INTERVIEW, TOP THEMA

THE ATMOSFEAR :: Auf’s Wesentliche konzentrieren

Fünf lange Jahre war es still um die südniedersächsischen Krawallmacher von THE ATMOSFEAR, aber jetzt haben sie sich mit einem Knall namens „the world is grey“ zurückgemeldet. Grunz- und Kreischspezialist Olle hat sich die Zeit genommen, unsere Fragen ausführlich zu beantworten! (chris)
www.myspace.com/theatmosfear666
Review „the world is grey“ (Death Metal)

 

Was ist in den 5 Jahren zwischen den letzten beiden Alben passiert? Hattet ihr mal das Gefühl, dass es nicht weitergeht?
Tja, was ist passiert? Nach der Veröffentlichung von LOST PAIN sind wir nicht so recht aus dem Schritt gekommen, weil wir von außen keinen Druck hatten bzw. beruflich/private Gründe teilweise so hemmend waren, dass wir keinen Antrieb hatten, was touren, booken usw. angeht. Ich persönlich habe zeitweise keinen Grund und keine Möglichkeit gesehen, im Alleingang irgend etwas voranzutreiben, von dem ich nicht das Gefühl hatte, dass es sich dann um einen Egotrip gehandelt hätte.
Wir haben uns nicht mal um den Aufbau eines Vertriebes gekümmert und uns mit unserem Internet und Konzertverkauf begnügt. Dennis und Cabanus sind ausgestiegen, wir haben Frank in die Band geholt, ca. 3,5 Jahre zu viert Musik gemacht und uns erst mal darauf beschränkt, Spaß zu haben. Jetzt geht’s wieder voran!

 

Mit „the world is grey“ ist euch ein sehr starkes Stück Musik gelungen. Hat euer neuer Gitarrist Kevin das Songwriting beeinflusst?
Ehrlich gesagt nicht. Die Songs sind nämlich, bis auf einen einzigen, alle in der Zeit vor Kevins Einstieg geschrieben worden. Kevin hat wunderbar geile Ideen, die wir bislang aufgrund seines seltenen Erscheinens bei den Proben nicht umsetzen konnten. Aus diesem Grund ist auch keine seiner Songideen auf dem aktuellen Album gelandet. Wir haben keinen seiner Songs rechtzeitig fertig bekommen und mussten uns dann zum Schluss auf das fertige Material konzentrieren. Leider.
Gut ist, dass wir nun live wieder die volle Wucht spielen können und wir wieder jemanden in der Band haben, der auch ausgefallene Soli spielen kann, wenn er Lust hat. Das Songwriting beim aktuellen Album zeichnet sich durch die Zusammenarbeit von Andi, Lars, Frank und Olle aus, weil wir in der Zeit zu viert ein gutes Songwriting entwickelt haben.
Alle Songs haben wir wirklich zusammen geschrieben. Jeder Einzelne von uns hat seinen Beitrag geleistet. Frank hat das Songwriting wohl am ehesten neu beeinflusst und ist eine Symbiose mit Andi eingegangen. Das Bassspiel von Lars ist in der Zeit mit nur einer Gitarre auch wesentlich mehr in den Mittelpunkt gerückt. Und das ist gut so!

 

Wie würdest du persönlich die Entwicklung von „Lost Pain“ zu „the world is grey“ beschreiben?
Meinst du musikalisch? Hm, also meiner Meinung nach sind die Songs noch grooviger geworden, direkter und fett in die Fresse, hähähä. Im Grunde sind wir unseren begonnenen Pfad weitergegangen. Alles andere hat die Konzentration, die sich aus der 4(Fear)er-Konstellation ergab, mit sich gebracht.
Bereits vor 5 Jahren habe ich prophezeit, dass beim nächsten Album die abgedruckten Texte mit den eingesungenen übereinstimmen werden, aus diesem Grund habe ich mich vor der Produktion wesentlich mehr mit ihnen auseinander gesetzt.

