende Klangspektrum vorhanden? Wie sehr liegen dir die etwas experimentellen Songs, ein anderes Beispiel ist „Straight and Narrow“, am Herzen.

Der Song startete mit dem ruhigen Teil, allerdings führte er nach längerem herumprobieren irgendwie ins Nichts. Nach einer Weile hatte ich dann die Idee, eine 180-Grad-Wendung zu vollziehen. So entstand der brachiale zweite Teil. Wenn ich beim Song-Writing nicht weiterweiß, mache ich oft einfach genau das Gegenteil von dem, was bereits vorhanden ist, was ab und an zu interessanten Ergebnissen führt. Es sind ja schon fast 2 Songs in einem, die wir hier hören. Gerade diese experimentellen Stücke, also „The Horror“ und „The War That Never Was“ mag ich sehr gerne. Auf diesem Album geben sie dem Ganzen den nötigen Twist, damit es nicht zu eingängig wird. Es sind jene Songs, die den Hörer sicherlich überraschen, weil man mit sowas nicht rechnet.

Neben Whispers in the Shadow hast du mit The Devil and the Universe eine weitere Band. Gibt es beim Songwriting eine strikte Trennung. Anders gefragt: Wenn eine Idee für einen Song und/oder Text anfängt, sich zu entwickeln, weißt du von Beginn an, bei welcher Band das Ziel ist?

In der Regel ja, ich arbeite sehr konzeptionell. Sprich, ich habe vorher eine Idee wohin ich mit dem Song will. Außerdem arbeite ich grundsätzlich immer nur für eine Band an einem Album, niemals an zwei gleichzeitig, das wäre mir nicht möglich. Beide Projekte sind so grundverschieden in einfach allem, nicht nur was die Musik betrifft. Es ist allerdings schon vorgekommen, dass ich Songs schrieb, wo ich dann nach der Hälfte merkte: „Okay, das passt dann doch eher zu der anderen Band“, aber das ist sehr selten und vielleicht erst drei-, viermal passiert.

 

Wir leben in seltsamen Zeiten, verstehst du, mal unabhängig davon, dass Künstler extrem betroffen von den verschiedenen Maßnahmen gegen das Corona Virus betroffen sind, die Kritik von Jugendlichen, welche in einer bestimmten Lebensphase sehr eingeschränkt sind? Wie würdest du denken, wärst du zwischen 16 und 29?

Also zwischen 16 und 29 ist schon eine etwas lange Zeitspanne. Da liegen ja 2 ganze Leben dazwischen. Mit 29 habe sicherlich anders gedacht als mit 16 😉

Ist schwer zu sagen. Ich war immer schon eher ein Stubenhocker, der nicht so scharf drauf ist, unter Menschen zu gehen. Natürlich jetzt mehr als damals. Aber was man nicht vergessen darf, in meinem jetzigen Alter – also 43 – sind 2 Jahre jetzt nicht so arg, aber als Teenager sind 2 Jahre ja eher wie 5. Es ist einfach schwer zu sagen, auch weil die Zeit eine ganz andere ist als damals, als ich 16 Jahre alt war, das war ja eine andere Welt. Es ist mir nicht möglich das zu beantworten. Aber es würde mich härter treffen als jetzt, das ist klar. Ich glaube schon, dass ich mich an die Auflagen halten würde, aber ich wäre etwas ungeduldiger, was ja normal ist in dem Alter. Man hat ja ständig Angst etwas zu versäumen, wenn man jünger ist. Eine der wirklich schönen Seiten am Älterwerden ist, dass dieses Gefühl vergeht. Zumindest empfinde ich das als angenehm.

 

Die ähnliche Frage an dich als Künstler, auch mit Blick auf Live Konzerte und Festivals, welche Schwierigkeiten, Ängste gibt es aktuell, wie sieht es mit dem New Waves Day aus?

Das NWD ist angekündigt und ich hoffe wirklich sehr, dass es stattfinden wird. Das Line-Up ist fantastisch mit And Also The Trees, Gary Numan, The Chameleons.. Es ist im Moment einfach schwer zu sagen. Aber es wird noch dauern und der Winter wird lang und schwierig werden. Ich fand es etwas verantwortungslos, den Leuten zu sagen, es gäbe ein „Licht am Ende des Tunnels“, so wie das hier in Österreich im Sommer passiert ist, denn das war natürlich ein ausgemachter Blödsinn. Es war klar, dass es im Winter hart werden würde. Das Virus fährt ja nicht auf Urlaub auf die Bahamas. Ich freue mich natürlich auf Konzerte, wann immer das sein wird und übe mich in Geduld. Wir hätten einige wirklich vielversprechende Gigs in Aussicht. U.a. eine 25 Jahre Jubiläumsshow auf einem bekannten deutschen Festival. Sollte das nicht nächstes Jahr klappen, machen wir eben ein 25+1 Jubiläum draus in 2022 oder so. Wir werden sehen.

 

Wenn man dein Album gerade zu Beginn ein wenig in Richtung Kulturkritik schieben könnte, bist du auch in Bezug auf Politik ein kritischer Zeitgeist, zwangsläufig kommt da die Frage nach eurem sehr jungen Kanzler. Hat sich die Politik in Österreich mit Kurz geändert und wie groß ist aktuell der Einfluss der FPÖ?

Ja, natürlich hat sie das. Er fährt einen sehr autokratischen Stil, seine Bewunderung für Leute wie z.B. Orban oder sicherlich auch Putin ist offensichtlich. Wenn es nach ihm ginge, würde er am liebsten alleine an allen Instanzen vorbeiregieren, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, der ja viele „seiner“ Ideen und Gesetze wieder rückgängig macht, da bin ich mir sicher. Der Personenkult um ihn nimmt auch sehr seltsamen Formen an und ist gelinde gesagt beunruhigend. Aber durch die Pandemie wurde ihm etwas Wind aus den Segeln genommen. Was die FPÖ angeht, die spielt seit der Ibiza Affäre um ihren ehemaligen Führ….ähh Parteichef HC Strache ja keine Rolle mehr. Die haben sich selbst demontiert. Es war ein Tag voller Freude, der mir lange in Erinnerung bleiben wird. Ich war gerade im Studio als Produzent für eine andere Band tätig (Laut Fragen), wir haben aber an den Tag nicht so viel weitergebracht, da wird es vorzogen zu feiern. Es war ein schöner Tag. Ich glaube auch nicht, dass von Seiten der FPÖ mittelfristig noch wirklich Gefahr ausgeht. Die letzten Wahlen waren für sie desaströs und es fehlt ihnen eine vermeintliche Lichtgestalt und Rhetoriker wie HC Strache. Der ist, wie es so oft der Fall ist bei den rechten Recken, über sein eigenes Ego gestolpert, um den Kreis zu vorhin zu schließen.