 

Du bist vor einiger Zeit Vater geworden, deine Weltsicht scheint aber eher düster zu sein, wenn man die Lyrics zum Maßstab nimmt. Was tust du, damit die Welt deiner Kleinen KEINE graue sein wird?
Ehrlich gesagt bin ich ein sehr stolzer Vater und ich verbringe meine Zeit sehr gerne mit meiner tollen Tochter. Sie fordert viel ein, ist neugierig, obwohl sie noch recht klein ist, aber sie ist auch sehr witzig. Da gibt es viel zu lachen. Ich zeige ihr die schönen Sachen, die mir über den Weg laufen und umgekehrt ist das ja sowieso der Fall. Kinder sehen viel mehr interessante und witzige Kleinigkeiten als Erwachsene. Kinder geben einem sehr viel und man kann ihnen sehr viel geben, weil sie es oft sehr dankbar annehmen. Das ist toll und man sieht die Welt selber etwas schöner. Ich freue mich über das Lachen und den Quatsch, den ich mit meiner Tochter erleben kann, das ist super! Mit anderen Worten: sie hilft mir unbewusst die Welt nicht so grau zu sehen. Ich ärgere mich jedoch noch zu oft und zu schnell darüber, dass Menschen ihre Chancen verschwenden oder nicht wahrnehmen… irgendwann will ich gelassener sein, harhar…

 

Wovon handeln deine Texte und was willst du damit ausdrücken?
Schwierige Frage, da muss ich kurz nachdenken. Hm, im Grunde sind es nur Reflexionen von Gedanken, Erfahrungen, Ereignissen und Situationen, die ich mit anderen interessierten Menschen teilen möchte. Meiner Meinung nach lebe ich in einer sehr ignoranten, egoistisch-egozentrischen Welt, die davon regiert wird, den eigenen Vorteil in den Mittelpunkt zu stellen. Und ich kann dagegen nicht viel tun, bin selbst ein Teil vom Ganzen, ein „Piece of Planet“ sozusagen.
Alle Textthemen sind zufällig beim Singen entstanden und bekamen im Laufe der letzten 5 Jahre durchweg einen sehr aktuellen Bezug zur Realität, ohne dass es so geplant war. Zum Beispiel „Corruption“, da brauch ich nicht viel zu sagen, schau dich um, das Thema ist ständig in Zeitungen, Nachrichten usw. Ein immer währendes Problem.
„Brutality of Life“ passt zur derzeitigen Situation in Ägypten bzw. ingesamt im Nahen Osten, Tibet und in die Situation von denkenden Menschen im Westen, es geht um die Suche nach Wahrheit und Freiheit des eigenen Handelns.
„Deathinfection“ hingegen soll versinnbildlichen, dass es keine „toten“, nicht-denkenden Mitläufer geben sollte, die wegen ihrer eigenen, isolierten Situation scheinbar dazu gezwungen sind, es zu werden.
„Isolation“ ist ganz allgemein ein Blick durch die Lupe bzgl. der Vereinsamung Einzelner innerhalb des westlichen Systems, durch das Wegfallen eines sozialen Zusammenhalts ergibt sich das ganz automatisch. „Isolation“ spiegelt die Sicht eines Warum-fragenden wider.
Textlich handelt es sich bei „the world is grey“ um ein Konzept, das ich bereits bei unseren alten Alben festgestellt habe, wenngleich unsere Platten nie konzeptionell geplant waren. Beim neuen Album habe ich hingegen einen konzeptionellen Gedanken gehabt, den ich durchgesetzt habe.

Ist es Zufall oder Absicht, dass der Totenkopf auf dem Cover über Ägypten aufsteigt und den Nahen Osten überdeckt?
Perfider Weise ja. Wenngleich mir die Situation im Nahen Osten schon lange wichtig für die gesamten Weltsituation erscheint. Eines Tages wird es nur noch Kriege um Wasser geben, nicht mehr um den wahren Gottesglauben, denke ich, weil dann feststehen wird, dass man vom Glauben allein nicht leben kann.
Ich bin der Ansicht, dass weder Christen, Hindus, Moslems bzw. Islamisten, oder sonst eine Glaubensrichtung, die ich hier nicht erwähnt habe, das Recht hat, seinen Glauben irgendwem aufzudrängen. Wir müssen alle irgendwie miteinander klar kommen und respektieren. Ein frommer Wunsch, ich weiß.

 

Glaubst, du, dass eine Revolution, wie sie momentan in Ägypten abgeht, dem Land eine positive Veränderung bringen wird?
Nein, glaube ich nicht. Aber alles ist relativ. Was ist positiv? Die Industrialisierung? Die Verweltlichung? Die Unabhängigkeit von einer Glaubensgemeinschaft? Positiv wäre für mich, wenn die Menschheit ursprünglich und auf das Wesentliche blickend leben würden.. .es regiert Ignoranz und Konsumterror. Wären wir mal Neandertaler geblieben, dann hätten wir wahre Probleme. Hunger, Durst, Kälte usw… das ist wesentlich!
Aber das war ein anderer Song, ich sach‘ nur „human race will fall“, hehe…

 

Du hast gesagt, dass deine Frau geträumt hat, dass ihr es 2011 weit bringen werdet. Glaubst du an Vorhersehung, Schicksal und dergleichen oder denkst du, dass alles, was man im Leben schafft, nur aus eigener Kraft erreicht werden kann?
Du meinst in Bezug auf THE ATMOSFEAR. Ja, das hat sie gesagt. Und sie hat schon oft Dinge vorausgesagt, die eingetroffen sind. Das ist sehr verblüffend und faszinierend! Ich sach‘ mal so: Ich denke, manche Dinge müssen und sollen passieren, es hängt nur davon ab, was dafür getan wird.
Nur wenn ich etwas für eine mir wichtige Sache tue, schaffe ich die Möglichkeit, dass ich etwas, bzw. sich etwas realisiert. Wenn ich zum Beispiel kein Geld hab‘, um mir ’ne Klampfe zu kaufen, kann ich mir ’nen Job suchen und Geld verdienen, oder ich frag ’nen Kumpel, ob ich mir seine Klampfe leihen kann. Beide Wege sind möglich, aber ich habe etwas dafür getan, eine Klampfe zu bekommen, nicht? Zumindest musste ich fragen, ob ich ’ne Klampfe ausgeliehen bekomme, verstehste? Was sich danach daraus ergibt, hängt von meinem eigenem weiteren Handeln ab.

 

Eure letzten Konzerte scheinen ja richtige Erfolge gewesen zu sein…!
Ja, das stimmt. Sowohl besuchertechnisch als auch verkaufsmäßig. Für ’ne Band wie uns ist es schon geil, drei Konzerte in Folge mit 185 bis 230 Zuschauern zu spielen und dabei festzustellen, dass die Leute fett abgehen und unser Zeug kaufen. Wir sind zufrieden!
Unser Jubiläumskonzert im November ist etwas in die Hose gegangen, weil Andi mit einem technischem Problem zu kämpfen hatte, da schafften wir es nicht, unsere Power zu kanalisieren und die Zügellosigkeit des Publikums zu knacken, aber die Konzerte danach waren dafür um so geiler! Wir haben gerade sehr viel Power und Energie, die wir raus lassen müssen! Und das scheint ansteckend zu sein. Das nenn ich positiv!

 

Weitere Konzerte sind bereits in Planung… kannst du schon etwas verraten, wohin es geht und mit wem?
Ja, so’n bisschen. Wir werden gemeinsam mit UNCREATION aus Hamburg unsere „the world is grey – Tournee 2011“ einleiten. Erster Schwerpunkt wird um Ostern rum sein. Das Booking für „the world is grey pt.1 – Jesus is dead“ läuft noch, aber u.a. sind Chemnitz und Leipzig bereits bestätigt. Hamburg ist in der Mache.
Im Herbst gibt’s dann „the world is grey pt.2 – The World is dead“. Da wird sich noch so einiges tun, auf unserer Homepage www.the-atmosfear.de werden wir die aktuellen Daten zu entsprechender Zeit veröffentlichen.
Wir wollen außerdem noch mit einigen DarkBound-Bands (checkt mal www.darkbound.net – Anm. d. Verf.) touren. Das hängt aber von denen ab. Die Gespräche müssen langsam mal konkretisiert werden. Ein Trip nach Rumänien war letztens im Gespäch, außerdem wollen THE ATMOSFEAR dieses Jahr in Holland spielen. Mal sehen, was sich sonst noch so im Laufe des Jahres ergibt. Zwei größere Festivals sind übrigens auch noch im Gespräch! Bei einem scheint sich das jetzt grad zu konkretisieren, beim Zweiten weiß ich bald mehr.

 

In der Dankesliste „dankst“ du einem großen Metalmagazin für 15 Jahre Ignoranz. Andere Printmagazine und zahlreiche Onlinemagazine nehmen euch aber zur Kenntnis und ernst, richtig?
Ja, das stimmt. Aus einem unergründlichen Grund gab es unseres Wissens niemals ein Review, schon gar kein Interview im ROCK HARD. Da wir in den verschiedensten Magazinen auf der Welt gute bis sehr gute Reviews bekommen haben, sogar als „innovativ“ bezeichnet wurden, dürfte die Qualität der Musik eigentlich kein Grund zur Ignoranz gewesen sein. Naja, an fehlender Hardware unsererseits kann’s nicht gelegen haben, da ich Götz Kühnemund nicht nur einmal persönlich ’n Album von THE ATMOSFEAR in die Hand gedrückt habe. Vielleicht hat er unsere CDs jedes Mal verschlampt, hähä. Auch Buffo bekam Material in die Hand gedrückt. Per Post gingen CDs mit kompletten Info-Paket an die Redaktion… das war Geldverschwendung. Tja, was soll ich davon halten? Harhar. Egal!

 

Wenn du dir eine Band aussuchen solltest, für die du ein Tribut-Album konzipieren dürftest, welche Band wäre das und warum?
Uff, du fragst mich Sachen! (Danke, ich fand die Frage auch gut… – Anm. d. Verf.) Hm, kurz überlegen. Eigentlich ganz klar! DEATH, wem sonst? Für mich persönlich ist das die wichtigste Death Metal Band überhaupt, weil DEATH nur gute Songs veröffentlicht haben, von Anfang an dabei waren, und nicht ein Album als wirklich schlecht bezeichnet werden kann. Die Entwicklung von DEATH ist über die Jahre hinweg betrachtet einfach interessant.
Ich habe drei verschiedene „Scream Bloody Gore“-Shirts, das ist wohl ein weiterer Anhaltspunkt, warum nur DEATH in Frage kommen würden, oder?
Hähä… SODOM wäre ebenfalls ’ne Überlegung wert. Mit denen würde ich gerne mal auf Tour gehen!

 

Was möchtest du noch sagen, bist es aber in diesem Interview nicht gefragt worden?
Puh, du stellst ja Fragen, hmm, mal nachdenken! Warum fragst du nicht, was das Bild auf der ersten Seite unseres Booklet´s bedeutet? (OK – Anm. d. Verf.)
Ich würde dir dann antworten:
Nun, das ist ein persönlich erstelltes Symbol, welches versinnbildlichen soll, dass es im Universum ein Streben nach Ausgeglichenheit gibt. Wenn du einzelne Teile des Bildes miteinander verbindest – zum Beispiel die drei Kugeln rund um die Pyramide, die für „Leben – Sterben – Wiedergeburt“ stehen sollen – kannst du alle möglichen geometrischen Figuren erstellen, seien es Rechtecke, Quadrate, den Davidstern, ein Pentagramm, Kreise usw.
Die vier abgeschlagenen Hände hingegen versinnbildlichen das Leben in seinen verschiedenen Facetten.
Der skelletierte Arm unter der Pyramide mit dem all-sehenden Auge des Bewusstseins steht für die Vergänglichkeit und den Tod aller Menschen und Tiere, den Verfall des Ganzen. Dem gegenüber sieht man oben den aufrechten, nietenbestückten Arm mit der zum Metalgruß erhobenen Hand – die soll die Lebensenergie, die Kraft und die Macht des Guten darstellen.
Das Böse/Schlechte, die Verrohung und das Verbrechen an sich und Mord wird durch die Hand mit der Pistole dargestellt. Unterstützt wird die unmoralisch schlechte Seite durch das Entermesser der Piraten das für Untreue und Raffgier steht. Die moralisch unschuldig „Gute Seite“ wird hingegen durch das Ritterschwert mit Ankh – dem Symbol für Fruchtbarkeit und ewiges Leben – unterstützt.
Zu dem edlem Schwert gesellt sich die Hand mit Ring die eine Rose welche für Liebe, Leidenschaft, Loyalität und Verbundenheit steht, hält.
Das Tatzenkreuz versinnbildlicht die Gegensätzlichkeit zwischen weiß und schwarz, und stellt eine westliche-scharfkantige Harmonie dar, gegensätzlich zum asiatischen Yin/Yang.
Im Hintergrund der skelletierten Hand sieht man übrigens das „gehörnte Spermium“, welches Angst und Furcht (fear) verbereitet und vermehrt.hähä.
THE ATMOSFEAR beschäftigen sich ja von jeher mit der Thematik der Angst im Leben der einzelnen Menschen. Also damit, wie die Angst das Handeln bestimmt.

Soviel dazu, in vielen Dingen steckt viel mehr als es scheint.. in anderen Dingen steckt gar nichts! Oder?

 

Geiles Schlusswort!.